Die Waldbesitzer Sachsen-Anhalts sind außer sich. Und sehen die Apokalypse auf uns zukommen, weil die Bundesregierung den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Wald verhindert. Und sie rufen daher Waldsterben. Mehr noch: Sie beschwören alte Formeln der 1980er Jahre, als es zu Zeiten des Sauren Regens hieß: Erst stirbt der Wald, dann der Mensch. So geschehen auf einer Veranstaltung des Waldbesitzerverbandes am Rande einer Schonung in der Colbitz-Letzlinger Heide, im Norden Sachsen-Anhalts. Der Vorsitzende des Waldbesitzerverbandes in Sachsen-Anhalt, Franz Prinz zu Salm-Salm findet drastische Worte, mit denen er bisweilen auch übers Ziel hinausschießt.
"Wenn wir einem Schädling nicht Einhalt gebieten, wird sich das von Jahr zu Jahr potenzieren. Es wird dann nicht so sein, dass wie hier auf der Fläche 400 Hektar kahl geschlagen werden, sondern es wird sich im Folgejahr, dass alles so potenzieren, dass wir dann über 4.000, 40.000, im schlimmsten Fall über 400.000 Hektar Wald reden. Wir müssen nur so ein Jahr haben wie 2002, wo es bitter trocken war, dann haben die Schädlinge frei Haus. Und das ist für mich Ebola im Wald."
Das Problem sind der Eichenprozessionsspinner oder die Kieferbuschhornblattwespe. Waldschädlinge die sich rasend schnell vermehren und im großen Maße - begünstigt durch den Klimawandel - ganze Eichen-und Kiefernwälder befallen. Nach Angaben des Waldbesitzerverbandes sollen gar die Hälfte der gesamten Kiefern- und Eichenbestände in Sachen-Anhalt bedroht sein, also etwa 75.000 Hektar. Waldbesitzer Rolf Hügel zeigt mit düsterer Miene auf eine Lichtung, die mit 20 Zentimeter großen Setzlingen bepflanzt ist. Hier war überall mal Wald, sagt er.
"Wir hatten ja hier diese Kiefernbuschhornblattwespe und die hat hier eine Größenordnung von 190 Hektar vernichtet. Und ja, musste ein Kahlschlag gemacht werden. Und alles, weil man vorher nicht eingreifen durfte. Zum Beispiel per Hubschrauber spritzen lassen. Und so hat man zugeguckt, wie sich der Wald selbst vernichtet hat."
Kalte Enteignung befürchtet
Gründe weshalb Sachsen-Anhalts Waldbesitzer nun fordern, dass es kurzfristig und unbürokratisch erlaubt sein muss, den Wald aus der Luft mit Pflanzenschutzmitteln zu besprühen. Bisher ohne Aussicht auf Erfolg. Auch weil es nach Artikel 9 der EU-Pflanzenschutz-Rahmenrichtlinie verboten ist.
"Und was passiert ist, sehen wir heute. Und den Schaden haben wir ganz alleine. Es hilft einem niemand dabei."
Das Wort der kalten Enteignung macht die Runde. Denn nur weil der Staat den Waldbesitzern Schutzmaßnahmen verwehren würde, seien Kahlschläge und damit Verluste im Millionenbereich die Folge, sagt Waldbesitzerin Ehrengard Dümpert von Alvensleben. Besitzerin von etwa 500 Hektar Wald.
"Sie haben ja diese 190 Hektar, sie haben einen Zuwachs von fünf Festmetern pro Jahr. Sie müssen davon ausgehen, dass ein Festmeter 50 Euro an Wertgewinn ist. Und wenn sie das auf 20 Jahre hochrechnen, kommen sie auf eine Million. Eine Million Euro Verlust."
Hinzukommen noch die Kosten der Wiederaufforstung. Pro Hektar kämen noch mal 5 bis 10.000 Euro hinzu, rechnet Waldbesitzer Hügel vor.
Ein zielgerichteter Waldumbau ist nötig
In besonderen Fällen kann das Besprühen von Pflanzenschutzmitteln in Wäldern jedoch genehmigt werden. Da ist aber Sache des Bundes, weshalb die verschiedensten Bundesbehörden, wie etwa das Bundesamt für Naturschutz, das Umweltbundesamt und andere Ämter ein Wörtchen mitreden. Und daher kann es bis zu zwei Monaten dauern, ehe etwas entschieden wird, kritisieren die Waldbesitzer. Ein viel zu langer Zeitraum, sagen sie. Denn vom Schädlings-Befall bis zum Handeln habe man höchstens 14 Tage Zeit. Waldbesitzer Franz Prinz zu Salm-Salm fordert, das Verspritzen von Pflanzenschutzmitteln durch die Länder, also durch die Behörden vor Ort genehmigen zu lassen. Da diese näher an den Betroffenen seien, wie er sagt.
Annette Leipelt vom NABU, dem Naturschutzbund in Sachsen-Anhalt nennt das Geschrei der Waldbesitzer, dass quasi alle Kiefern- und Eichenwälder - ob nun in Sachsen-Anhalt oder gar Deutschlandweit - Stück für Stück absterben würden, blanke Hysterie.
"Denn aus unserer Einschätzung gibt es jetzt nicht die katastrophalen Zustände, die eine sehr intensive Bekämpfung notwendig machen."
Ein zielgerichteter Waldumbau, sei hier das Stichwort, unterstreicht Umweltschützerin Leipelt. Denn Mono-Kulturen seien besonders anfällig für den Schädlingsbefall. Leipelt fordert daher die Waldbesitzer auf, naturnahe Mischwälder zu pflanzen. Denn eine größere Artenvielfalt innerhalb eines Waldes, schaffe ein ausgeglichenes Wald-Öko-System und sorge für eine größere Immunisierung gegen den Schadensbefall. Letztlich - so Umweltschützerin Annette Leipelt weiter - sei das um ein Vielfaches sinnvoller, als der großflächige Einsatz von Insektiziden und das Geschrei von Waldsterben.