"Ah, da hängt sie! Ziemlich große Falle. Die hat ja fast schon einen halben Meter. Ich mach' mal auf. Wenn er jetzt aufmacht, haben wir da ... heute nicht! Nee!"
Dossenheim bei Heidelberg. Eine Hecke am Rand einer Obstplantage, auf dem Gelände des Julius-Kühn-Instituts, der Bundesforschungsanstalt für Kulturpflanzen. Jürgen Just arbeitet hier als Technischer Angestellter, Olaf Zimmermann kommt vom Landwirtschaftlichen Technologiezentrum Augustenberg in Karlsruhe. Er ist Experte für Schadinsekten.
"Letzten Montag waren zwei Nymphen drin. Dadurch, dass jetzt Nymphen, also ungeflügelte Larven in der Falle waren, heißt das: In nicht allzu weiter Entfernung sind auf jeden Fall auch erwachsene Tiere unterwegs."
Die beiden haben es auf einen ungebetenen Eindringling abgesehen: auf die Marmorierte Baumwanze. Eine Art, die aus Asien stammt und mit importiertem Baumaterial eingeschleppt wurde. Vor sechs Jahren tauchten die daumennagelgroßen Insekten erstmals am Bodensee auf, wo sie seit Kurzem anfangen, Gemüse und Obst zu schädigen. Längst wandern die Wanzen den ganzen Rheingraben hoch:
"In dem Gläslein haben wir noch eine Marmorierte Baumwanze, die noch lebt. Die ist in Frankfurt-Buchschlag einer Gärtnerin aufgefallen. Und die hat sich dann für Frankfurt als inzwischen fast zehnter Fund bestätigt."
Exotische Pflanzenschädlinge wandern ein
Die Orient-Zikade. Die Grüne Reiswanze. Der Feigen-Spreizflügelfalter. Die Rote Austernschildlaus. Niemand muss sich wundern, wenn er diese Namen noch nie gehört hat! Das alles sind exotische Pflanzenschädlinge, die neuerdings in Deutschland Fuß fassen. Meist sind es Pflanzenimporte, mit denen die Exoten unerkannt einreisen:
"Wenn Sie mich vor 2000 nach neuen Schaderregern gefragt hätten, da wäre ich kaum auf ein halbes Dutzend Arten gekommen. Und seit den 2000ern bis jetzt, da kommen wir auf 20, 25 Arten allein in Baden-Württemberg."
Heiße Sommer wie in diesem Jahr beflügeln die fremden Invasoren noch. Viele von ihnen sind wärmeliebend und Nutznießer des Klimawandels in Deutschland:
"Die Marmorierte Baumwanze ist von allen wahrscheinlich die kritischste Art. Die hat in den USA nach zehn Jahren unbemerkter Einschleppung im Apfelbau gleich über 30 Millionen Dollar Schaden angerichtet. Die Dynamik hat unglaublich zugenommen, und es ist zu erwarten, dass wir jedes Jahr ein, zwei, drei neue Arten bekommen."
Gallwespen schaden Esskastanien
Olaf Zimmermanns nächste Station, am Stadtrand von Mannheim. Dort wartet ein besorgter Landwirt auf den Zoologen. Seine Esskastanien werfen nicht mehr so viele Maronen ab:
"Wir schneiden mal einen Ast runter. Gucken Sie 'mal den kleinen da, dass man den abschneidet. Ja. Komm' ich vielleicht besser dran. Schneiden Sie mal!"
Der Baum ist stark befallen - von der Esskastanien-Gallwespe. Typisches Merkmal: Viele Blätter tragen dicke tropfenförmige Knubbel - sogenannte Gallen. Darin entwickeln sich die Maden der Wespe:
"Da ist so eine kleine gelbliche Made. Jetzt hab' ich sie mal auf dem Finger. Normalerweise sollte die eigentlich im Juli spätestens geschlüpft sein, das heißt, die ist überfällig. Es könnte aber auch sein, dass die versuchen, eine zweite Generation zu schaffen. Bisher schaffen sie immer nur eine." "Durch strenge Winter gehen die nicht kaputt?" "Nein, leider nicht".
Auch das ist eine neue Entwicklung. Wenn es besonders warm ist, könnten es die fremden Arten schaffen, gleich zweimal im Jahr einen kompletten Lebenszyklus zu durchlaufen. Und so dann auch zweimal pro Saison Bäume oder Ackerfrüchte befallen. Das deutet sich nicht nur bei dieser Gallwespe an, sondern auch bei Marmorierten Baumwanze und beim besser bekannten Buchsbaumzünsler, wie Olaf Zimmermann sagt.
Neue Schädlinge und ihre natürlichen Feinde
Allerdings sind nicht alle Schädlinge gleich eine akute Bedrohung. Es kommt vor, dass auch ihre natürlichen Feinde miteingeschleppt werden. Oft sind das parasitische Schlupfwespen oder -fliegen:
"Dann müssen wir im Zweifelsfall nur noch wenig Pflanzenschutzmittel einsetzen oder das System balanciert sich sogar so aus, dass der Schädling zwar auftritt, aber nicht mehr zu wirtschaftlichen Schäden führt."
Zwei der ungebetenen Gäste bleiben unter besonderer Beobachtung: die Marmorierte Baumwanze und die Rote Austernschildlaus, die Kirschen und Pflaumen befällt. Sie haben hier keine natürlichen Feinde. In einem mehrjährigen Forschungsprojekt wollen Olaf Zimmermann und andere Experten die Entwicklung dieser beiden Schädlinge genau im Auge behalten. Weitere heiße Sommer wie 2018, und die Liste der Schädlinge wird sicher noch länger ...
"Die Proben haben wir jetzt alle eingepackt. Und bevor ich jetzt hier Stunden verbringe, fahren wir mal zum nächsten Standort."