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"Schalten Sie wieder ein…"

Vor 25 Jahren startete in Deutschland das kommerzielle Fernsehen und brachte nicht nur Werbung auf die Bildschirme, sondern führte auch eine neue Währung ein: die Quote. Doch diese Währung lässt sich zurzeit wegen Festplatten und DVD-Recordern nur noch unzuverlässig messen. Darum will die Arbeitsgemeinschaft Fernsehforschung neue Messgeräte einführen.

Von Stephan Beuting |
    Für die Mädchen von Germanys Next Topmodells ist es ein Wettbewerb auf Zeit, für den Fernsehsender Pro Sieben und die anderen TV-Kanäle ist es Alltag: der Kampf um Aufmerksamkeit, denn nur, wer sich gut präsentiert bleibt im Rennen. Das Maß aller Dinge ist dabei die Quote.

    3,7 Millionen verfolgen die Sendung im Schnitt live an den TV-Geräten, so die Messung. Doch in Wirklichkeit sind es viel mehr, wie Robert Schäffner von IP-Media erklärt. Im Kölner Westen arbeitet Schäffner im Auftrag der Arbeitsgruppe Fernsehforschung daran, morgens möglichst genau zu wissen, welcher Zuschauer welche Inhalte am Vorabend gesehen hat. Neue Verbreitungswege und Digitale Speicher wie Festplatten- und DVD-Recorder bringen die AGF technisch in Zugzwang. Deswegen bekommen im Laufe des Jahres alle 5640 Testhaushalte in Deutschland neue Messgeräte. Kleine unscheinbare schwarze Kisten, ausgestattet mit einer Fernbedienung und vielen Steckmöglichkeiten.

    "Die neue Technik wurde erforderlich, weil es eben neue Nutzungsformen gibt. Die Zeitversetzte Nutzung, Videorecorder oder Festplattenrecorder oder die Außer-Haus-Nutzung der Panel-Mitglieder."

    Inzwischen speichern rund zwei Prozent der Zuschauer zwischen 14 und 49 Jahren ihre Lieblingsserien, Dokus oder Spielfilme mittels Festplattenrecorder oder DVD-Gerät, um sie sich dann später anzusehen. Dieses "zeitsouveräne Fernsehen", konnte bislang nicht erfasst werden. Das neue Gerät der AGF soll auch hier genaue Daten über das Verhalten der Zuschauer liefern. Robert Schäffner:

    "Mit der neuen Messtechnik würde das so vorgehen, dass sei einen Festplattenrecorder geliefert kriegen, auf dem wir erfassen können, was gesehen wird. So wie wir mit dieser kleinen Kiste erfassen können, welcher Fernsehsender, welcher Kanal live am Fernseher eingestellt ist, können wir mit diesem speziellen Festplattenreceiver eben auch erfassen, welche Programme aufgenommen und viel wichtiger, welche Programme später gesehen wurden."

    Zudem können nun mit einer Besuchertaste nun auch statistisch diejenigen erfasst werden, die außer Haus, mit Freunden und Bekannten Fernsehen. Bislang gab es hierzu keine Informationen.

    Für die Betreuung der Testhaushalte und die Einführung der Geräte ist die GFK verantwortlich. Die Gesellschaft für Konsumforschung versucht im Auftrag der AGF möglichst genau festzulegen, welche Reichweite die Sender und ihre Sendungen erzielen - die Quote, auch Währung genannt, entscheidet über Fortsetzung von Serien und Absetzung von Programmdirektoren und ist vor allem für die Verhandlung zwischen Sendern und Werbekunden wichtig.

    "Jemand, der diese Ware abnehmen will, der möchte natürlich wissen, wie viel krieg ich dann. Also wenn sie Margarine kaufen, wollen sie wissen, ist das ein Pfund oder ist das ein Kilo. Und wenn Sie Werbung kaufen, wollen Sie wissen, wie viel Leute erreiche ich damit."

    Kopfzerbrechen bereitet der AGF allerdings die Nutzung von IP-TV, dem Fernsehen via Internet. Eine Folge Germanys Next Topmodell beispielsweise verbucht im Netz - nach Senderangaben - rund eine halbe Million Zugriffe. Doch Zugriff heißt nicht, dass die gesamte Folge gesehen wurde und "den Angaben der Sender", die sich gerne mit hohen Klickzahlen brüsten, ist nur bedingt zu trauen. Technischer Fortschritt, und das veränderte Nutzungsverhalten der Fernsehzuschauer, für die Quotenmessung ist es wie beim Wettlauf zwischen Hase und Igel, in dem der Sieger von vornherein feststeht. Für den Hasen wäre es schon ein Erfolg, wenn der Abstand zum Igel nicht noch weiter wächst.