Gerd Breker: Zur Bekämpfung von Terrorismus und schwerer Kriminalität wollen die Länder der Europäischen Union die Daten von Flugpassagieren speichern. Dafür stimmten gestern in Luxemburg mehrheitlich die EU-Innenminister. Nationale Sicherheitsbehörden sollen künftig Namen, Telefonnummer, E-Mail-Adresse, Sitznummer, Reisedaten sowie Angaben zu Gepäck und Zahlungsweise für fünf Jahre speichern können.
Am Telefon sind wir nun verbunden mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz, mit Peter Schaar. Guten Tag, Herr Schaar.
Peter Schaar: Guten Tag.
Breker: Nun hat also die Datensammelwut auch Europa erreicht, nicht nur die USA.
Schaar: Das ist ja nicht das erste Vorhaben, wo Daten anlasslos für viele Jahre gespeichert werden sollen. Wir haben ja schon die Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie, die auch für Telekommunikationsdaten eine anlasslose Speicherung von bis zu zwei Jahren vorsieht. Hier wird ein neues Instrument der Vorratsdatenspeicherung installiert, wo der völlig unverdächtige Flugpassagier es dann in Kauf nehmen muss, dass jegliche seiner Flugbewegungen auf Jahre hinaus registriert bleiben, und zwar letztlich eben nicht anonymisiert. Insofern ist es eben nicht so, dass die Daten wirklich um den Namen bereinigt werden, sondern der Name wird nicht bei jeder Abfrage angezeigt, man kann ihn aber dann sichtbar machen.
Breker: Herr Schaar, es ist ja so, es fällt einem der Spruch ein: Viele Köche verderben den Brei. Hier werden an vielen Stellen Daten gesammelt, das wird eine Unmenge an Daten geben. Das Ganze ist doch teuer und mit Verlaub gesagt irgendwo auch Unsinn.
Schaar: Ob es letztlich wirklich Unsinn ist, vermag ich jetzt noch nicht zu beurteilen. Jedenfalls wird hier wieder wie bei der Vorratsdatenspeicherung bei Telekommunikationsdaten mit der Nützlichkeit argumentiert. Aber Nützlichkeit ist erst mal nicht wirklich nachgewiesene Effektivität und vor allem ist nicht alles, was irgendwie nützlich sein könnte, auch verhältnismäßig, und dieser Aspekt, der gerade für einen Rechtsstaat bedeutsam ist, wird hier wieder mal außer Acht gelassen, und da habe ich schon hochgradige verfassungsrechtliche Bedenken gegen.
Breker: Also müssten eigentlich unser aller Hoffnungen auf dem Europäischen Parlament ruhen, damit die dagegen stimmen?
Schaar: Einmal muss das Europäische Parlament ja zustimmen, damit ein solches System installiert wird. Das Parlament hat ja deutlich gemacht, dass ihm die Grundrechte am Herzen liegen, und da erwarte ich schon eine sehr kritische Prüfung. Aber ich erwarte auch von der Bundesregierung etwas mehr Aktivität. Es reicht ja nicht aus, nicht zuzustimmen, sondern man muss sich auch wirklich dagegen äußern. Das ist mir bisher jedenfalls noch nicht aufgefallen, dass die Bundesregierung sich gegen ein solches System positioniert hätte.
Breker: Auch nicht von Seiten der Justizministerin?
Schaar: Ich kann da nicht hineinblicken, wie die Verhältnisse in der Bundesregierung sind, aber eine Enthaltung ist für mich erst mal Ausdruck dafür, dass man sich noch keine Meinung gebildet hat, oder, dass es unterschiedliche Auffassungen gibt, die nicht geklärt werden konnten. Das ist für mich nicht genug. Das Bundesverfassungsgericht hat hier, denke ich, sehr klare Leitlinien gegeben, dass es weitere Vorratsdatenspeicherungen auf europäischer Ebene nicht geben darf. Ich finde, daran ist auch die Bundesregierung gebunden und sollte, denke ich, politisch auch sich dafür einsetzen, dass diese Vorgabe erfüllt wird.
Breker: Wenn man sich das so anschaut, Herr Schaar, dann hat man das Gefühl, dass in Sachen Datenschutz Europa eher ein Rückschritt ist.
Schaar: Das kann man so generell nicht sagen. Es gibt sehr positive Entwicklungen im Bereich des allgemeinen Datenschutzrechts, wo Europa die Rechte der Bürgerinnen und Bürger stärken will. Da liegen auch konkrete Vorschläge auf dem Tisch. Auf der anderen Seite gibt es gerade aus dem Bereich der Sicherheits- und Innenpolitik immer wieder diese Forderung, immer mehr Daten zu speichern, und ich finde, das ist noch nicht in dem Sinne geklärt, dass man letztlich sagen würde, es ist mehr Datenschutz. Aber ich hoffe, dass da auf der politischen Ebene die Debatte weitergeht und letztlich zur Stärkung von Grundrechtspositionen führt.
Breker: Es ist ja das gleiche wie der Streit innerhalb der schwarz-gelben Koalition um die Vorratsdatenspeicherung überhaupt. Stehen Sie da auf Seiten der Justizministerin?
Schaar: Die Justizministerin hat hier sehr deutlich gemacht, dass sie hier im wesentlichen sich einsetzt für den Grundrechtsschutz. Das ist auch meine Position.
Breker: Und zur Not würden Sie auch zum Verfassungsgericht gehen wollen?
Schaar: Also in diesem Fall bin ich mir ganz sicher, dass eine solche Richtlinie, wenn sie denn tatsächlich beschlossen würde, vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht und vermutlich auch vor dem Europäischen Gerichtshof scheitern würde, weil man so etwas wie eine Überwachungsgesamtrechnung anstellen muss. Wenn man also schon die Vorratsdatenspeicherung bei Telekommunikationsdaten hat – das ist ja europaweites Recht -, dann kommt da eine weitere Vorratsdatenspeicherung dazu, und das ist dann der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Da hat das Bundesverfassungsgericht eine sehr deutliche Warnung ausgesprochen und ich finde, das sollte man auch wirklich ernst nehmen.
Breker: Im Deutschlandfunk war das die Position des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Peter Schaar. Herr Schaar, ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch.
Schaar: Ich bedanke mich auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Am Telefon sind wir nun verbunden mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz, mit Peter Schaar. Guten Tag, Herr Schaar.
Peter Schaar: Guten Tag.
Breker: Nun hat also die Datensammelwut auch Europa erreicht, nicht nur die USA.
Schaar: Das ist ja nicht das erste Vorhaben, wo Daten anlasslos für viele Jahre gespeichert werden sollen. Wir haben ja schon die Vorratsdatenspeicherungsrichtlinie, die auch für Telekommunikationsdaten eine anlasslose Speicherung von bis zu zwei Jahren vorsieht. Hier wird ein neues Instrument der Vorratsdatenspeicherung installiert, wo der völlig unverdächtige Flugpassagier es dann in Kauf nehmen muss, dass jegliche seiner Flugbewegungen auf Jahre hinaus registriert bleiben, und zwar letztlich eben nicht anonymisiert. Insofern ist es eben nicht so, dass die Daten wirklich um den Namen bereinigt werden, sondern der Name wird nicht bei jeder Abfrage angezeigt, man kann ihn aber dann sichtbar machen.
Breker: Herr Schaar, es ist ja so, es fällt einem der Spruch ein: Viele Köche verderben den Brei. Hier werden an vielen Stellen Daten gesammelt, das wird eine Unmenge an Daten geben. Das Ganze ist doch teuer und mit Verlaub gesagt irgendwo auch Unsinn.
Schaar: Ob es letztlich wirklich Unsinn ist, vermag ich jetzt noch nicht zu beurteilen. Jedenfalls wird hier wieder wie bei der Vorratsdatenspeicherung bei Telekommunikationsdaten mit der Nützlichkeit argumentiert. Aber Nützlichkeit ist erst mal nicht wirklich nachgewiesene Effektivität und vor allem ist nicht alles, was irgendwie nützlich sein könnte, auch verhältnismäßig, und dieser Aspekt, der gerade für einen Rechtsstaat bedeutsam ist, wird hier wieder mal außer Acht gelassen, und da habe ich schon hochgradige verfassungsrechtliche Bedenken gegen.
Breker: Also müssten eigentlich unser aller Hoffnungen auf dem Europäischen Parlament ruhen, damit die dagegen stimmen?
Schaar: Einmal muss das Europäische Parlament ja zustimmen, damit ein solches System installiert wird. Das Parlament hat ja deutlich gemacht, dass ihm die Grundrechte am Herzen liegen, und da erwarte ich schon eine sehr kritische Prüfung. Aber ich erwarte auch von der Bundesregierung etwas mehr Aktivität. Es reicht ja nicht aus, nicht zuzustimmen, sondern man muss sich auch wirklich dagegen äußern. Das ist mir bisher jedenfalls noch nicht aufgefallen, dass die Bundesregierung sich gegen ein solches System positioniert hätte.
Breker: Auch nicht von Seiten der Justizministerin?
Schaar: Ich kann da nicht hineinblicken, wie die Verhältnisse in der Bundesregierung sind, aber eine Enthaltung ist für mich erst mal Ausdruck dafür, dass man sich noch keine Meinung gebildet hat, oder, dass es unterschiedliche Auffassungen gibt, die nicht geklärt werden konnten. Das ist für mich nicht genug. Das Bundesverfassungsgericht hat hier, denke ich, sehr klare Leitlinien gegeben, dass es weitere Vorratsdatenspeicherungen auf europäischer Ebene nicht geben darf. Ich finde, daran ist auch die Bundesregierung gebunden und sollte, denke ich, politisch auch sich dafür einsetzen, dass diese Vorgabe erfüllt wird.
Breker: Wenn man sich das so anschaut, Herr Schaar, dann hat man das Gefühl, dass in Sachen Datenschutz Europa eher ein Rückschritt ist.
Schaar: Das kann man so generell nicht sagen. Es gibt sehr positive Entwicklungen im Bereich des allgemeinen Datenschutzrechts, wo Europa die Rechte der Bürgerinnen und Bürger stärken will. Da liegen auch konkrete Vorschläge auf dem Tisch. Auf der anderen Seite gibt es gerade aus dem Bereich der Sicherheits- und Innenpolitik immer wieder diese Forderung, immer mehr Daten zu speichern, und ich finde, das ist noch nicht in dem Sinne geklärt, dass man letztlich sagen würde, es ist mehr Datenschutz. Aber ich hoffe, dass da auf der politischen Ebene die Debatte weitergeht und letztlich zur Stärkung von Grundrechtspositionen führt.
Breker: Es ist ja das gleiche wie der Streit innerhalb der schwarz-gelben Koalition um die Vorratsdatenspeicherung überhaupt. Stehen Sie da auf Seiten der Justizministerin?
Schaar: Die Justizministerin hat hier sehr deutlich gemacht, dass sie hier im wesentlichen sich einsetzt für den Grundrechtsschutz. Das ist auch meine Position.
Breker: Und zur Not würden Sie auch zum Verfassungsgericht gehen wollen?
Schaar: Also in diesem Fall bin ich mir ganz sicher, dass eine solche Richtlinie, wenn sie denn tatsächlich beschlossen würde, vor dem deutschen Bundesverfassungsgericht und vermutlich auch vor dem Europäischen Gerichtshof scheitern würde, weil man so etwas wie eine Überwachungsgesamtrechnung anstellen muss. Wenn man also schon die Vorratsdatenspeicherung bei Telekommunikationsdaten hat – das ist ja europaweites Recht -, dann kommt da eine weitere Vorratsdatenspeicherung dazu, und das ist dann der berühmte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Da hat das Bundesverfassungsgericht eine sehr deutliche Warnung ausgesprochen und ich finde, das sollte man auch wirklich ernst nehmen.
Breker: Im Deutschlandfunk war das die Position des Bundesbeauftragten für den Datenschutz, Peter Schaar. Herr Schaar, ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch.
Schaar: Ich bedanke mich auch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.