Nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sind, wie in anderen Sportarten auch, die Schachverbände aus Russland und Belarus vom Schach-Weltverband FIDE ausgeschlossen worden. Schachspieler und -spielerinnen aus Russland und Belarus dürfen nur noch unter der Flagge der FIDE bei internationalen FIDE-Schachturnieren teilnehmen. Ihr Hymnen werden nicht gespielt, sie werden als neutrale Athleten behandelt.
Vor der FIDE-Vollversammlung in Budapest hatte der Schachverband aus Kirgistan dann aber einen Antrag gestellt, die Suspendierung aufzuheben und Russland und Belarus wieder zuzulassen.
In Budapest ist über diesen Antrag diskutiert und abgestimmt worden.
Wie verlief die Abstimmung?
Noch vor der Abstimmung gab es Schachverbände, die die von Kirgistan geforderte Abstimmung über Russlands Suspendierung von der Tagesordnung streichen wollten. Auch war man sich im Verband nicht einig, ob man so eine Abstimmung überhaupt durchführen dürfe.
Die Präsidentin des deutschen Schachbundes Ingrid Lauterbach bezeichnete die chaotische Situation im Deutschlandfunk-Interview als „verworren“. Auch das elektronische Wahlsystem funktionierte nicht.
Am zweiten Tag der Versammlung konnte dann eine Abstimmung durchgeführt werden. Insgesamt sind 201 Länder in der FIDE vertreten, jedes Land hatte bei der Abstimmung eine Stimme.
Es gab die Wahloptionen, für bzw. gegen die Aufhebung der Sanktionen zu stimmen - oder als dritte Option die Empfehlung des FIDE-Rats: sich mit dem Internationalen Olympischen Komitee IOC und dem Internationalen Paralympischen Komitee IPC abzusprechen, ob eine Zulassung von Spielern mit Behinderungen und Kindern unter 12 Jahren bei allen FIDE-Wettbewerben möglich wäre.
Die Mehrheit habe sich gegen den Antrag Kirgistans und damit gegen eine Aufhebung der Sanktionen ausgesprochen, heißt es nach der Abstimmung von der FIDE. Es habe keine ausreichenden Gründe für eine Aufhebung der Sanktionen gegeben.
Welche Verbindungen haben Schach und Russland?
Schach ist traditionell in Russland und auch der ehemaligen Sowjetunion verwurzelt. In Russland ist Schach Nationalsport. Und in vielen ehemaligen Sowjet-Ländern wird immer noch viel Schach gespielt.
Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine hatte sich der Weltschachverband FIDE dennoch auch von seinen russischen Sponsoren getrennt.
Seit 2018 ist der Präsident des Welt-Schachverbands Vladimir Dvorkovich, ein Russe mit zahlreichen Verbindungen zur russischen Regierung: Von 2000 bis 2018 war Dvorkovich Teil der russischen Regierung, darunter stellvertretender Ministerpräsident unter Putin und zuvor Berater des ehemaligen Präsidenten Dmitrij Medwedew. Dvorkovich brachte die Schachwelt in seiner bisherigen Amtszeit aber auch mit neuen Online-Events, mehr Aufmerksamkeit und Demokratie in den Strukturen voran und schaut auf erfolgreiche Jahre zurück.
Ingrid Lauterbach vom Deutschen Schachbund glaubt, dass Dvorkovich als FIDE-Präsident in einer schwierigen Lage ist: Er müsse versuchen, die Balance zwischen den russischen Interessen, aber auch einer erfolgreichen Führung des Weltverbands halten:
„Er versucht halt den Spagat zu schaffen, die russische Seite irgendwie zufrieden zu stellen und gleichzeitig beim Welt-Schachverband zu sein. Das ist halt wirklich eine schwierige Gemengelange, die, denke ich, eigentlich fast überhaupt nicht funktionieren kann, weil wenn ich von der russischen Seite immer wieder ausgenutzt werde, um zu zeigen, wie wichtig Russland im Schach ist, dann habe ich als Weltschachbund halt ein Problem.“
Welche Meinungen werden öffentlich zur Suspendierung vertreten?
Der Deutsche Schachbund mit Präsidentin Lauterbach lehnte eine Aufhebung der Sanktionen im Vorfeld entschieden ab. Unterstützt wurden die Deutschen auch vom Europäischen Schachverband und den Vertretern aus Kanada, den USA und Argentinien. Der argentinische Verband hatte vor der Abstimmung noch versucht, im spanischsprachigen Raum Überzeugungsarbeit gegen eine Aufhebung der Sanktionierung zu leisten. Auch die ukrainischen Botschafter versuchten schriftlich unter den Mitgliedern Unterstützung zu finden.
Und auch der frühere Weltmeister Magnus Carlsen hatte sich gegenüber der FIDE im Rahmen einer Ehrung spontan gegen die Rückkehr von Russland und Belarus ausgesprochen.
Der Kreml in Russland hingegen reagierte am Montag vorwurfsvoll auf das Ergebnis aus der Abstimmung: Die FIDE sei vom Westen und der Ukraine unter Druck gesetzt worden, heißt es bei der Agentur Reuters. Der Kreml-Sprecher bedauere, dass die FIDE nicht frei sei von der Politisierung des Sports und des Schachs.
Wie könnte es weitergehen?
Trotz der Abstimmung ist allerdings die Option, russische und belarussische Spieler unter zwölf Jahren oder mit Behinderungen wieder zu zulassen, noch nicht endgültig vom Tisch. Die FIDE wolle diese Möglichkeit nochmal mit dem IOC und dem IPC absprechen.
„Für mich ist das nur ein Einfallstor“, lehnt die deutsche Präsidentin Lauterbach die Option ab. „Man fängt mit den Behinderten an, dann sind es die Kinder, dann sind es die Senioren…ich meine, aus meiner Sicht, ist das nicht wirklich konsequent.“
Darüber hinaus befürchtet Lauterbach, dass es für den Welt-Schachverband Konsequenzen haben könnte, wenn er für sich Sonderregeln wie die Zulassung spezieller Gruppen setzt. „Ich könnte mir vorstellen, dass wir dann als Welt-Schachbund immer weiter vom internationalen Sport abrücken.“
Was eine Isolation oder im schlimmsten Fall ein Entzug der IOC-Akkreditierung bedeuten könnte. Und auch wichtige Sponsoren und Geldgeber für die kommenden Schach-Events könnten sich vom Schachverband abwenden, wenn er seine Sanktionen gegen Russland und Belarus lockere, befürchtet Lauterbach.
Quellen: SID, Reuters, Sportschau