Als die Regierung Mitte März weite Teile der Wirtschaft herunterfährt, gehören Gastronomen zu den ersten, die ihre Betriebe schließen müssen. Zu hoch das Risiko von Neuinfektionen in den Gaststuben der Republik. Hilfe wegen der Betriebsschließungen erhofften sich viele Gastronomen daraufhin von ihren Versicherungen. Doch es kam die Ernüchterung.
"Wir waren recht sicher, dass Betriebsschließung auch Betriebsschließung meint", sagt Dirk Bechthold, Chef des Hotels "Schöne Aussicht" in Launsbach bei Gießen. "Und wir haben ja nicht geschlossen, weil wir gesagt haben, ja, wir machen mal sicherheitshalber zu. Sondern es wurde von Amts wegen geschlossen. Insofern waren wir auch sehr sicher, dass die Versicherung da auf jeden Fall greift. Wenn jetzt die Versicherung natürlich hergeht und sagt, na ja ‚so haben wir das nicht gemeint, ist das schon mehr als befremdlich". Wie dem Familienbetrieb Bechthold mit seinen rund 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erging es vielen Restaurant- und Hotelbesitzern.
In vielen Fällen nutzlose Versicherung
"Das Gros der Versicherungswirtschaft hat sich von Anfang an auf den Standpunkt gestellt, dass der Pandemiefall als solcher nie in den Blick genommen wurde, als diese Versicherungspolicen abgeschlossen worden sind. Man ist immer davon ausgegangen: Wir haben eine Infektionskrankheit in einem Betrieb und die Gesundheitsbehörde schließt diesen einzelnen Betrieb per Individualverfügung. Das sei der Fall, der versichert ist, kein anderer. Und dann wurde auch manchmal argumentiert, dass Corona als solches zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht bekannt war - und deswegen auch gar nicht versichert hätte sein können", sagt Julius Wagner, Hauptgeschäftsführer des Gaststättenverbandes Dehoga in Hessen.
Der Dehoga-Dachverband in Berlin schätzt, dass bundesweit rund 165.000 Hotel-, Restaurant-, Café- oder Imbissbetreiber von den Zwangsschließungen betroffen waren. Bis zu 40.000 davon - also rund ein Viertel - hätten eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen, die sich in den meisten Fällen als nutzlos erwiesen habe.
"Betriebsschließungsversicherungen sind eben nicht für eine Pandemie konzipiert, sondern sie Regeln, wenn im Betrieb selbst versicherte Krankheiten wie Salmonellen oder Noroviren auftreten und der Betrieb deshalb vom Staat geschlossen wird. Betriebsschließungsversicherung deckt eben nicht ab, in aller Regel, wenn ein Betrieb aus ‚generalpräventiven‘ Gründen durch den Staat geschlossen wird", sagt Jörg Asmussen, Mitglied der Geschäftsführung im Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft.
"Ja, natürlich gibt es Unmut, weil die Kunden sich natürlich auf das Leistungsversprechen verlassen haben", sagt Hans-Georg Jenssen. Er führt beim Bundesverband deutscher Versicherungsmakler die Geschäfte. Er und seine Kolleginnen und Kollegen bekommen den Ärger von Versicherungskunden in ihrer täglichen Arbeit zu spüren. "Selbstverständlich erwartet man als Kunde, dass ein aktueller Versicherungsschutz besteht, und dass dann, wenn neue Krankheiten und Erreger hinzukommen, die auch mit aufgenommen werden. Und dieses Vertrauen ist schlicht und einfach enttäuscht worden".
Doch das Kernproblem bei den Betriebsschließungen jetzt liegt wohl darin, dass die eingetretenen Schäden während der Corona-Pandemie die eingezahlten Prämien um ein Vielfaches - Experten schätzen um das Hundertfache - übersteigen: Konkret stehen 25 Millionen Euro an Prämien einer Schadenssumme in Höhe von zwei bis 2,5 Milliarden Euro gegenüber. Deswegen hat sich der Großteil der Versicherungen unter einigem Druck einem Kompromiss angeschlossen, den Branchenvertreter und Gastronomen in Bayern ausgetüftelt haben. Diesem Modell folgend erklärten sich die meisten Versicherer auch im übrigen Bundesgebiet dazu bereit, maximal 15 Prozent der in den Versicherungen vorgesehenen Entschädigungs-Tagessätzen zu zahlen.
Das entspringe einfachem wirtschaftlichen Kalkül, meint Versicherungs-Professor Rolf Arnold von der Technischen Hochschule Köln: "Diese Haltung ist natürlich unter dem Gesichtspunkt, das Schadensvolumen zu begrenzen, zu sehen. Aber man muss natürlich andersherum auch sagen: Versicherer sind Wirtschaftsunternehmen, die viele Kunden haben und die auch teilweise Aktionäre haben oder Mitglieder. Und wenn man jetzt sagt, wir zahlen immer, egal ob es sozusagen die rechtliche Notwendigkeit gibt, werden ja die Interessen der anderer auch berührt. Ich finde es ganz normal, dass es ein komplexes Gebilde ist von verschiedenen Sichtweisen darauf."
Kulanz nur als Ausnahme
Auch innerhalb der Branche selbst gibt es Versicherungen, die die Abwehrhaltung vieler ihrer Konkurrenten nicht nachvollziehen wollen. Die Signal-Iduna etwa ist immerhin einem Teil ihrer Versicherungskunden aus der Gastronomie entgegengekommen. Andreas Reinhold, aus der Sach- und Haftpflichtabteilung der Signal Iduna: "Wir haben bereits im Februar, als die ersten Anfragen kamen, sehr schnell gemerkt, dass da eine immense Erwartung auf Seiten der Kunden da war. Und deswegen haben wir sehr schnell die Entscheidung getroffen, dass wir im Sinne der Betriebsschließungsversicherung für Fälle, wo einzelne Betriebe geschlossen werden, weil zum Beispiel der Inhaber erkrankt an Corona oder ein Mitarbeiter erkrankt, dass wir dort dann auch über die Bedingung hinausgehend leisten. Das haben wir deswegen gemacht, weil wir damals schon die Einschätzung hatten, dass die Rechtsprechung sich in diese Richtung entwickeln wird".
Allerdings hat die Signal Iduna nur in Einzelfällen mit einer solchen Kulanz reagiert– nämlich im Schnitt nur bei einer von 15 bis 20 Betriebsschließungen. Bei den übrigen hat sich die Versicherung auch dem "Bayerischen Modell" angeschlossen und zahlte nur eine geringe Entschädigung. Dass viele der Gastronomen diesen Kompromiss mitgehen, liegt wohl in der Not begründet: Lange gerichtliche Auseinandersetzungen können sich die meisten Betriebe angesichts wegbrechender Umsätze nicht leisten.
Hotelier Dirk Bechthold: "Viele Kollegen, die eben auch so eine Versicherung abgeschlossen haben und darauf gehofft haben, und die eben nicht diese Reserven haben, wie wir sie noch haben, die stehen dann aber ganz schnell vor dem Aus".
Von den zigtausend Betrieben mit Betriebsschließungsversicherungen haben nach Angaben des deutschen Gaststättenverbandes Dehoga nur ein paar hundert den Rechtsweg eingeschlagen. Hoffnung macht diesen Betrieben ein Urteil des Landgerichts Mannheim von Ende April. Die Richter wiesen die Klage einer Hotelbetreiberin zwar aus formalen Gründen ab, doch inhaltlich stellten sie sich auf die Seite der Klägerin und verwiesen darauf, dass sie grundsätzlich Anspruch auf die vereinbarte Versicherungsleistung habe.
Mindestens eine Versicherung dürfte wegen ihrer Betriebsschließungspolicen keine Klagen befürchten: die HDI. Denn der Hannoveraner Konzern ist einer der wenigen, der seinen Kunden die entstandenen Schäden in der Regel klaglos ersetzt.
"Wir haben also im Prinzip die Allgemeinverfügung einer Einzelverfügung gleichgesetzt", sagt der Vorstandsvorsitzende der HDI-Versicherung, Christoph Wetzel. Das heißt: "Behördlich angeordnete Betriebsschließungen aufgrund des neuartigen Coronavirus sind somit mitversichert bei uns. Damit haben wir auch im Gegensatz zu anderen Allgemeinverfügungen akzeptiert."
Die HDI ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit. In ihm sind die Versicherungsnehmer gleichzeitig Mitglieder und Träger des Versicherungsvereins. Mit der Regulierung der Schäden von Betriebsschließungen wollte die HDI längere rechtliche Auseinandersetzungen mit ihren Kunden vermeiden. Denn die, so die nahe liegende Einsicht, würden der Reputation schaden.
Zudem will die HDI in dem Segment wachsen und deswegen nicht in dem Moment, wo es für die Kunden darauf ankommt, kneifen. Einen Reputationsschaden durch die Diskussionen um Betriebsschließungen und Versicherer sieht auch der Gesamtverband der Branche.
Konsequenz aus unklaren Regelungen
"Ja, der Ruf hat dadurch gelitten, darüber sind wir auch nicht glücklich. Insofern ist es, glaube ich, auch an uns, hier im Vorfeld noch klarer zu kommunizieren, was versichert ist und was auch nicht. Wir arbeiten jetzt daran, dass es Musterbedingungen gibt für Betriebsschließungs-Versicherungen, die gab es bisher nicht, bisher war das völlig unternehmensindividuell. Und wir als GDV erarbeiten jetzt Musterbedingungen eben für Betriebsschließungsversicherungen, das ist dann ein Standardvertrag, der in Zukunft gelten kann", so Jörg Asmussen vom GDV. Im Zuge der Krise haben Versicherer wie die HDI für künftige Fälle ihre Versicherungsbedingungen bereits klarer geregelt, um nicht noch einmal im Falle eines Lockdowns zahlen zu müssen. Denn die meisten Experten sind sich einig, dass solche systemischen Risiken nicht privatwirtschaftlich versicherbar sind.
"Das ist das Prinzip der Versicherung, dass wir den Risikoausgleich über das Kollektiv machen. Ein bestimmtes Kundensegment hat Pech, viele andere Kundensegmente haben Glück im Sinne von weniger Schadensfälle oder keine Schadensfälle. Und das trifft letztlich auf die Betriebsschließungsversicherung zu", sagt Andreas Reinhold von Signal Iduna. Deswegen arbeitet die Versicherungsbranche nun daran, für künftige Pandemiefälle privat-öffentliche Lösungen zu finden. So könnten Versicherungen bei künftigen Betriebsschließungen wegen Pandemien bis zu einer gewissen Höhe für die Schäden aufkommen. Darüber hinaus müsste dann der Staat einspringen und die Unternehmen entschädigen, die sich gegen Betriebsschließungen versichert haben. Solche Modelle könnten Unternehmen einen Anreiz geben, diese Versicherungsverträge abzuschließen, was insgesamt eine stabilere Grundlage schaffen würde.
Rolf Arnold von der Technischen Hochschule Köln: "Und es gibt ja auch, zum Beispiel im Bereich Terrorrisiken, gibt es ja auch Beispiele, wo man solche Wege schon gegangen ist. Und wenn wir ganz weit zurück gucken: Auch unsere traditionellen Absicherungssysteme der Sozialversicherung funktionieren ja letztendlich so. Ich denke, das ist ein richtiger Weg, das auch für die Zukunft anzugehen".
Die Frage der Pandemie-Entschädigungen ist nicht das einzige Problem der Versicherungsbranche. Die Lebensversicherungen klagen schon seit Längerem, dass sie unter den extrem niedrigen Zinsen leiden – und die Prämiengelder ihrer Kunden deshalb nicht gewinnbringend anlegen können. Für die Kunden ist das bitter: Denn für sie schrumpft die Rendite. Dass sich daran so schnell etwas ändert, ist unwahrscheinlich. Denn seit die Europäische Zentralbank mit großangelegten Anleihekäufen versucht, Finanzmärkte und Wirtschaft im Euroraum zu stützen, ist klar: Die Niedrigzinsen werden auf Jahre bleiben.
Tendenziell steigen die Risiken
Jörg Asmussen: "Ich glaube, dass die Reaktionen der Geld- wie der Fiskalpolitik in der größten Rezession der Nachkriegszeit angemessen ist und war – um das ganz richtig auch einzuordnen. Aber natürlich ist es für Versicherungsunternehmen, die große institutionelle Investoren sind, nicht ohne Auswirkungen. Das heißt zum Beispiel im Kern, dass wir unsere Kapitalanlagen überdenken. Das heißt eben konkret: Wir kaufen keine Bundesanleihen mehr, sondern kaufen stattdessen eher staatsnahe Emittenten wie KfW-Anleihen oder Unternehmensanleihen oder Schuldscheindarlehen. Also man passt seine Kapitalanlage schon an veränderte Kapitalmarktbedingungen an".
Damit allerdings steigen tendenziell auch die Risiken. Denn im Unterschied zu Unternehmensanleihen gelten Bundesanleihen quasi als ausfallsicher. Erschwerend kommt hinzu, dass Kapitalmärkte gerade in Krisenzeiten unberechenbar sind. Und schließlich weiß noch niemand, ob im Verlauf der Krise nicht vielleicht auch Kunden verstärkt Schwierigkeiten haben werden, ihre Beiträge zu zahlen.
"Die Versicherer stehen unter einem dreifachen Stress, und sie sind nicht gut darauf vorbereitet. Im Gegenteil: Sie verhalten sich wie ein Kaninchen vor der Schlange – und warten gewissermaßen darauf, aufgefressen zu werden", resümiert Axel Kleinlein, Vorstandsvorsitzender des Bundes der Versicherten.
Die Verbraucherschutzorganisation attestiert einem Viertel der Lebensversicherer ernsthafte finanzielle Probleme – wie eine zu geringe Zahlungsfähigkeit oder negative Gewinnerwartungen. Deswegen sollten die Versicherer etwa ihre Eigenkapitalbasis stärken, ohne dabei in die Taschen der Versicherten zu greifen, fordert die Organisation.
"In Sachen Eigenkapital sind damit natürlich dann die Mutterkonzerne gefordert oder aber die Aktionäre, die sollten jetzt endlich mal in die Pflicht genommen werden. Stattdessen erleben wir aber überhöhte Dividendenausschüttungen, die genau gegenläufig laufen. Und da werden Aktionäre gegen Kunden ausgespielt", so Kleinlein. In der Tat sehen einige Beobachter kritisch, dass börsennotierte Großkonzerne wie die Allianz oder der Rückversicherer Munich Re inmitten der Krise und des Lockdowns Dividenden in Rekordhöhe ausgeschüttet haben.
"Vor allem sind wir in der Lage, die vorgeschlagene Dividende von 9,60 Euro je Aktie pünktlich und vollständig auszuzahlen. Wir können Ihnen selbst in dieser weltweiten Krise die vorgeschlagene Dividende zahlen, weil wir in den vergangenen Jahren sehr gut gewirtschaftet haben. Und unser Ziel ist es, natürlich vorbehaltlich der weiteren Entwicklung, auch nächstes Jahr und in den kommenden Jahren die Dividende halten oder sogar steigern zu können", unterstrich Allianz-Vorstand Oliver Bäte auf der virtuellen Hauptversammlung Anfang Mai.
Rund vier Milliarden Euro flossen bei der Allianz so kürzlich an die Aktionäre. Beim Rückversicherer Munich Re waren es 1,4 Milliarden Euro. Rückversicherer sind quasi Versicherer für Versicherungen. Im Fall von Großschäden wie beispielsweise bei Erdbeben oder Wirbelstürmen übernehmen sie Risiken von den gewöhnlichen, so genannten Erstversicherungen. Dafür kassieren sie natürlich von den Versicherungen wiederum Prämien. Die Dividendenausschüttungen der Munich Re und der Allianz jedenfalls lösen inmitten der Krise bei vielen Beobachtern Kopfschütteln aus.
"Natürlich sorgt das für Irritationen. Ich mache das mal fest an den Gastronomen: Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht und wenn man glaubt, man hat eine Versicherung, und sieht dann, dass andere Leute sich die Bezüge erhöhen und kräftige Dividenden ausschütten – das kommt nicht gut an. Wir sprechen jetzt gar nicht davon, ob das rechtmäßig oder unrechtmäßig ist. Aber hier eine gewisse Demut an den Tag zu legen, wäre sicherlich förderlich gewesen", meint Hans-Georg Jenssen vom Maklerverband.
Gewinnausschüttungen während der Pandemie
Andere Beobachter, wie Versicherungs-Professor Rolf Arnold, zeigen mehr Verständnis: "Das spiegelt ja nur nochmal wieder, sage ich mal, dass es eben ein Spektrum von Beteiligten letztendlich darum herumgibt, die im Grunde alle ihr Interesse haben. Ich sag jetzt mal, als Bürger kann ich verstehen, dass das irritierend ist. Und Sie können genauso gut sagen: Bestimmte Managergehälter, die in vollem Zuge ausgezahlt werden und andere gehen in Kurzarbeit – das ist sage ich mal, ein Stück das Dilemma, in dem wir stehen."
Der GdV sieht die Versicherer in Deutschland grundsätzlich gut mit Kapital ausgestattet. Daher sei auch das Ausschütten von Gewinnen unproblematisch. Indes dürfte die europäische Versicherungsaufsicht Eiopa die Gewinnausschüttungen während der Pandemie kritisch sehen. Denn sie hatte den europäischen Versicherungen geraten, in der Krise von Aktienrückkäufen und Dividendenausschüttungen abzusehen, um besser für mögliche künftige Folgen der Corona-Krise gewappnet zu sein.
Dass die Versicherungen die Krise trifft und durchaus Vorsicht bei allzu großen Ausschüttungen geboten ist, zeigt sich auch in den Bilanzen der Unternehmen. Beim Münchener Versicherer und Rückversicherer Munich Re führte Corona allein im zweiten Quartal zu Einbußen von 700 Millionen Euro. Der Großteil dieser Corona-Schäden liegt an Zahlungen für den Ausfall von Großereignissen. Denn Organisatoren solcher Events haben in der Regel Ausfallversicherungen abgeschlossen. Wie der Münchener Rückversicherer haben auch die Hannover Rück und die Allianz in Folge der Krise im zweiten Quartal Gewinneinbrüche gemeldet.
Es bleibt der Klageweg
Doch auch jenseits der aktuellen Krise warten Herausforderungen auf die Versicherungen. In der digitalen Moderne werden Versicherungsverträge vermehrt über das Internet abgewickelt – das erfordert Investitionen in zukunftsfähige Technologien. Gedanken machen müssen sich Versicherungen aber auch über künftige Versicherungsmodelle für Gefahren, die die zunehmende Digitalisierung der Gesellschaft mit sich bringt: Hackerangriffe, die Infrastrukturen oder Unternehmen lahmlegen, sind potenzielle Versicherungsfälle. Auch die Folgen des Klimawandels werden künftig versicherungstechnisch zu bewältigen sein. Extremwetterschäden etwa häufen sich und fallen auf Versicherer wie auf Rückversicherer zurück. Deswegen bringen sie in Fragen der Risikoeinschätzung bei diesen Themen einige Expertise mit.
"Ich wünschte mir manchmal, dass Versicherer sich noch stärker vielleicht nach außen positionieren. Denn Versicherer sind eigentlich gerade unter dem Stichwort Nachhaltigkeit sehr daran interessiert, dass das eben nicht zu einem Gefahrenpotenzial führt, was sozusagen zu noch ganz anderen Größenordnungen von Risiken führt, die wir im Grunde in der Intensität ja nur in einzelnen Ländern erleben mit Tsunami oder solchen Ereignissen, aber die noch viel flächendeckender auftreten können", sagt Versicherungsexperte Rolf Arnold.
Und schließlich wird man auch von den Betriebsschließungen während der Coronakrise in Zukunft weiter hören. Denn zu den bislang einigen hundert Gastronomen, die deswegen gegen ihre Versicherungen vor Gericht ziehen, könnten noch mehr dazu kommen. Wie Dirk Bechthold mit seinem Hotelbetrieb "Schöne Aussicht": "Wir haben jetzt den Weg gewählt, dass wir erst einmal einen Rechtsanwalt beauftragt haben, zu gucken, wie hoch unsere Chancen überhaupt stehen könnten. Weil man hat natürlich ein riesen Prozessrisiko. Zum einen ist es so, dass Versicherungen natürlich in die nächste Instanz gehen und dann noch einmal in die nächste Instanz. Da weiß man überhaupt nicht, überlebe ich das bis dahin? Und wie es halt so ist: Vor Gericht und auf hoher See – mmh, ist schwierig.".