Sophie Rois: "Ich muss nicht Leuten erzählen: Hört mal, ihr müsst jetzt die Flüchtlinge umarmen oder so. Politisches Engagement: Ja, natürlich! Das ist wichtig. Aber das auf die Bühne zu schleppen, da holen sich alle nur ein gutes Gefühl ab, die unten drin sitzen und sagen: 'Ja, jetzt sehen wir wieder mal, wie schlecht es den Leuten geht, wie arm die geprügelten Frauen sind.' Und dann gehen wir alle nach Hause und fühlen uns besser. Das ist die Beruhigung des Bürgers."
Sophie Rois will den Bürger nicht beruhigen, sie will ihn auch nicht belehren - sie will ihn unterhalten. Aktuell mit dem literarischen Konzertabend "Have a Cup of Tea mit Sophie Rois". Die Österreichische Schauspielerin liest aus dem ersten Erzählband des Briten Ian McEwan "First Love, First Rites","Erste Liebe, erste Riten" - Kurzgeschichten über das Entdecken der Liebe und der Sexualität, über Unschuld und Scham.
Geschichten, die sie schon vor rund 40 Jahren entdeckte. Seitdem haben die Texte sie nicht mehr losgelassen. Genausowenig wie die Songs der englischen Rockband The Kinks, die den musikalischen Teil des Abends bilden.
"Da war ich wirklich Black Box"
"Beides – sowohl die Kinks als auch die Ian McEwan-Erzählungen ist etwas, was mich schon ganz lange begleitet. Die hat mir damals – 1977, ein Freund auf dem Land in Österreich geschenkt. Kann man vielleicht denken: Hättest Du etwas Anderes bekommen, hätte Dich etwas Anderes geprägt. Aber das stimmt nicht. Das waren so die Dinge, die mich total getroffen haben. Ich war mit 16 Jahren, wie ich damals alt war, nicht so wie Teenager wahrscheinlich heute mit 16 sind. Da war nix, da war ich wirklich Black Box, das war Österreichische Provinz und das tropfte alles in dieses Mädchenherz so ein."
The Kinks und Ian McEwan - begleitet von zwei Gitarristen interpretiert Sophie Rois mit ihrer unverwechselbaren direkten Art und ihrer markanten rauen Stimme Songs wie "Young and Innocent Days" oder "Midday Sun". Eine besondere Qualität der Kinks-Songs ist für Sophie Rois, dass sie Bilder in ihrem Kopf erzeugen.
Songs über Dampfloks und Queen Victoria
Sophie Rois: "Rosie, won’t you please come home. Your room is clean and there is no one’s in it. Also, dann sehe ich sofort dieses aufgeräumte Mädchenzimmer, Vater und Mutter, die sich Sorgen machen. Das Mädchen ist in die Stadt gegangen. Was macht sie da bloß? Was passiert mit ihr? Bei dem Song hab ich immer das Gefühl, ich hätte da mal einen Film gesehen. Ich hab da aber nie einen Film gesehen, sondern das kann der Song alleine, ja?"
Während andere Rockbands in den Sechzigerjahren Songs gegen das Establishment, über Sex und Drogenerfahrungen schreiben, handeln die Texte von Ray Davies, dem Sänger der Kinks, von alten Dampfloks und der britischen Königin Victoria.
Gnadenlose Gangsterchefin in der Serie "M - eine Stadt sucht einen Mörder"
"Lauter so Rückwärtsgewandtes, Englisch-Landhaus-Style. Welcher junge Engländer, der etwas auf sich hält, Mitte der 20, schreibt einen Hit über eine alte englische Königin? Und dieses komisch Spinnige, Englisch-Exzentrische, das imponiert mir so. Also dieses komische Beharren auf dem, was man da so machen will, obwohl das ja ein total erfolgsorientierter Popmusiker war. Also der saß ja jetzt nicht schrullig in seinem Wohnzimmer und hat gesagt: Egal was die da draußen hören wollen, ich mache hier meinen Miss Marple-Kram. Der wollte ja Hits produzieren."
Sophie Rois imponiert, dass die Kinks trotz ihrer Exzentrik zu den bedeutendsten Bands Großbritanniens zählen. Auch sie hat einen Hang zu eigenwilligen und radikalen Figuren, auf der Bühne und vor der Kamera. Aktuell ist sie in der Serien-Adaption des Fritz Lang-Klassikers "M – eine Stadt sucht einen Mörder" zu sehen. In der Rolle der gnadenlosen und sadistischen Gangsterchefin zwingt sie eine der Mitarbeiterinnen ihres Bordells zu einem blutigen Fellatio mit einem Kaktus. Als deren kleiner Sohn zur Tür herein kommt, schickt sie ihn weg mit den Worten: "Raus, die Mama muss arbeiten. Geh weg!"