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Russischer FIDE-Präsident
Schach-Verband entscheidet sich für bewährten Präsidenten

Am vergangenen Wochenende fanden im indischen Chennai die Wahlen um das Präsidentenamt im Weltschachverband FIDE statt. Angetreten und auch wiedergewählt worden ist der Russe Arkady Dvorkovich. Sein Gegenkandidat: ausgerechnet ein Ukrainer.

Von Sabine Lerche |
Portraitaufnahme von Schach-Präsident Arkady Dvorkovich
Der Russe Arkady Dvorkovich wurde wieder zum Präsidenten des Weltschachverbands gewählt (picture alliance/dpa/TASS)
Das war deutlich: Mit einer Mehrheit von 157 zu 16 Stimmen ist der Russe Arkady Dvorkovich zum zweiten Mal zum FIDE-Präsidenten gewählt worden. Der Deutsche Schachbund hatte seinen Kontrahenten Andrii Baryshpolets aus der Ukraine unterstützt, der klarer Außenseiter war.
„Also es war vorher die allgemeine Meinung, dass der Amtsinhaber, also der Herr Dvorkovich, die Wahl wohl gewinnen wird", erläutert DSB-Präsident Ullrich Krause. „Ich habe ja vorher viele Gespräche geführt mit Delegierten vor Ort in Chennai. Und da war eigentlich die einheitliche Meinung, der wird die Wahl gewinnen. Dass das nun so deutlich wird, damit hat allerdings wirklich niemand gerechnet.“

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Dvorkovich ist einflussreicher Politiker in Russland

Krause hätte sich auch gut vorstellen können, dass Baryshpolets besser abschneidet. Sein Team sei gut gewesen und gegen Dvorkovich sprechen aus seiner Sicht vor allem seine Verbindungen zur russischen Regierung: „Da muss man mal eins ganz klar sagen, der Herr Dvorkovich ist ja nicht nur Russe, der ist ja ein führender Politiker in Russland, der ist ja ein sehr einflussreicher Politiker.“
Von 2000 bis 2018 war Dvorkovich Teil der russischen Regierung, darunter stellvertretender Ministerpräsident unter Putin und zuvor Berater des ehemaligen Präsidenten Dmitrij Medwedew. „Ich kann natürlich verstehen, dass er in seiner Situation bezüglich des Kriegs in der Ukraine sich nicht offen äußern kann sozusagen. Aber er ist ja wirklich Teil des Systems“, bekräftigt Krause.
Schon bei der letzten Wahl 2018 hatte der DSB deshalb auf Dvorkovichs politische Nähe aufmerksam gemacht. Ohne Erfolg. Gegenkandidat Baryshpolets wollte für mehr Transparenz im Verband sorgen und die FIDE zu einer unpolitischeren Organisation machen. Das waren aber offenbar keine Motive für die Wahlberechtigten.
„Es ist natürlich möglich, dass einzelne Länder gesagt haben, wir vergessen mal den politischen Hintergrund und schauen nur auf die erbrachten Leistungen und stellen fest, es waren bessere vier Jahre als vorher. Das ist denkbar."

Schach zuletzt erfolgreich - auch dank Dvorkovich

„Dvorkovich als Präsident in den letzten vier Jahren war halt viel besser als alles, was vor ihm war und in den letzten vier Jahren ist vieles besser geworden", bestätigt auch Schach-Experte Ulrich Stock von der ZEIT diesen Eindruck. „Und ich denke, wenn jetzt nicht der Angriff auf die Ukraine stattgefunden hätte durch Russland, dann wäre seine Wiederwahl gar kein Thema gewesen. Da kommt sozusagen eine zweite Ebene jetzt rein in die ganze Geschichte.“
Rein auf den Schachsport bezogen, schaut Dvorkovich tatsächlich auf eine erfolgreiche Amtszeit zurück: Vor allem während der Corona-Pandemie erlebte die Schachwelt einen Hype durch Online-Events. Mehr Aufmerksamkeit, mehr Demokratie in den Verbandsstrukturen - die letzten vier Jahre liefen gut. Das müsse man auch anerkennen, sagt Krause:
„Also die Arbeit der FIDE insgesamt in den letzten vier Jahren, die war besser als vorher. Also die haben schon viele sinnvolle Dinge in die Wege geleitet. Ob das jetzt nur am Präsidenten liegt oder an dem Team, was er sich da zusammengestellt hat, das weiß ich nicht. Aber es war schon so, dass sie auch in der Corona-Zeit viele Sachen online auf die Beine gestellt haben, dass sie schnell reagiert haben. Das war schon eine deutliche Verbesserung zu vorher.“

Schach ist in Russland Nationalsport

Nicht ganz unbeteiligt am Wahlergebnis war wohl auch Dvorkovichs Stellvertreter-Kandidat: Ex-Weltmeister Viswanathan Anand aus Indien gilt als Sympathieträger in der FIDE. Er und Dvorkovich haben sich sehr präsent im Wahlkampf gezeigt. Dass sich der Inder aufstellen lässt, kam für Krause überraschend:
„Das hat natürlich mit Sicherheit speziell in Indien und auch in der Umgebung dafür gesorgt, dass das noch mal einen Schub gab für das Ticket von Herrn Dvorkovich, weil der Anand unglaublich populär ist. Also es war ja zum einen die Schacholympiade in Indien, kurzfristig aus Moskau dahin verlegt, das war natürlich ein großer Erfolg für die indische Föderation und dass nun auch noch ein sehr populärer Inder mit auf dem Ticket steht, das hat zumindest in dem Bereich sozusagen dafür gesorgt, dass es da noch mal mehr Stimmen gab als es ohne Anand gegeben hätte.“

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In Russland, wo Schach Nationalsport ist, wurde Dvorkovichs Wiederwahl auch politisch wie ein Sieg gedeutet: Der russische Verbandschef Andrej Filatow sagte, es zeige, dass Russland nicht in der Welt isoliert ist. Schach-Experte Stock sieht allerdings den russischen Einfluss auf den Weltverband als gar nicht so groß an.
„Insofern kann man nicht sagen, dass da jetzt eine russische Politik betrieben wird. Die FIDE hat, als die Schacholympiade in Moskau stattfinden sollte und die wurde dann hopplahopp aufgrund der ganzen Situation nach Chennai in Indien verlegt. Russische Sponsoren gibt es nicht mehr. Also es ist zu einfach, zu sagen, da werden jetzt russische Interessen vertreten. Das stimmt so einfach nicht.“

Umstrittene Außenwirkung durch russischen Schach-Präsidenten

Im Team um den wiedergewählten Präsidenten befinden sich russlandkritische Personen wie die ehemalige lettische Finanzministerin Dana Reizniece-Ozola. Sie sorgte dafür, dass der lettische Gasmarkt unabhängig von Gazprom wird. Oder Anastasia Sorokina, die wegen ihrer Kritik am weißrussischen Präsidenten aus Belarus emigrieren musste.
„Inwiefern für Leute, die sich jetzt mit diesen ganzen Hintergründen überhaupt nicht beschäftigen, das für ein Signal ist. Die dann sagen: ‚Oh das ist ein Russe und da ist auch ein Ukrainer. Warum wurde dann nicht der Ukrainer gewählt?‘ Das ist sicher auch ein Imageproblem in der jetzt aufgeladenen Situation. Da ist ein russischer Schachpräsident, der muss dann natürlich immer eine Hürde nehmen, die anderen nicht nehmen müssen.“
Und so stellt sich für die FIDE für die Zukunft auch die Frage, welche Außenwirkung ein russischer Präsident haben wird: „Er war eng mit der russischen Führung verbandelt, er ist auf Distanz gegangen. Jetzt ist die Frage, wie man das jetzt bewertet. Ob das genügend ist, ob das mehr sein müsste und ob das für die Außenwirkung ausreicht. Ob die Tatsache eines russischen Präsidenten nicht einen Nachteil darstellt für die Weltschachorganisation.“