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Schelfeis
Angriffsfläche für Meerwasser

Die Antarktis ist umgeben von einem Gürtel Eis, das auf dem Ozean schwimmt, aber von den Gletschern des Kontinents stammt. Ähnliches sieht man am Nordpol vor Grönland und den nordamerikanischen Inseln. Die Prozesse in diesem Schelfeis standen im Zentrum einer Konferenz in der Nähe Kölns.

Von Monika Seynsche |
    Georges Djoumna stammt aus dem Kamerun und forscht heute an der New York University Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Beide Länder sind sehr weit von seinem Studienobjekt entfernt – dem grönländischen Eispanzer.
    "Das Problem ist: Abu Dhabi liegt unterhalb des Meeresspiegels. Deshalb fördert die Universität Studien, die untersuchen, wie weit der Meeresspiegel ansteigen könnte. Die meisten großen Städte der Welt liegen an Küsten, viele von ihnen auf Meeresspiegelniveau. Sie haben ein großes Interesse an Studien über den Anstieg des Wassers."
    Georges Djoumna fährt jeden Sommer in den hohen Norden um zu untersuchen, weshalb Grönland so viel Eis an den Ozean verliert und damit den Meeresspiegel in die Höhe treibt. Ihn interessieren die Gletscher, die sich vom Eispanzer in die Fjorde hinaus schieben. Mit ihren Spitzen, den Gletscherzungen stoßen sie dabei ins Wasser. Einige der Eisströme haben in den vergangenen Jahren Fahrt aufgenommen und fließen immer schneller in den Ozean.
    "Es gibt Hinweise darauf, dass warmes Wasser bis auf das Kontinentalschelf schwappt, aber wir wissen sehr wenig darüber, wie es dann in die Fjorde hinein zu den Gletscherzungen gelangt. Also untersuchen wir, über welche physikalischen Prozesse die Wärme des Ozeanwassers in die oberen Schichten des Fjordwassers transportiert wird."
    Normalerweise ist das Oberflächenwasser der Fjorde durch das Eis und die niedrigen Lufttemperaturen sehr viel leichter und kälter, als das warme salzreiche und damit schwere Tiefenwasser, das vom Ozean heranströmt. Georges Djoumna und seine Kollegen konnten allerdings in den Fjorden einen Wärmetransport aus den tiefen in die oberen Wasserschichten feststellen. Dadurch kommen die Gletscherzungen in Kontakt mit relativ warmen Wasser und schmelzen leichter. Ähnliches vermutet Pierre Dutrieux vom Britischen Antarktis-Dienst auf der Südhalbkugel. Er interessiert sich für zwei Gletscher, die in der Westantarktis zum Meer strömen und dort in riesigen, auf dem Wasser schwimmenden Schelfeisplatten enden.
    "Der Pine Island und der Thwaites Gletscher tauchen seit etwa fünf Jahren immer wieder in den Schlagzeilen auf, weil sie sehr schnell in den Ozean fließen. Dadurch ist die Region der Antarktis, in der diese beiden Gletscher liegen, allein für zehn Prozent des aktuellen weltweiten Meeresspiegelanstiegs von etwa drei Millimeter pro Jahr verantwortlich. Sie wird seit vielen Jahren intensiv erforscht und heute sind wir überzeugt davon, dass der Ozean diese Veränderungen vorantreibt."
    Denn die Lufttemperaturen über diesem Teil der Antarktis, der Amundsenbucht, liegen bis heute unter 0 Grad Celsius, so dass die Oberfläche der Gletscher nicht schmelzen kann. Das Ozeanwasser in der Amundsenbucht aber ist ungewöhnlich warm und drängt sich unter die den Gletschern vorgelagerten Schelfeisplatten. Um herauszufinden, was dort passiert, schickte Pierre Dutrieux ein kleines unbemanntes U-Boot unter das Eis.
    "Es bewegte sich unter dem 500 Meter dicken und viele Kilometer langen Schelfeis und sammelte Messdaten über die Temperatur, den Salzgehalt und die Strömungen. Außerdem lieferte es uns Informationen über den Meeresboden und die Unterseite des Eises. Damit bekamen wir zum ersten Mal eine Vorstellung darüber, wie das Schelfeis von unten aussieht und welche Bedingungen dort herrschen. Das war sehr interessant."
    Pierre Dutrieux und seine Kollegen entdeckten dabei Strukturen, die sie an Landschaften in Indien oder China erinnerten. Das Schelfeis sieht von unten aus wie auf dem Kopf stehende Reisterrassen: es bildet ebene, stufenartige Flächen.
    "Auf den flachen Terrassen schmolz das Eis ebenmäßig nach oben. An den steilen Wänden der Stufen dagegen schmolz es sowohl nach oben als auch zur Seite. Dadurch bewegen sich die Wände, so dass sich das ganze Terrassensystem fortlaufend verändert."
    Noch weiß Pierre Dutrieux nicht, welche Auswirkungen die terrassenförmigen Strukturen auf den Rückzug der Eismassen haben. Er ist froh sie immerhin schon mal entdeckt zu haben. Ihre Bedeutung herauszufinden, sei der nächste Schritt.