Tobias Armbrüster: Ist das jetzt schon das Ende für Briefkastenfirmen und Offshore-Steuerparadiese? Gestern sind erste Einzelheiten zu einem Gesetzentwurf von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble bekannt geworden. Darin wird die Neugründung von Briefkastenfirmen im Ausland de facto verboten, das Bankgeheimnis soll weiter ausgehebelt werden und wer solche Geschäftsmodelle trotzdem weiter verfolgt, der muss mit drastischen Bußgeldern und Steuernachzahlungen rechnen, und das müssen auch Banken, die dabei mitmachen. Die sollen auch Strafen bezahlen. Das alles eine Folge der Panama Papers, die im April öffentlich wurden und die einmal mehr das Ausmaß dieser dunklen Seite der weltweiten Finanzwirtschaft gezeigt haben. Die Bundesregierung will da also vorpreschen. Am Telefon ist jetzt Norbert Walter-Borjans von der SPD, der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen. Schönen guten Morgen, Herr Walter-Borjans.
Norbert Walter-Borjans: Guten Morgen, Herr Armbrüster.
Armbrüster: Sind Briefkastenfirmen mit diesem Gesetz jetzt Geschichte?
Walter-Borjans: Das was wir zu machen haben ist immer und wird auch immer ein Hase- und Igel-Spiel bleiben. Aber was wir, glaube ich, zeigen ist, dass wir reagieren, dass wir Dampf machen, dass der Igel immer schneller wird und dass wir wissen, wo der Hase hinläuft. Wir kommen ein enormes Stück weiter mit diesem Gesetzentwurf.
Armbrüster: Und es reicht, dass man mit drastischen Bußgeldern und Steuernachzahlungen droht?
Walter-Borjans: Na ja. Ich sage ja: Reichen ist bei dieser ausgefeilten Industrie, die sich da mittlerweile mit Steuertricks beschäftigt, immer schwer zu sagen. Aber wir müssen alles tun, weil am Ende das, was über diese Industrie an Steuerumgehung der Allgemeinheit verloren geht, den Ehrlichen aufgelastet wird, denn wir wollen alle einen Staat, der handlungsfähig ist, der Sicherheit gewährleistet, der für Bildung was tut, der die Straßen saniert, und dann kann es nicht sein, dass in Milliardenhöhe Wohlhabende die Tricks nutzen, sich dann nicht an der Finanzierung zu beteiligen. Und ich finde noch mal, das muss man sagen: Hier haben Bund und Länder - das ist ja nicht nur von der Bundesregierung jetzt vorgeschlagen worden, sondern das ist das Ergebnis einer intensiven Arbeit - etwas vorgelegt, das uns ein ganzes Stück weiterbringen kann.
"Das wichtigste ist tatsächlich die Transparenz"
Armbrüster: Ich höre jetzt aus Ihren Worten raus, dass das nur eine Maßnahme ist. Was muss denn noch passieren im Kampf gegen diese Steuerparadiese und gegen Briefkastenfirmen?
Walter-Borjans: Na ja. Das sind ja auch schon eine Reihe von Maßnahmen, die jetzt vorgeschlagen werden. Das wichtigste ist tatsächlich die Transparenz. Es mag ja Gründe geben, dass man eine Niederlassung auch in der Karibik oder sonst wo braucht als Unternehmen. Nur es gibt keinen Grund, dass das dann mit Scheindirektoren, mit Anonymität verbunden sein muss, dass niemand weiß, wer welches Geld verwaltet und zu welchem Zweck. Da kann mir niemand erzählen, dass das eine saubere Grundlage für unternehmerisches Wirtschaften ist.
Der zweite Punkt ist, dass man dann auch deutlich Sanktionen aussprechen muss. Wir haben schon heute eine Pflicht, solche Firmen zu melden. Nur der Verstoß gegen diese Pflicht ist eine Ordnungswidrigkeit, die 5.000 Euro kostet. Da kann sich jeder vorstellen, dass für einen, der Waffenhandel oder Drogenhandel betreibt, 5.000 Euro Strafe, wenn denn irgendwas auffliegt, nicht besonders hart ist. Und da geht auch ein Stückchen die Kritik hin, das was jetzt verschärft wird, sagen wir mal 25.000 Euro, ist jetzt auch noch nicht der Hammer. Aber verbunden damit, dass wir sagen, die Banken müssen mitarbeiten, die können sich nicht immer die Hände reinwaschen und sagen, wir haben ja nur die Vermittlung gemacht und wir wussten nicht, worum es geht, das ist auch ein ganz wichtiger Punkt. Deswegen ist die Sanktion, die Transparenz und vor allen Dingen auch das zur Verantwortungziehen der Banken und der Finanzinstitutionen ein wichtiger Teil.
Armbrüster: Die Bankenwirtschaft, die hat diesen Gesetzentwurf jetzt auch schon kritisiert. Da heißt es, dieses neue Gesetz, das würde vor allem ein Bürokratiemonster schaffen, weil die Banken ja auf einmal massenhaft Daten erheben und verwalten müssen, und bezahlen müssen das natürlich alles wieder die Bankkunden.
Walter-Borjans: Na ja. Aber das, was hinterzogen wird, das müssen alle bezahlen, und das sind Milliarden. Und ich muss auch sagen: Die Banken sollten mit uns gemeinsam ein Interesse haben, auch ein Stück einen verloren gegangenen Ruf wiederzubeleben und zu sagen, Banken haben eine ganz wichtige Funktion in der Gesellschaft, und sie haben nun mal nachweislich sich an diesen Geschäften, nicht alle, aber viele Banken nachweislich an diesen Geschäften beteiligt, und dann darf man sich doch nicht darüber beschweren, dass jetzt Kontrollen eingeführt werden. Und ich muss ehrlich sagen: Dieses Wort des Generalverdachts, der da immer ausgesprochen wird, das ist immer so der letzte Notnagel, um rauszuholen, dass man doch besser nicht kontrolliert werden möchte, dass man weiter so machen möchte wie bisher. Wir haben Anlass, Kontrollen zu verstärken. Dazu haben auch Banken beigetragen und dazu haben auch Unternehmen beigetragen. Und wenn wir jetzt sicherstellen wollen, dass nicht am Ende der Ehrliche der Dumme ist, dann gibt es natürlich auch ein Stück Nachweispflicht, und das ist immer auch ein Stück mit Bürokratie verbunden.
Armbrüster: Das Vertrauen in die Banken, das haben Sie verloren?
Walter-Borjans: Ich glaube, da geht es nicht um mich persönlich, sondern …
Armbrüster: Na ja, ich frage Sie einfach mal, weil Sie sich ja mit dieser Sache auch intensiv beschäftigt haben.
Walter-Borjans: Sagen wir mal, in diesem Bereich würde ich wenig mit Vertrauen lösen wollen, sondern da geht es wirklich darum, dass Vereinbarungen zu schließen sind, die nachvollziehbar, die kontrollierbar sind, und ich würde hier nicht darauf setzen, dass jemand, der bislang Millionen und Milliarden hinterzogen hat, bei einem Aufruf Transparenz bringt, sondern dass man dafür auch Regeln braucht.
"Es darf nicht der Schlussstrich sein"
Armbrüster: Was hilft dieser Gesetzentwurf in Deutschland denn nun, wenn das tatsächlich auch als Gesetz verabschiedet wird, wenn wir es hier in Deutschland haben, aber andere Staaten dabei nicht mitziehen?
Walter-Borjans: Es geht natürlich immer darum, dass wir in der internationalen Staatengemeinschaft uns gegenseitig mal klar machen, dass am Ende hier nicht einer Gewinner und einer Verlierer ist. Das ist immer eine Zeit lang vielleicht einer und irgendwann stellt er fest, dass er sich auch selbst geschadet hat. Das sehen wir ja in anderen Bereichen, was Steueroasen angeht, auch. Aber wir reden natürlich auch darüber, dass eine Wirtschaftsnation wie Deutschland bei sich selbst so viel an wirtschaftlicher Aktivität, an Finanzgewalt vereinigt, dass man da auch schon eine Menge machen kann. Und wenn wir dafür sorgen, dass die Gelder, die dem deutschen Fiskus verloren gehen, die hier bei uns für Bildung, für Infrastruktur, für Sicherheit verloren gehen, dass die zu einem erheblichen Teil nicht abfließen können, dann ist das immerhin auch schon ein Teil. Es darf nicht der Schlussstrich sein.
Armbrüster: Hilft es besonders viel, wenn Deutschland da jetzt vorprescht und wenn dann Firmen vielleicht einfach sagen, gut, dann gründen wir eben eine Niederlassung, sagen wir, in Frankreich oder in Spanien, und von da ist es durchaus immer noch möglich, auch eine Briefkastenfirma zu gründen?
Walter-Borjans: Schon die Briefkastenfirma ist ja eine Niederlassung offshore, wie das so schön heißt, in Steueroasen. Es geht darum: In Deutschland ist jeder mit seinem Vermögen und seinem Einkommen, das er weltweit erzielt, melde- und steuerpflichtig. Deswegen sage ich ja, dass auch bisher schon ein Verstoß als Ordnungswidrigkeit geahndet wird, nur viel zu gering. Und wenn jemand jetzt in Deutschland handelt, und darum geht es doch am Ende: Wer in Deutschland Gewinn erzielt, wer mit der deutschen Kaufkraft seine Geschäfte macht, der muss mit allen Mitteln auch dazu gebracht werden, dass er sich daran beteiligt, dass diese Kaufkraft hier in Deutschland auch auf Dauer erhalten bleibt, und der kann sich nicht vom Acker machen, egal ob er nach Panama oder nach Frankreich geht. Es geht ja genau hier um diese Transparenz. Wenn jemand ganz wegzieht und sagt, ich verkaufe meine Waren nur noch in der Dominikanischen Republik, dann unterliegt er den dortigen Steuergesetzen und dann hat er sich dem deutschen Fiskus entzogen. Aber er kann nicht hier die Geschäfte machen und dahinten nicht bezahlen.
Armbrüster: Live hier bei uns im Deutschlandfunk an diesem Freitagmorgen war das Norbert Walter-Borjans, der Finanzminister von Nordrhein-Westfalen, zu Schäubles Plänen im Kampf gegen Steueroasen. Vielen Dank, Herr Walter-Borjans, für Ihre Zeit.
Walter-Borjans: Ja gerne! Tschüss!
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