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Schätzungen bei Demonstrationen
Interessengesteuerte Zahlenspiele

Am Sonntag gab es in Berlin Demonstrationen pro und contra AfD. Über die Teilnehmerzahl verbreiteten beide Seiten unterschiedliche Zahlen. Dabei gehe es um die Deutungshoheit über den eigenen Erfolg, sagte Sandro Schroeder im Dlf. Darauf sollten sich Journalisten nicht einlassen.

Sandro Schroeder im Gespräch mit Stefan Koldehoff |
    Das Bild zeigt zahlreiche Anhänger der AfD auf einer Kundgebung gegen die Politik der Bundesregierung in Berlin. Zu sehen sind viele Deutschlandflaggen und Fahnen mit dem AfD-Parteilogo. Auf einem Banner steht zu lesen "Asylbetrug beenden".
    Anhänger der AfD auf einer Kundgebung in Berlin (dpa-bildfunk / AP / Markus Schreiber)
    Als am Sonntag mehrere tausend Anhänger der AfD durch Berlin zogen und zu einer Kundgebung am Hauptbahnhof zusammenkamen, wurde die Veranstaltung begleitet von mehreren organisierten Gegendemonstrationen. Dabei standen sich ganz unterschiedliche politische Lager gegenüber – teilweise nur wenige Meter voneinander entfernt und getrennt von etlichen Polizisten.
    AfD-Gegner riefen "Nazis raus" oder versuchten mit lauter Techno-Musik die Kundgebung zu stören. Doch es kam nicht nur zu einer verbalen Auseinandersetzung. Schon im Laufe des Tages und während der Veranstaltungen betonten beide Seiten den eigenen Erfolg. Allerdings gibt es ganz unterschiedliche Angaben darüber, wie viele Menschen von beiden Seiten mobilisiert werden konnten. Dabei gehe es um die Deutungshoheit des eigenen Erfolgs, sagte der Medienjournalist Sandro Schroeder im Deutschlandfunk.
    Unterschiedliche Zahlen
    Zur AfD-Demonstration versammelten sich nach Polizeiangaben mehr als 5.000 Menschen. Auf der anderen Seite gab es "13 Gegendemos mit mindestens 25.000 Teilnehmern", hieß es in Agenturmeldungen. Diese Zahlen wurden in den meisten Medien übernommen. Die Veranstalter selbst sprachen von "70.000 Menschen bei Anti-AfD-Protesten".
    Auch die AfD ist bemüht, die eigene Veranstaltung positiv darzustellen. Der offizielle Twitter-Account der Partei ist am Montag mit einem Dank an "großartige 8.000 Teilnehmer" versehen.
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Am Tag zuvor hieß es in einem Tweet noch, dass bei der AfD-Kundgebung 5.000 Teilnehmer anwesend seien.
    Umstrittene Polizei-Kommunikation
    "Wegen solcher Unstimmigkeiten will die Polizei Berlin eigentlich keine genauen Zahlen mehr kommunizieren", sagte Schroeder in @mediasres. Allerdings gab die Berliner Polizei auf Nachfrage dennoch eine Schätzung ab.
    Marcus Engert vom Internetportal "Buzzfeed News Deutschland" sieht die Polizeikommunikation kritisch: "Polizei gilt in Redaktionen als sogenannte privilegierte Quelle. Das heißt, normalerweise hat eine Redaktion ein Zwei-Quellen-Prinzip. Das gilt nicht, wenn die Info von der Polizei kommt. Wenn die Polizei jetzt also Zahlen von Veranstaltern oder von Parteien einfach übernimmt, dann adelt sie die sozusagen."
    Leider liegt für dieses Bild keine Bildbeschreibung vor
    Statistiker raten Journalisten, grundsätzlich auch eigene Schätzungen anzustellen und sich nicht nur auf Zahlen von Polizei oder von Veranstaltern zu verlassen.