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Scaramucci und die Pressearbeit
"Journalisten sind nicht in erster Linie Feinde"

"Schillernde Persönlichkeiten" wie Anthony Scaramucci suche man in Deutschland vergebens, sagte Jörg Schillinger, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Pressesprecher, im Dlf. Dem neuen Kommunikationschef im Weißen Haus gelinge bislang vor allem eines perfekt: die Identifikation mit seinem Chef.

Jörg Schillinger im Gespräch mit Bettina Köster |
    Anthony Scaramucci: Der neue, umstrittene Kommunikationschef im Weißen Haus.
    Anthony Scaramucci: Der neue, umstrittene Kommunikationschef im Weißen Haus. (picture alliance / Chris Kleponis/Consolidated/dpa)
    Bettina Köster: Schütteln Sie manchmal mit dem Kopf, wenn Sie nach Washington blicken?
    Jörg Schillinger: Man muss sehen, dass die amerikanische Mentalität eine ganz andere ist als hier in Europa: Dass Vokabeln benutzt werden, die wir auch nicht so benutzen. Dass die Empathien anders sind. Man sollte es also nicht eins zu eins vergleichen. Dennoch stellen sich natürlich manche Fragen über das Verhalten dort: Dass keine Kameras zugelassen sind. Dass unliebsame Journalisten rausgeschmissen werden. Dass man hart gegen die vorgehen möchte. Das sind so Usancen, die wir eigentlich in Europa nicht haben. Und aus meiner Sicht muss ich sagen: Es ist auch gut, dass wir die nicht haben.
    Neben seiner Tätigkeit für den Bundesverband Deutscher Pressesprecher leitet Jörg Schillinger die Öffentlichkeitsarbeit der Dr. August Oetker KG in Bielefeld.
    Köster: Was halten Sie denn von diesem schillernden, scheinbar sehr anpassungsfähigen Menschen Anthony Scaramucci?
    Schillinger: Eins macht er perfekt: die Übereinstimmung zwischen Auftraggeber und seinem Sprecher. Da passt er, glaube ich, hervorragend zu Herrn Trump - nach allem, was ich bisher gelesen habe. Ich kenne weder den einen noch den anderen persönlich, muss ich sagen. An sich ist es unser Anliegen in Deutschland – und da spreche ich für den Bundesverband deutscher Pressesprecher: Wir sind nicht die Personen, die im Mittelpunkt stehen, die sich in den Vordergrund drängen, sondern wir sind die, die die Kontakte zu den Medien pflegen, die Gespräche möglich machen, die Nachrichten zwar verkaufen, aber eher doch in den Hintergrund treten. Und solche schillernden Persönlichkeiten wie Herrn Scaramucci sucht man in Deutschland, glaube ich, nahezu vergebens.
    Köster: Lernt man denn als Pressesprecher überhaupt, wie man sozusagen ein "Fähnchen im Winde" ist?
    Schillinger: Da sollte man immer aufpassen, ein "Fähnchen im Winde" zu sein - man muss schon authentisch bleiben. Und letztendlich ist es die Professionalität, die man an den Tag legt, indem man seinen Dienstherrn – egal, ob das ein Unternehmen, ein Verband oder eine andere Vereinigung ist, oder eine Partei – indem man dort Brücken baut, deren Meinung verbreitet, Kritik auch einsteckt, aber sich nicht hemmungslos nach links und rechts dreht, wie es gerade passt. Man muss schon für etwas stehen, das denke ich schon.
    "Mediator, nicht Propagandist"
    Köster: Sie haben eben so ein bisschen angedeutet, so was wäre bei uns in Deutschland eigentlich nicht möglich. Warum eigentlich nicht?
    Schillinger: Wir haben eine andere Mentalität in Deutschland, ganz klar. Wir benutzen nicht die überschäumenden Emotionen. Es gibt sicherlich mal harte Worte, kurz angebunden, es kommt auch ab und zu mal zu Unstimmigkeiten zwischen Pressesprechern und Medien, das ist ganz klar, das gibt es. Aber im Großen und Ganzen ist die Rolle bei uns, glaube ich, eher so, als Mediator zwischen zwei Welten gesehen - und nicht als Propagandist, wie es zum Beispiel im Weißen Haus passiert.
    Köster: Ein guter Pressesprecher muss ja auch unangenehme Botschaften in angenehme verpacken können. Wo sind denn da eigentlich die Grenzen der Glaubwürdigkeit erreicht?
    Schillinger: In Deutschland ist jeder Pressesprecher angehalten, sich an den Kommunikationskodex zu halten, der gemeinsam von Kommunikationsverbänden entwickelt wurde. Und alles, was nicht den Vorschriften dieses Kodexes entspricht, dort sind die Grenzen erreicht. Das heißt: Kommunikation muss wahrhaftig sein. Lügen verbieten sich von selbst. Man muss Professionalität an den Tag legen. Das sind alles Dinge, die es zu beachten gilt. Wer das als Pressesprecher nicht macht, der kann unter Umständen mit einer Rüge durch den Deutschen Rat für Public Relations rechnen, das ist das Pendant zum Deutschen Werberat. Da achtet die Branche schon selber drauf, dass hier keine Grenzen überschritten werden.
    Identifikation? "Das macht Herr Scaramucci ja wunderbar"
    Köster: Herr Schillinger, wenn Sie jetzt den Posten übernehmen dürften in Washington – was würden Sie als Erstes tun als Pressesprecher von Herrn Trump?
    Schillinger: Als Erstes würde ich hinter den Kulissen das System verstehen. Oder: Zuvorderst müsste man wissen, passt man zu einer Organisation? Und wenn die Organisation so funktioniert wie die von Herrn Trump, dann muss man fragen, ist man dort der richtige Mann? Weil: Als Pressesprecher müssen Sie Glaubwürdigkeit vermitteln. Sie müssen sich schon mit den Zielen dieser Organisation identifizieren. Das macht Herr Scaramucci ja wunderbar, auch wenn sehr amerikanisch mit "I love him, I love him". Und dann sollte man versuchen, diese Organisation zu verstehen. Und sollte dann aber auch den Präsidenten beraten: Wie funktioniert eigentlich der Umgang mit Medien? Damit wir möglichst ein glattes und vereintes Bild herausgeben und nicht durch Pöbeleien in die Medien kommen.
    Köster: Und welches Bild braucht man vom Journalisten? Denn in der Vergangenheit hatte man ja den Eindruck, die Journalisten sind ja wirklich in erster Linie Feinde.
    Schillinger: Das ist genau das Problem, glaube ich. Journalisten sind nicht in erster Linie Feinde. Es gibt immer Journalisten, die für einen schreiben, und die gegen einen schreiben. Und man muss versuchen, für beide eigentlich der normale Ansprechpartner zu sein. Und auch zu verstehen versuchen, warum ein Journalist einem feindlich gegenüber steht. Was sind die Hintergründe? Viele Journalisten, das machen unsere Kolleginnen und Kollegen im Verband auch immer jeden Tag mit, sind aber nicht umzustimmen. Da muss man damit eben professionell umgehen. Aber man sollte nichts versuchen, was an Ausgrenzung, was an Desinformation oder Sonstiges grenzt.
    Anthony Scaramucci ist neuer Kommunikationsdirektor im Weißen Haus. Zu den ersten Taten des früheren Wall-Street-Bankers gehörte das Löschen alter Tweets von seinem Account, unter denen einige waren, die im Widerspruch zu den Positionen seines neuen Chefs Donald Trump stehen. Zuletzt waren Pöbeleien Scaramuccis gegenüber engsten Trump-Mitarbeitern bekannt geworden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.