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Schauspieler Willem Dafoe in "The Florida Project"
"Mein Job ist es, ein Mensch zu sein"

Willem Dafoe ist der einzige Profi im Laien-Ensemble von "The Florida Project". Für seine Rolle als Manager einer Billigmotelanlage bekam er eine Oscar-Nominierung. In über hundert Filmen hat Dafoe mitgespielt, oft mit europäischen Regisseuren. "Filme sind wichtig, sie können unser Denken verändern, und unsere Art zu leben", sagte Dafoe im Dlf.

Willem Dafoe im Corsogespräch mit Sigrid Fischer |
    Willem Dafoe erhält den Goldenen Ehrenbär auf der 68. Berlinale.
    Willem Dafoe erhält den Goldenen Ehrenbär auf der 68. Berlinale. (imago / STPP)
    Am Donnerstag startet der Film, für den Willem Dafoe als bester Nebendarsteller für den Oscar nominiert war: "The Florida Project". Er spielt den Hausmeister und Manager einer Motelanlage in Florida, in der Menschen wohnen, die sich wohnen eigentlich nicht leisten können, und von Tag zu Tag die Miete irgendwo zusammenkratzen - nur wenige Meilen vom Disney World Freizeitpark entfernt.
    Den Oscar bekommen hat er nicht, aber mal wieder viel Lob für sein uneitles Spiel. Willem Dafoe war nie der Leading Man in Hollywood, spielt meist in Independent- und Autorenfilmen, oft in europäischen, wie in Lars von Triers "Antichrist" oder Wim Wenders "In weiter Ferne, so nah". Und wenn er in Mainstreamfilmen mitgespielt hat wie "Spider Man" oder "John Wick" oder "Mord im Orientexpress", dann in markanten Nebenrollen.
    Sigrid Fischer: Sie waren der einzige professionelle Schauspieler am Set von "The Florida Project", die anderen waren z.T. echte Bewohner der Motelanlage, die Sie als Bobby da beaufsichtigen. Mussten Sie sich irgendwie umstellen?
    Willem Dafoe: Meine Aufgabe war es, mich ihnen anzupassen. Und kein Schauspieler, sondern ein Mensch zu sein. Das ist übrigens immer mein Job. Ich musste ihnen auch nicht helfen, sie waren so begeistert, dabei zu sein, dass es Spaß gemacht hat, mit ihnen zusammen zu sein. Sie waren richtig gut darin, so zu tun als ob. Sie hatten nicht diese Befangenheit, sich zu fragen: was soll das? wohin führt das hier? Das war richtig angenehm.
    "Ich möchte das Geschöpf des Regisseurs sein"
    Fischer: Wie ist das mit einem jungen Regisseur wie Sean Baker? Das erleben Sie ja immer öfter, dass Regisseure jünger sind als Sie.
    Dafoe: Ich möchte ja das Geschöpf des Regisseurs sein. Und mit älteren, erfahrenen Regisseuren ist das etwas einfacher. Wenn sie jünger sind, haben sie meist zu viel Respekt vor dem Schauspieler. Das ist oft ein kleiner Kampf, denn man muss sie ermuntern, mutig zu sein. Aber ohne sie zu kontrollieren oder zu hemmen. D.h. man muss sich hingeben und ihnen gleichzeitig helfen, weil man vielleicht mehr Erfahrung hat.
    Fischer: Wissen Sie eigentlich noch, Willem Dafoe, wie das bei Ihnen war als junger Anfänger? Wie lange hat es gedauert, bis Sie selbstbewusst genug waren zu sagen: Ja, ich will Schauspieler sein. Ich kann das.
    Dafoe: Ich weiß es nicht, ich erinnere mich nicht. Ich wusste nie genau, wohin ich wollte im Leben. Das kam irgendwie so nach und nach. Ich war nie jemand mit klaren Zielen vor Augen. Aber ich wusste immer, was mich begeistert. Und wofür ich sterben würde - Sie wissen, was ich meine. Ich wusste immer, wo meine Leidenschaften lagen. Und womit man sie wecken konnte.
    Schauspieler Willem Dafoe wurde bei der Berlinale für sein Lebenswerk ausgezeichnet.
    Schauspieler Willem Dafoe wurde bei der Berlinale für sein Lebenswerk ausgezeichnet. (imago - Xinhua)
    Und zum Glück kam ich zu einer Zeit nach New York, als viele Leute gar nicht ausgebildet waren in dem, was sie taten. Sie waren Amateure. Z.B. die Punkmusiker. Sie konnten kaum Gitarre spielen, aber sie hatten eine Leidenschaft für Musik, und sie haben einfach gespielt. Dabei sind ein paar sehr interessante, persönliche Sachen herausgekommen. Und die standen in Opposition zur Gesellschaft. Das fand ich alles sehr spannend damals. Und ich habe dann etwas Ähnliches in einer anderen Disziplin gemacht. Aber ich war ein Geschöpf jener Zeit.
    Fischer: Sie drehen ja überwiegend im Independent und Arthousebereich, oft auch mit europäischen Regisseuren, Lars von Trier z.B.
    Dafoe: Das stimmt, ich hab nicht mal ein Drittel meiner Filme in den USA gedreht, für einen amerikanischen Schauspieler bin ich in vielen Ländern unterwegs. Oft finde ich die interessanten Projekte in Europa. Denn ich glaube an den Autorenfilm.
    Die Fähigkeit von Lars z.B., das Unaussprechliche auszusprechen wie in "Antichrist" - wenn ich auch nicht alles in dem Film verstehe - aber Bildsprache und Poesie sind so stark, das versetzt mich in großes Staunen. Okay, er redet manchmal Unsinn, aber als Filmemacher ist er einfach aufregend.
    Fischer: In Europa begreifen wir Filme eben weniger als Wirtschaftsprodukt denn als Kunst.
    Dafoe: Ja, aber das haben wir in den USA schon auch.
    Fischer: Na klar. Willem Dafoe, so kritisch Sie auf Ihre Projekte gucken, sind Sie mit sich selbst auch kritisch?
    Dafoe: Das bin ich wohl, ich wünschte, ich wäre es nicht.
    Fischer: Inwiefern? Wie meinen Sie das ?
    Dafoe: Naja, ich bin ein anspruchsvoller Mensch. Weil ich das, was ich mache, ernst nehmen. Denn wenn man es gut macht, dann ist das etwas sehr Kraftvolles. Damit meine ich nicht nur das Schauspiel, sondern Filme an sich, sie sind wunderschön. Und wichtig, sie können unser Denken verändern, und unsere Art zu leben. Und wenn man schon das Glück hat, Filme zu drehen, fände ich es unverantwortlich, dabei nicht sorgsam zu sein.
    "Die Technik hat das Filmemachen viel demokratischer gemacht"
    Fischer: Heute werden Kinofilme mit dem Handy gedreht - Sean Baker hat das vor "The Florida Project" ja gemacht, genau wie Steven Soderbergh jetzt auch mit "Unsane". Filme werden auch auf dem Handy geguckt. Und überhaupt drehen die ambitionierten Regisseure und Schauspieler heute Serien im Fernsehen. Wie gefällt Ihnen diese Entwicklung?
    Dafoe: Ich finde das gut. Man kann Filme heute auf so viele Arten drehen, die Technik hat das Filmemachen viel demokratischer gemacht. Das ist gut. Aber man ist auch ein bißchen konfus, weil man Filme heute an so vielen Orten sehen kann, dass kein Diskurs mehr stattfindet. Denn jeder sitzt in seiner kleinen, bequemen Ecke und man redet nicht mehr miteinander.
    Und das Problem am langen Serienformat ist: man verbringt sehr viel Zeit mit seiner Figur, dabei können Schauspieler auch sehr träge werden. Es kann sicher auch seinen Reiz haben, wenn Figuren sich sehr langsam entwickeln. Aber es fehlt doch eine gewisse Spannung, es fehlt der Kick, der Biss. Aber glauben Sie mir, wenn ich keine interessanten Filmrollen mehr finden würde, dann wär ich natürlich sofort dabei. Weil ich einfach viel zu gerne spiele.
    Fischer: Die Figuren in "The Florida Project", die da in diesem Motel leben, weil sie sich "wohnen" eigentlich gar nicht leisten können, die sind ja aus dem sozialen Netz gefallen, sie sind abgehängt. Vermutlich hätten die Donald Trump gewählt, oder?
    Dafoe: Ja, das stimmt, und das ist tragisch. Ich kenne niemanden, der Donald Trump mag, die Leute beklagen sich. Aber man kriegt ihn nicht da weg. All diese Skandale! Aber so lange die Republikaner die Mehrheit haben, werden sie ihn schützen, um die Mehrheit zu behalten.
    Es ist unglaublich, dass er immer noch im Amt ist! Ich weiß genau, wie er gewählt wurde, wie er attraktiv wurde für die Leute. Er hat sie über ihre Wut und ihr Ohnmachtsgefühl erreicht. Aber es hat sich so schlecht entwickelt, dass niemand glauben kann, dass er noch im Amt ist. Aber keiner weiß, wie man ihn da weg kriegt.