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Schaubühne inszeniert "Borgen"
Im Haifischbecken der Ränkespiele und Intrigen

Die Berliner Schaubühne bringt "Borgen" auf die Bühne - die weltweit bejubelte Fernsehserie aus Dänemark. Regisseur Nicolas Stemann inszeniert den Versuch einer Politikerin, im verhängnisvollem Konglomerat aus Politik, Medien und Wirtschaft zu bestehen – und trotz allem sie selbst zu bleiben.

Michael Laages |
    Aufführung von "Borgen" an der Schaubühne am Lehniner Platz Berlin: Sebastian Rudolph; Stephanie Eidt; Regine Zimmermann; Tilman Strauß (v.l.n.r.).
    Polit-Serie "Borgen" kommt in Berlin auf die Bühne. (picture alliance / dpa / Claudia Esch-Kenkel)
    "Wir müssen eingestehen, wenn wir uns irren oder etwas nicht verstehen. Ich bin Politikerin geworden, weil ich zu wissen glaube, wie die Welt gestaltet werden kann; und das glaube ich noch."
    Birgitte Nyborg feiert einen erstaunlichen Sieg bei der Wahl – erstaunlich, weil sie sich den Ritualen der politischen Platzhirsche verweigert; und zum Beispiel nachdenklich schweigt, als sie in der "Elefantenrunde" am Vorwahlabend die letzten zwei Minuten freier Redezeit nicht nutzt für Eigenwerbung. Sie will "sie selbst" bleiben im Haifischbecken der Ränkespiele und Intrigen – zielstrebig erzählen die Folgen der Serie, dass das nicht geht.
    Von der neuen Polithoffnung zur eisernen Lady
    Im Gezerre um Koalitionen setzt sich "die Neue" noch durch, aber schon mit Blessuren. Dann muss sie immer wieder immer schlimmere Kompromisse schließen – zunächst mit bräsigen Hinterbänklern, dann auf der Weltbühne. Wie lange schon ist Grönland - das dänische Staatsgebiet - Durchgangsstation für Guantanamo-Häftlinge? Für diese Frage setzt sie ein Treffen mit Barack Obama aufs Spiel. Wer zieht die Strippen hinter Nyborgs Friedensinitiative in Afrika? Da begibt sie sich in die Abhängigkeit von einem Groß-Industriellen mit Interessen vor Ort. Womit wurde ihr Verteidigungsminister bestochen, um bestimmte Flugzeuge einzukaufen? Nicht dieses Kabinettsmitglied, sondern die Karriere des eigenen Gatten opfert die nunmehr eiserne Lady.
    Das ist der Sargnagel für die eh längst schwer beschädigte Familie; die Kinder sind schon in psychiatrischer Behandlung. Am Ende der Bühnenfassung, mit gut einem Drittel der Motive aus den 30 Serienfolgen, hält die zerschundene Frau Nyborg im Parlament aber noch einmal eine Art Blut-Schweiß-und-Dänen-Rede - und siegt.
    "Ich will den Dänen sagen, dass sie besser sind, als sie glauben. Sie haben es nur vergessen. Die Dänen sind schon bereit gewesen für Großes, sie sind verdammt noch einmal auch bereit, Opfer zu bringen!"
    Inszenierung im besinnungslosem szenischen Geschwindschritt
    Die Bühne profitiert erstaunlich wenig von dem Stoff – weil er so prinzipiell flach wie auf dem Bildschirm bleibt, wie schnell auch Szenen wechseln, wie viel Video-Optik im Spiel ist. Vieles bleibt auch eher naiv. Das Haar ist recht lang, an dem vieles hier herbei gezogen wird.
    Besonders grotesk geraten die Momente, wo Nicolas Stemann dem zunehmend besinnungslosen szenischen Geschwindschritt mit ständig wechselnden Rollen Kommentare unterlegen will. Da analysieren dann die altklugen Kinderlein gut neo-marxistisch, dass die aktuellen Fluchtbewegungen zwar auch Kriegen, vor allem aber der Arbeitsmigration geschuldet sind. Jetzt kommen uns halt die Armen besuchen, sagen sie, die Globalisierung schlägt zurück. Daran mag viel Wahres sein – bei den lieben Kleinen ist das aber nicht gut aufgehoben, zwischen Hysterie und Bettnässerei.
    Und auch die Bindung von Frau Nyborgs politischem Überlebenskampf an die Niederungen und Abgründe von Presse, Funk und Fernsehen eröffnet nur Nebenkriegsschauplätze, schafft zudem noch mehr Rollen für nur vier Stück Hauptpersonal. Das lenkt eher ab von den zentralen Fragen an die Politik: Wozu ist sie gut, wenn sie ohne Mehrheit bleibt? Lässt sich mit falschen Mitteln Richtiges bewirken – und umgekehrt? Ist Vision ohne Pragmatismus möglich – und wiederum umgekehrt? Und hat "das Volk", Heinrich Heines "großer Lümmel", tatsächlich Besseres verdient, als es bekommt?