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Schächten in der Schweiz

Weil das Blut in der jüdischen Religion als Sitz der Seele gilt, ist es gläubigen Juden verboten, Fleisch aus normaler Schlachtung zu essen. Koscheres Fleisch muss von einem rituell geschlachteten, geschächteten Tier stammen – von einem Schlachttier also, dem vom ‚shochete’, vom Metzger, der Hals bei vollem Bewusstsein, ohne jegliche Betäubung, in einem einzigen Schnitt bis auf die Wirbelsäule durchtrennt wurde. Das Ziel dieser von Tierschützern als archaisch verurteilten Schlachtmethode: Ein totales Ausbluten des Schlachtkörpers innerhalb von Sekunden.

von: Marion Lorenz |
    Weil das Blut in der jüdischen Religion als Sitz der Seele gilt, ist es gläubigen Juden verboten, Fleisch aus normaler Schlachtung zu essen. Koscheres Fleisch muss von einem rituell geschlachteten, geschächteten Tier stammen – von einem Schlachttier also, dem vom ‚shochete’, vom Metzger, der Hals bei vollem Bewusstsein, ohne jegliche Betäubung, in einem einzigen Schnitt bis auf die Wirbelsäule durchtrennt wurde. Das Ziel dieser von Tierschützern als archaisch verurteilten Schlachtmethode: Ein totales Ausbluten des Schlachtkörpers innerhalb von Sekunden.

    Im Zuge der Religionsfreiheit ist Muslimen und Juden das Schächten in fast ganz Europa erlaubt – außer in Schweden, Island, Liechtenstein und in der Schweiz. Die Eidgenossenschaft hatte bis jetzt das Schächten auf Schweizer Boden strikt verboten. Die islamische Gemeinschaft hat sich diesem Druck gebeugt und nimmt ihre Halal-Schächtung nur an vorher per Elektrozange betäubten Tieren vor. Die Israelitische Gemeinde muss ihr koscheres Fleisch im Moment noch aus Frankreich beziehen. Doch dagegen haben die orthodoxen Juden erfolgreich protestiert. Ihr Argument: Das Schächtverbot widerspreche der völkerrechtlich garantierten Religionsfreiheit und sei ein Ausdruck von krassem Antisemitismus.

    Die Schweizer Regierung will sich diesem Druck nun beugen und das Schächtverbot aufheben. Tierschützer, Bauern, Metzger, Konsumentenorganisationen, Kirchen und Tierärzte laufen dagegen Sturm. Eine wissenschaftliche Studie, durchgeführt von Schweizer Tierärzten am französischen Schlachthof Besançon, belegt ihrer Meinung nach die Grausamkeit dieser Schlachtmethode.

    Festgehalten in einem Videofilm, ist tatsächlich Barbarisches zu sehen: Dem Schlacht-Rind, das in einer grossen Trommel steht, wird der Kopf gewaltsam per Metallring straff nach hinten gezogen, um die Schnittstelle am Hals optimal freizugeben. Der ‚shochete’, der jüdische Schlachter, schneidet dem unbetäubten Tier, das durch die Manipulation bereits in Panik geraten ist, die Kehle durch. Doch statt einen einzigen Schnitt auszuführen, säbelt der shochete manchmal bis zu 13 mal hin und her. Das Tier zeigt heftigste Abwehr- und Panikbewegungen. Und: Es dauert bis zu 50 Sekunden, bis das sich im Todeskampf quälende Rind das Bewusstsein verliert.

    Für Tierschützer, Züchter und Veterinäre eine schockierende Methode. Als selbst Sigi Feigl, Ehrenpräsident der jüdischen Gemeinde in Zürich, im Schweizer Fernsehen erklärte, die Israelitische Gemeinde müsse Zugeständnisse machen und die Schächttiere eben doch mit Stromstross betäuben, erntete er vernichtende Kritik von seinen orthodoxen Glaubensbrüdern.

    Schweizer Konsumenten sind – abgesehen von der Grausamkeit der Schächtmethode – auch empört darüber, dass bei ihnen womöglich unwissentlich geschächtetes Fleisch auf dem Tisch landen könnte. Orthodoxe Juden konsumieren vom geschächteten Tier nämlich nur das Vorderviertel. Das Hinterviertel gilt für sie als "nicht koscher" und landet ohne spezielle Deklaration im normalen Handel. Und das ist für Schweizer Konsumentenverbände ein absolut inakzeptabler Gedanke.

    Juristisch gesehen stehen die Schweizer Juden auf festem Argumentationsboden: Menschenrechte, eben auch die freie Ausübung eigener Religionspraktiken, gehen allemal über den Schutz von Tieren, die juristisch als Sache gelten. Theoretisch könnten eidgenössische Juden gegen das Schächtverbot beim Europäischen Menschengerichtshof Beschwerde einlegen.

    Schweizer Tierschützer wollen per Volksabstimmung die Aufhebung des Schächtverbots unterbinden. Aber sie gehen dabei auch noch weiter: Sie verlangen, Tiere nicht mehr als Sache, sondern rechtsfähige Individuen einzustufen, Tieren also eigene Rechte und eine eigene Verteidigungsfähigkeit mit juristischer Vertretung bei Gericht einzuräumen.

    Immerhin: Jüngste Umfragen haben ergeben, dass über 70 Prozent aller Schweizer die Schächt-Erlaubnis in ihrem Land strikt ablehnen. – Eine Diskussion, die auch über helvetische Grenzen hinaus Wirkung zeigen könnte.