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Schick, aber giftig

Fast ein Viertel der jährlich versprühten Pflanzengifte landen auf den Baumwollplantagen dieser Welt. Nach der Ernte wird die Baumwolle gesponnen, gefärbt und ausgerüstet - ebenfalls mit nicht immer gesunder Chemie. Die Alternative: Kleidung aus Bio-Baumwolle und fairem Handel.

Von Robert B. Fishman | 24.08.2009
    "Also das ist eine kleine Marke aus England, die heißt Jumble. Die produziert halt aus alten Textilien, zum Beispiel aus Hemden werden hier neue Röcke geschneidert oder man nutzt so gesehen ein fair-trade Bio-T-Shirt und verfeinert das, indem man nachträglich noch Sachen drannäht, um so gesehen, ja, mal etwas Schönes anzubieten."

    Thorsten Lehmküler verkauft in seinem Bielefelder Laden nicht nur T-Shirts und Röcke aus Recyclingmaterialien. Seit Berichte über die Ausbeutung in asiatischen Billigfabriken die Verbraucher erschrecken, bieten immer mehr Boutiquen so wie er Klamotten aus fairem Handel an, die möglichst aus giftfreier Bio-Baumwolle hergestellt sind. Im Internet gibt es zahlreiche Online-Shops, die sich auf fair gehandelte Kleidung aus Bio-Baumwolle spezialisiert haben. Die Hamburger Modejournalistin Kirsten Brodde hat ein ganzes Buch über Fair-Trade-Textilien geschrieben, das sich gut verkauft. Ladenbetreiber Thorsten Lehmkühler:

    "Der Unterschied ist, dass man genau nachvollziehen kann, wo die Sachen hergestellt sind. Das heißt, teilweise wurden die zum Beispiel in Kooperativen hergestellt, die den Arbeiterinnen und Arbeitern gehören, die dann auch selber über ihre Lohne, ihr Gehalt und ihre Arbeitszeiten bestimmen. Das ist natürlich ein Unterschied dazu, als wenn nur eine Fabrik von außen kontrolliert wird. Das ist so gesehen natürlich eine Kontrolle von innen, eine Art Selbstkontrolle, wo man natürlich davon ausgehen kann, dass man sich selber kontrolliert."

    Auch die großen Handelsunternehmen und Modekonzerne sind aufgewacht. "Wir nehmen die Proteste ernst und gehen den Fällen nach", versprechen Aldi und Metro nach den jüngsten Protesten der internationalen Kampagne für saubere Kleidung und des Bonner Südwind-Instituts. Diese berichten zum Beispiel, dass Näherinnen in Bangladesch umgerechnet 15 Euro verdienen - im Monat. In der Fabrik R.L. Demin, die unter anderem für Metro produziert, seien die Arbeiterinnen geschlagen worden, müssten an sieben Tage pro Woche insgesamt 97 Stunden arbeiten und hätten ihre Löhne oft gar nicht bekommen. Eine 18-jährige Arbeiterin sei gestorben, weil sie den Akkordstress nicht ausgehalten habe und nicht zu Arzt gehen durfte.

    Wenn solche Fälle bekannt werden, forschen die Großabnehmer - in diesem Fall Metro - nach. Aldi und viele andere haben sich der Business Social Compliance Initiative BSCI angeschlossen. Diese verpflichtet die Zulieferfabriken in China, Südamerika, Südasien und anderswo auf die Standards der Internationalen Arbeitsorganisation ILO und zur Einhaltung der Menschenrechte. Zu wenig, finden etwa die Kampagne für Saubere Kleidung und Ingeborg Wick vom Südwind Institut, die über die Zustände in den chinesischen Aldi-Zulieferfabriken kürzlich eine Studie veröffentlicht hat.

    "Die BSCI ist eine Unternehmensinitiative, die sich im Wesentlichen selbst kontrolliert. Sie hat zwar Beratungsmechanismen eingeleitet mit der Zivilgesellschaft. Da gibt es einige Nichtregierungsorganisationen, aber sie sind eben nicht auf derselben Entscheidungsstufe angesiedelt, wie die Unternehmen selbst, also im Grunde genommen ist das eher ein symbolischer Schritt, der nach außen demonstrieren soll, dass die Unternehmen darauf achten wollen, weil es diese Kritiken in der Öffentlichkeit gibt, aber ein effektiver Mechanismus ist das nicht".

    Wick fordert internationale Verträge und Gesetze, die Mindeststandards für die Arbeit in Fabriken festlegen.

    "Der wesentliche Punkt ist, dass in der Öffentlichkeit oft auch von Regierungen gesagt wird, beide Maßnahmen sind wichtig, die verbindlichen Schritte und dann zusätzlich auch noch die Privaten, aber dabei wird das verschobene Kräfteverhältnis in den letzten Jahren einfach negiert, dass immer mehr Richtung privat und Selbstverpflichtung und Freiwilligkeit geht und die Unternehmen Sturm laufen, sobald bekannt wird, dass da eine gesetzliche Verpflichtung entsteht und da ist meines Erachtens eben auch von uns auch sehr stark zu betonen, dass diese rechtlich verbindlichen Maßnahmen im Vordergrund stehen müssen."

    Wer nicht auf bessere Zeiten warten will, kann schon jetzt Kleidung aus ökologisch angebauter Baumwolle und aus fairem Handel kaufen. So vergibt TransFair in Köln sein Siegel "Fairtrade certified cotton" , heißt "geprüft fair gehandelte Baumwolle" an einzelne Kollektionen verschiedener Hersteller. Die Baumwollbauern bekommen zwischen 40 und 70 Prozent mehr für die Rohbaumwolle. Das Fair-Trade-Siegel kennen Verbraucher schon von Kaffee, Schokolade und vielen anderen Produkten.

    Das neue Label GOTS - Global Organic Textile Standard - garantiert zumindest, dass die verarbeitete Baumwolle aus ökologischem Landbau stammt. Außerdem achte man auf die Arbeitsbedingungen in den Verarbeitungsbetrieben. Das Problem hier wie bei den Handelskonzernen und Discountern: Ein Kleidungsstück durchläuft oft mehr als 20 Verarbeitungsschritte, häufig in mehreren verschiedenen Ländern, bis es in Deutschland im Laden hängt. Kontrollen sind deshalb aufwendig und teuer.

    "Wir müssen uns da natürlich auch auf die Siegel, auf die vielen, verlassen. Wenn so eine Firma wie Living Quest, die eigentlich eine sehr bekannte deutsche Naturfirma ist, wenn gar deutlich wird, wo halt Bio-Baumwolle nicht wirkliche Bio-Baumwolle war, bekommt diese Firma ein großes Problem. Also das war ja zum Beispiel vor Jahren so, als hess natur das Problem hatte, dass festgestellt wurde, dass ihre Produktionsbedingungen alles andere als gut waren, dann hatten die natürlich auch Umsatzeinbußen und sind jetzt auch Mitglied der fair-wear-foundation geworden,"

    weiß Ladenbesitzer Thorsten Lehmkühler.

    Die in den Niederlanden ansässige fair-wear-Stiftung beteiligt Gewerkschafter und Menschenrechtsorganisationen in den Ländern, in denen die Kleidung produziert wird, an ihren Entscheidungen. Sie gilt als strengste in Sachen "fairer Handel".

    Initiativen wie die Kampagne für Saubere Kleidung empfiehlt den Verbraucherinnen und Verbrauchern, beim Einkauf egal wo nach Herkunft und Herstellungsbedingungen der Ware zu fragen und Konzernen Protestmails zu schicken, wenn sie Waren aus ausbeuterischen Fabriken vertreiben. Vordrucke gibt es auf der Internetseite www.sauberekleidung.de.

    Dabei ist manches Fair-Trade-Kleidungstück keinesfalls teurer als Markenware. Unbedruckte Bio-T-Shirts gibt es schon für 15 Euro.