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Schach-WM
Neues Großereignis in Putins Olympiastadt

Die Schach-WM findet zurzeit in Sotschi statt, nicht ohne Zutun des russischen Präsidenten Putin. Einheimische Schachspieler hoffen auf einen Impuls für das Spiel in ihrem Land, denn die beiden Titelfavoriten kommen nicht aus Russland, sondern aus Indien und Norwegen.

Von Gesine Dornblüth |
    Magnus Carlsen (l.) und Viswanathan Anand kämpfen um den WM-Titel.
    Magnus Carlsen (l.) und Viswanathan Anand kämpfen um den WM-Titel. (picture alliance/dpa/Yevgeny Reutov)
    Eine private Kinderbetreuung in Moskau. Schachlehrer Sergej Kljutscherow beugt sich, umringt von vier Kindern, über ein Schachbrett und eine Schachfibel. Wie bewegt sich ein Bauer? Wie ein Läufer?
    Maxim weiß schon recht gut Bescheid. Dann ist es allerdings zu Ende mit der Konzentration der Vierjährigen. Sie spielen lieber Vampire. Schachfiguren fliegen durch die Luft. Ein König verliert seine Krone.
    Schach wird in Russland längst nicht mehr so gefördert wie zu Sowjetzeiten, als nahezu jedes Kind einen Schachzirkel besuchte. Die Kurse kosten heute Geld. Schachlehrer Sergej Kljutscherow:
    "In meiner Kindheit waren Namen wie Karpow und Kasparow in aller Munde. Und die Kinder wurden von klein auf hart trainiert. Wer kein eigenes Schachbrett hatte, ist mit selbstgemalten Pappen in den Park gezogen und hat dort gespielt. Heute wird man oft belächelt, wenn man draußen Schach spielt."
    Kljutscherow hofft, dass die Schach-Weltmeisterschaft in Russland daran etwas ändert. An diesem Wochenende hat sie im russischen Sotschi begonnen. Die Begegnung verspricht einiges an Spannung.
    Titelverteidiger Magnus Carlsen aus Norwegen ist erst 23 Jahre alt. Der Shooting-Star wird weltweit von einer Bekleidungsfirma gesponsert. In seiner Heimat hat er einen regelrechten Schachboom ausgelöst. Das norwegische Fernsehen wird alle Partien der WM live übertragen. Carlsens Herausforderer, der Inder Vishwanathan Anand ist 44 Jahre alt. Bis vor kurzem glaubten viele, er habe seine besten Zeiten bereits hinter sich.
    Anand war von 2007 an ununterbrochen Weltmeister, bis er den Titel letztes Jahr eben an den Norweger Carlsen abgeben musste. Bei der Qualifikation für die WM im Frühjahr galt er schon nicht mehr als Favorit, spielte dann aber so gut, dass er schon zwei Runden vor Turnierende als Sieger feststand.
    Die erneute Begegnung der beiden Stars wird die Fans also vermutlich fesseln. Trotzdem hatte sich zunächst niemand bereit erklärt, das Revancheturnier auszurichten. Vor allem aus finanziellen Gründen. Die Heimatländer der Spieler hätten sich angeboten, aber Norwegen hat in diesem Jahr bereits die Schacholympiade ausgerichtet, Indien die letztjährige WM. Schließlich sprang Russland ein. Sotschi hat dank der Olympischen Spiele deutliche Überkapazitäten, viele der neu gebauten Anlagen stehen leer. Die politische Weltlage und die Isolation Russlands machen es nicht eben leichter, internationale Veranstaltungen an das Schwarze Meer zu holen.
    Da kam die Schach-WM gelegen. In dem Präsidenten des Weltschachverbandes hat Russlands Präsident Putin einen engen Verbündeten. FIDE-Präsident Kirsan Iljumschinow ist selbst Russe, gilt als Freund des russischen Präsidenten, er ist Mitglied in der Kreml-Partei Einiges Russland. Iljumschinow steht der FIDE seit bald zwanzig Jahren vor, sein Führungsstil gilt als autoritär. Vor laufenden Fernsehkameras bedankte er sich bei Putin für dessen Unterstützung.
    "Dass der Kampf um den Weltmeistertitel in Sotschi stattfindet, im Olympischen Dorf, ist gut für den Weltverband. Denn die FIDE will Mitglied des Internationalen Olympischen Komitees werden. Da ist es sehr wichtig, in Sotschi Schach zu spielen."
    Magnus Carlsen dagegen hatte Probleme mit dem Austragungsort. Der Norweger willigte erst wenige Stunden vor Ablauf der Frist in die Begegnung in Sotschi ein. Auch finanzielle Überlegungen sollen eine Rolle gespielt haben. Es heißt, Carlsen sei das Preisgeld in Sotschi zu niedrig gewesen. Es ist in diesem Jahr deutlich geringer als im vergangenen, liegt aber, verschiedenen Medienberichten zufolge, immer noch zwischen 1,5 und 1,8 Mio Dollar.