Ein dreiteiliger Abend kann Tücken bereithalten: Zu beliebig kann er daherkommen, ohne Wagnis und erkennbare Dramaturgie. Im Idealfall hingegen lernen Zuschauer ein Tanzensemble genauer kennen, und zwar in den vielfach verwobenen Facetten von Können, Persönlichkeit und Musikalität.
Das erste Gastspiel der São Paulo Companhia de Dança bei den Movimentos Festwochen in Wolfsburg ist durchaus ein Schaulaufen, aber mit ästhetischem Mehrwert. Der Abend beginnt mit einer Choreografie von Rodrigo Pederneiras. Seine "Bachiana No. 1" ist ein pulsierender Reigen zur gleichnamigen Suite von 1930 für Cello-Orchester von Heitor Villa-Lobos.
Der Choreograf leitet die Rhythmen der Bewegung von den musikalischen Strukturen ab. Den Bewegungsdrang der jungen Tänzer überführt er mit einem klar umrissenen Bewegungsspektrum in ein wirbelndes Geschehen. Von links nach rechts oder in Diagonalen reihen die Tänzer leichtfüßige Sprünge an Drehungen und umgekehrt, ihre Arme schwingen zum Ausgleich in die Höhe. Die Frauen in luftigen Hängekleidern und die Männer in Ganzkörpertrikots wechseln flugs von ausgedrehten Gliedern hin zu parallelen Schrittfolgen, auf flachen Füßen oder halber Spitze.
Weniger ausgelassen, dafür mit mehr Effekten ausgestattet, ist "Inquieto" von Henrique Rodovalho, die zweite Choreografie an diesem Abend in Wolfsburg. Zwischen Fäden, die eine Tänzerin im Gehen quer über die Bühne spannt, lassen die anderen elf Tänzer, ebenfalls in voller Jeans-Montur, schnelle Bewegungsimpulse diagonal und quer durch ihre Körper wandern. Mit geneigtem Oberkörper halten sie unvermindert inne, um dann die Gelenke am Platz in aufeinanderfolgenden Wellen zu artikulieren. Die netzartige Raumskulptur, die Lichtbahnen und der Soundtrack aus metallisch-rasselnden Klängen, Beatboxing und Sirenentönen können nicht gänzlich überdecken, dass hier keine wirkliche Entwicklung der Bewegungssprache stattfindet.
Ein finnischer Männerchor orchestriert den Beginn von "Peekaboo", dem neuen Stück von Marco Goecke. Im Halbrund stehen sieben Tänzer um den einen, der als erster sein Gesicht zeigt und sich in waghalsigem Tempo mit den Armen den Umraum seines Körpers erschließt. Die anderen verbergen ihre Gesichter hinter klassischen Melonen-Hüten. Ihre Ellbogen schwirren nach außen und wieder zusammen, dann scheint der Hut ein Eigenleben zu entwickeln und die Kontrolle über die Arme und Hände der Tänzer zu übernehmen.
Der Hut als Hort von Erinnerungen ist eine Brücke zu Benjamin Brittens "Simple Symphony" aus dem Jahr 1934. Mit ihm erweitert Marco Goecke das kindliche Versteckspiel "Peekaboo", dieses "Wo bin ich?", auf den im Grunde schutzlos ausgesetzten Körper. Die immense Kraftanstrengung, unter der die Tänzer mit rasender Geschwindigkeit Signale bis in die letzte Muskelfaser abfeuern, ist zugleich Ausdruck von höchster Beherrschung und einer Panik, die sich im Zucken des Kopfes und der Glieder zu verselbständigen scheint.
Der helle Tanzteppich und das fahle Licht tragen dazu bei, dass die Tänzer allmählich wie Gestalten erscheinen, die an unmerklichen Fäden gezogen werden, ob von außen oder einer inneren Besessenheit her. Und so wirken sie wieder nahbar: weil dieser gewaltige Überschuss an Bewegung die Zuschauer mit sich reißt.
Goeckes Bewegungssprache mag sich zwar jedem Zugriff entziehen – die Gefühle aber, die sie auslöst, sind besonders dann zum Greifen nah, wenn sich ihr so junge Tänzer verschreiben wie von der São Paulo Companhia de Dança. Das Publikum bleibt nicht ratlos zurück, im Gegenteil – es jubelt.
Das erste Gastspiel der São Paulo Companhia de Dança bei den Movimentos Festwochen in Wolfsburg ist durchaus ein Schaulaufen, aber mit ästhetischem Mehrwert. Der Abend beginnt mit einer Choreografie von Rodrigo Pederneiras. Seine "Bachiana No. 1" ist ein pulsierender Reigen zur gleichnamigen Suite von 1930 für Cello-Orchester von Heitor Villa-Lobos.
Der Choreograf leitet die Rhythmen der Bewegung von den musikalischen Strukturen ab. Den Bewegungsdrang der jungen Tänzer überführt er mit einem klar umrissenen Bewegungsspektrum in ein wirbelndes Geschehen. Von links nach rechts oder in Diagonalen reihen die Tänzer leichtfüßige Sprünge an Drehungen und umgekehrt, ihre Arme schwingen zum Ausgleich in die Höhe. Die Frauen in luftigen Hängekleidern und die Männer in Ganzkörpertrikots wechseln flugs von ausgedrehten Gliedern hin zu parallelen Schrittfolgen, auf flachen Füßen oder halber Spitze.
Weniger ausgelassen, dafür mit mehr Effekten ausgestattet, ist "Inquieto" von Henrique Rodovalho, die zweite Choreografie an diesem Abend in Wolfsburg. Zwischen Fäden, die eine Tänzerin im Gehen quer über die Bühne spannt, lassen die anderen elf Tänzer, ebenfalls in voller Jeans-Montur, schnelle Bewegungsimpulse diagonal und quer durch ihre Körper wandern. Mit geneigtem Oberkörper halten sie unvermindert inne, um dann die Gelenke am Platz in aufeinanderfolgenden Wellen zu artikulieren. Die netzartige Raumskulptur, die Lichtbahnen und der Soundtrack aus metallisch-rasselnden Klängen, Beatboxing und Sirenentönen können nicht gänzlich überdecken, dass hier keine wirkliche Entwicklung der Bewegungssprache stattfindet.
Ein finnischer Männerchor orchestriert den Beginn von "Peekaboo", dem neuen Stück von Marco Goecke. Im Halbrund stehen sieben Tänzer um den einen, der als erster sein Gesicht zeigt und sich in waghalsigem Tempo mit den Armen den Umraum seines Körpers erschließt. Die anderen verbergen ihre Gesichter hinter klassischen Melonen-Hüten. Ihre Ellbogen schwirren nach außen und wieder zusammen, dann scheint der Hut ein Eigenleben zu entwickeln und die Kontrolle über die Arme und Hände der Tänzer zu übernehmen.
Der Hut als Hort von Erinnerungen ist eine Brücke zu Benjamin Brittens "Simple Symphony" aus dem Jahr 1934. Mit ihm erweitert Marco Goecke das kindliche Versteckspiel "Peekaboo", dieses "Wo bin ich?", auf den im Grunde schutzlos ausgesetzten Körper. Die immense Kraftanstrengung, unter der die Tänzer mit rasender Geschwindigkeit Signale bis in die letzte Muskelfaser abfeuern, ist zugleich Ausdruck von höchster Beherrschung und einer Panik, die sich im Zucken des Kopfes und der Glieder zu verselbständigen scheint.
Der helle Tanzteppich und das fahle Licht tragen dazu bei, dass die Tänzer allmählich wie Gestalten erscheinen, die an unmerklichen Fäden gezogen werden, ob von außen oder einer inneren Besessenheit her. Und so wirken sie wieder nahbar: weil dieser gewaltige Überschuss an Bewegung die Zuschauer mit sich reißt.
Goeckes Bewegungssprache mag sich zwar jedem Zugriff entziehen – die Gefühle aber, die sie auslöst, sind besonders dann zum Greifen nah, wenn sich ihr so junge Tänzer verschreiben wie von der São Paulo Companhia de Dança. Das Publikum bleibt nicht ratlos zurück, im Gegenteil – es jubelt.