Christine Heuer: Für den großen Wurf hält die Ergebnisse des Dieselgipfels wohl niemand. Die Politik hat die Hersteller gestern ziemlich glimpflich davonkommen lassen. Schauen wir uns das mal aus Verbrauchersicht an: Die mechanische Umrüstung ist vom Tisch, das ist der Industrie zu teuer. Dafür gibt es freiwillige Softwareupdates, aber nur für neuere Dieselklassen. Wenn Sie also einen alten Diesel fahren, können Sie den eigentlich auch gleich verschrotten, denn Sie fallen dann ganz sicher unter kommende Fahrverbote.
Die Autoindustrie verkauft Ihnen natürlich gern einen neuen Diesel, es soll auch einen Rabatt geben, bloß wie hoch, das haben die Hersteller noch nicht verraten. Kann sich der Kunde wehren, und was müssen die Anleger, die Aktionäre jetzt eigentlich bedenken? Fragen an Britta Schön, Rechtsexpertin bei der Webseite "Finanztip". Guten Tag!
Britta Beate Schön: Guten Tag, Frau Heuer!
Heuer: Frau Schön, haben Industrie und Bundesregierung die Verbraucher gestern veräppelt?
Schön: Ach, so hart würde ich das jetzt nicht sagen. Ich glaube, man nähert sich jetzt einfach einer Lösung an, die dem Verbraucher auch zugute kommt. Es ist auf alle Fälle mal die kleine Lösung, wünschenswert wäre die größere gewesen, bei der dann einfach der Schadstoffausstoß drastisch verringert wäre. Aber immerhin ist es jetzt eine kleine Lösung, von der auch sehr viel mehr Fahrzeuge betroffen sind als bisher. Das waren ja bisher 2,5 Millionen, und jetzt sind es immerhin 5,3 Millionen, die dann anschließend sauberer werden sollen.
Dieselfahrer können auf Rückerstattung des Kaufpreises klagen
Heuer: Aber nicht viel sauberer, und das Update, das da angekündigt wird, das ist ja nicht mal verpflichtend. Wenn ein Dieselfahrer mit diesem Ergebnis nicht zufrieden ist, wenn er mehr möchte, was kann er dann tun, was raten Sie ihm?
Schön: Es gibt mehrere Wege. Die Dieselfahrer, die jetzt beispielsweise von dem Abgasskandal wirklich betroffen waren und jetzt auch noch verunsichert sind durch die drohenden Fahrverbote, die können einfach überlegen, ob sie das Auto nicht zurückgeben wollen. Das ist rechtlich möglich. Man kann sich aufs Kaufrecht berufen und sagen, ich habe hier ein mangelhaftes Fahrzeug bekommen, oder man sagt, ich wurde hier getäuscht und mache deswegen Schadensersatz geltend und gebe da auch als Schadensersatz sozusagen das Auto zurück und bekomme den Kaufpreis erstattet.
Heuer: Ganz kurz, Frau Schön: Das klingt gut, ist es dabei egal, wie alt das Auto ist?
Schön: Das ist dabei eigentlich egal. Sie müssen sozusagen von diesem Abgasskandal betroffen sein, wie gesagt, das ist eine große Anzahl von Fahrzeugen. Aber es gibt da einen kleinen Haken, weil ganz so einfach wie in Amerika ist es nicht, dass man das einfach zurückgibt und dann noch eine Entschädigung bekommt, sondern leider muss in Deutschland hier jeder Verbraucher selbst Klage erheben, weil die Konzerne nicht von sich aus irgendwie das Auto zurücknehmen.
Heuer: Also das heißt, wenn ich das erwäge, dann muss ich mich darauf einstellen, einen großen Konzern wie VW verklagen zu müssen.
Schön: Absolut, absolut. Und das ist ja natürlich nicht ganz ohne, aber die Gerichte urteilen mittlerweile ganz, ganz positiv zugunsten von Dieselfahrern, und das auch bundesweit. Insofern sind die Chancen im Moment eigentlich sehr gut. Man muss sich nur wie gesagt über das Kostenrisiko im Klaren sein - so ein Prozess kann natürlich auch mal verloren gehen -, deswegen ist es immer besser, wenn man eine Rechtsschutzversicherung im Hintergrund hat, und die übernehmen mittlerweile auch anstandslos diese Verfahrenskosten.
Individualklagen sind aussichtsreich
Heuer: Ah, tatsächlich. Wir haben ja immer gehört in den letzten Monaten, so Klagen, die sind eigentlich nur aussichtsreich als Sammelklagen, das gehe in Deutschland aber nicht.
Schön: Ja, also so kann man es auch nicht sagen, weil diese Individualklagen sind schon auch aussichtsreich, das zeigen die ganzen Urteile. Die klassische Sammelklage gibt es bei uns nicht, das heißt, es ist nicht möglich, dass man einen Sachverhalt von einem Gericht klären lässt und die anderen schließen sich dann an. Das wäre ja viel kostengünstiger und auch viel effektiver. Im Moment ist es so, jeder muss selbst klagen, und das bedeutet, die Justiz ist ziemlich überlastet - am Landgericht Braunschweig verhandeln die am Tag mindestens zwei, drei VW-Fälle -, und letztlich im Ergebnis muss halt jeder Einzelne hier tätig werden.
Heuer: Also die Sammelklage, die kann man auch nicht auf irgendeinem anderen Wege versuchen herzustellen, oder geht das? Gibt es da Wege für die Verbraucher, sich trotzdem zusammenzuschließen, obwohl das Instrument so eigentlich nicht vorgesehen ist in Deutschland?
Schön: Ja, die gibt es, die sind rechtlich so ein bisschen kompliziert. Also da sammelt auch jemand - also das macht ein Anbieter, der heißt myRight zum Beispiel, der sammelt geschädigte Dieselfahrer und verbindet diese einzelnen Klagen zu so einem Klagebündel und geht dann irgendwie ans Gericht und sagt, so, wir haben hier eine Klage. Aber bei Lichte betrachtet sind es möglicherweise 120, weil es geht immer um dasselbe Modell und es ist immer derselbe Vorwurf und es geht immer um Schadensersatz. Für die Verbraucher ist das natürlich ganz prima, weil die können sich dort hinwenden, die finanzieren den Prozess vor, aber wenn dann irgendwie ein Erfolg ins Haus stehen sollte, dann behält dieser Dienstleister myRight auch eine Provision.
Heuer: Das heißt also, Entschädigung, wenn ich die versuche zu bekommen, die kann ich, wenn überhaupt, auch nur über solche Dienstleister möglicherweise am Ende bekommen?
Schön: Nicht unbedingt. Man kann natürlich auch einfach ganz normal zum Anwalt gehen. Wenn man rechtsschutzversichert ist, ist das eine gute Möglichkeit.
"Schadensersatzklagen haben schon Erfolg gehabt"
Heuer: Ist das denn aussichtsreich, auf eine Entschädigung, auf Schadensersatz zu klagen in Deutschland?
Schön: Ja, durchaus. Der Schadensersatz besteht dann einfach darin, dass ich irgendwie ein Auto bekommen habe, worüber ich getäuscht wurde, und da ist mir ein Schaden entstanden, und dann kann ich das zurückgeben. Das ist durchaus aussichtsreich, diese Schadensersatzklagen haben zum Teil schon Erfolg gehabt.
Heuer: Bekomme ich also Geld. Jetzt hatte Matthias Müller gestern gesagt, der VW-Chef, also Nachrüstung, mechanische Nachrüstung, das schließt die deutsche Automobilindustrie aus, das sei zu teuer. Kann ich das als Verbraucher, wenn ich das nun unbedingt möchte, trotzdem für mein Dieselfahrzeug durchsetzen?
Schön: Natürlich kann man das wahrscheinlich selbst machen lassen, man sitzt aber wahrscheinlich dann auf den Kosten.
Heuer: Aber wenn doch die Industrie etwas behauptet, was nicht stimmt, nämlich wenn sie sagt, unsere Autos, die stoßen weniger Stickoxid aus, als sie es dann tatsächlich tun, dann hat doch der Verkäufer oder der Konzern mir gegenüber sich nicht richtig verhalten. Da müsste ich eigentlich ein Anrecht haben, dass er das in Ordnung bringt.
Schön: Auf jeden Fall, so sehe ich das auch. Wie gesagt, deshalb ... Es gibt auch rechtliche Möglichkeiten, die ziehen sich nur so ein bisschen hin und sind ein bisschen mit einem Risiko verbunden. Die Autoindustrie versucht jetzt schon einen Kompromiss, wie ein Vergleich - vor Gericht ist das ja auch oft so, dass man sich dann irgendwo einigt.
Heuer: Also es gibt Wege, und mit einem findigen Anwalt finde ich die vielleicht auch.
Schön: Auf jeden Fall, die Chancen sind ganz gut.
Heuer: Britta Schön, Rechtsexpertin bei der Webseite "Finanztip". Wir haben mit ihr gesprochen über die Möglichkeiten von Autobesitzern, sich gegen die Industrie zu wehren im Zusammenhang mit der Dieselthematik. Und eigentlich wollte ich mit Ihnen noch über die Aktionäre sprechen - das machen wir ein andermal, Frau Schön, vielen Dank!
Schön: Sehr gerne, bis dann, Wiederhören!
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