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Schavan "ist eigentlich nicht der Typ, der doppelte und dreifache Spiele macht"

Die Zukunft von Bundesbildungsministerin Annette Schavan hänge vom Urteilsspruch der Düsseldorfer Universität über ihre Doktorarbeit ab, sagt der Bonner Politologe Gerd Langguth. Wenn sie ihren Titel verliere, werde sie sich trotz ihrer Freundschaft zu Angela Merkel kaum halten können.

Gerd Langguth im Gespräch mit Christine Heuer |
    Friedbert Meurer: Annette Schavan hat damals in einem Zeitungsinterview gesagt, sie schäme sich für Karl-Theodor zu Guttenberg, jetzt steht sie also selbst massiv unter Beschuss. Meine Kollegin Christine Heuer hat gestern Abend den Bonner Politikwissenschaftler Gerd Langguth gefragt, wie gravierend er denn die Vorwürfe gegen Annette Schavan einschätzt.

    Gerd Langguth: Also es ist schon gravierend, aber niemand kennt so richtig den Bericht, nur der "Spiegel" und die "Süddeutsche Zeitung". Und letztere hat ja geschrieben, dass Schavans Arbeit im Verhältnis zu Guttenbergs Arbeit eher ein Mosaik ist, während Guttenbergs Arbeit als Plagiatsteppich bezeichnet wird. Also ist schon ein kleiner Unterschied zwischen beiden Plagiaten. Aber es ist natürlich ein schwerwiegender Vorwurf, insbesondere weil es sich ja hier um die Ministerin handelt, die für Bildung und Wissenschaft zuständig ist.

    Christine Heuer: Bei Aberkennung des Doktortitels wäre das wahrscheinlich ein klarer Fall, dann müsste Annette Schavan zurücktreten. Was aber, Herr Langguth, wenn sie mit dem Vorwurf plagiierender Absicht davonkommt und den Titel behalten darf, darf sie dann auch Ministerin bleiben?

    Langguth: Also das hängt sehr davon ab, von den Gesamtumständen, was formuliert wird, und vielleicht wird ja auch zum Ausdruck gebracht, dass sie an einigen Stellen undeutlich gearbeitet hat mit den Quellen, dass sie paraphrasiert hat und anderes mehr. Wenn sie aber den Titel behält, dann vermute ich auch, wird sie Ministerin bleiben, weil ja auch die Kanzlerin, mit der sie ein vorzügliches Verhältnis hat, sich ja schon noch auch heute hinter sie gestellt hat.

    Heuer: Ja, sie hat gesagt, sie habe vollstes Vertrauen zu Annette Schavan, sie hat aber auch gesagt, wir warten mal die Reaktion der Universität ab. Sieht so volle Rückendeckung aus?

    Langguth: Ja, was soll man denn sonst sagen? Wenn die Bundesregierung in Gestalt der Bundeskanzlerin sagt, wir warten gar nicht ab, was die Hochschule sagt, dann würde es als mangelnder Respekt gegenüber den Gremien der Hochschule Düsseldorf angesehen werden. Also insofern, glaube ich, ist die Aussage von Frau Merkel durchaus verständlich.

    Heuer: Wird Angela Merkel Annette Schavan fallen lassen, wenn es eng wird?

    Langguth: Also es würde Merkel jedenfalls in diesem Falle schwerer fallen als etwa bei dem Freiherrn zu Guttenberg, denn Schavan ist eine gute Freundin von ihr, und da fällt es ihr sowieso sehr schwer.

    Heuer: Wir erinnern uns an Annette Schavans Umgang mit dem Fall Karl-Theodor zu Guttenberg, sie hat ja damals gesagt, sie schäme sich nicht nur heimlich, und wir erinnern uns auch an die Fernsehbilder einer – ich sage mal – sehr befriedigt wirkenden Annette Schavan, als sie von Guttenbergs Rücktritt erfuhr. Rächt sich das jetzt?

    Langguth: Ja, das rächt sich natürlich, aber möglicherweise ist Frau Schavan zu diesem Zeitpunkt gar nicht in den Gedanken gekommen, dass gegen sie mal eine Plagiatsuntersuchung eingeleitet würde.

    Heuer: Jetzt zeigt sich Annette Schavan empört – was wäre denn ein gutes Krisenmanagement? Was empfehlen Sie ihr in dieser Situation?

    Langguth: Also jetzt ist natürlich schon fast alles zu spät, weil auch die Universität ja die Dinge schon an die Öffentlichkeit gebracht hat, wer auch immer sie an die Öffentlichkeit gebracht hat. In dem heutigen Zeitalter des Fotokopierens lässt sich ja sowieso nicht verhindern, dass irgendwelche undichten Quellen sind. Sie hätte vielleicht früher das Gespräch mit dem Promotionsausschuss suchen sollen, sie hat ja gesagt, sie wolle erst einmal – was eigentlich auch richtig ist – abwarten, was die Untersuchungen sind.

    Jetzt kann sie eigentlich gar nichts mehr machen als wirklich abzuwarten und zu hoffen, dass für sie eine halbwegs günstige Regelung kommt. Es ist ja so, diese Dissertation ist ja vor 32 Jahren verfasst worden – ich glaube, sie war da so um die 25 oder 27 rum –, und diese Dissertation, die kränkelt ja wahrscheinlich auch bei bestimmten Paraphrasierungen von Wissenschaftsergebnissen von anderen. Und da gibt es viel Spielraum in der Beurteilung, was ist Plagiat, was ist kein Plagiat, und vielleicht hofft sie, dass der Promotionsausschuss zu einem anderen Ergebnis kommt wie der Erstgutachter – das weiß ich aber nicht.

    Heuer: Glauben Sie Annette Schavan?

    Langguth: Also ich glaube, dass sie überrascht ist. Sie ist eigentlich nicht der Typ, der doppelte und dreifache Spiele macht. Also sie ist sicherlich überrascht, dass ihr diese Vorwürfe gemacht werden. Nun liegt es auch lange zurück, und Politiker haben ja insgesamt ein hohes Verdrängungsvermögen.

    Heuer: Was meinen Sie damit?

    Langguth: Na ja, weil Politiker sind ja immer nur von der Jetzt-Zeit, von den zahllosen Verpflichtungen betroffen, die sie in der Gegenwart jeweils haben, und vielleicht hat sie gar nicht daran gedacht, dass das überhaupt jemals wieder hochkommen könnte, eine solche Geschichte, und sie hat ja seitdem – man muss ja auch sagen, bevor sie Ministerin wurde – auch vielfältige andere Sachen gemacht. Sie war ja auch unter anderem Leiterin des Cusanuswerks, das sich ja auch mit Begabtenförderung, auch mit Stipendien für Doktoranden befasst, und wahrscheinlich ging sie davon aus, dass sie sauber gearbeitet hat, davon bin ich schon überzeugt.

    Heuer: Ihre Prognose, Herr Langguth, zum Schluss: Schafft es Annette Schavan, wird sie im Amt bleiben, oder wird sie den Hut nehmen müssen?

    Langguth: Also das hängt sehr vom Urteilsspruch der Universität ab. Wenn sie glimpflich davonkommt, wird sie meines Erachtens Ministerin bleiben. Wenn sie nicht davonkommt, dann wird der Druck so stark, dass sie sich wird kaum halten können, trotz ihrer Freundschaft zu Angela Merkel.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.