Schiedsrichter-Chef des DFB
Knut Kircher: "Ganz viele Verbesserungsmöglichkeiten"

Gleich vier deutsche Top-Schiedsrichter fallen aktuell verletzt aus. An einer zu hohen Belastung liege das nicht, sagte DFB-Schiedsrichter-Chef Knut Kircher im Dlf. Verbesserungspotenzial sehe er dagegen bei den Themen Handspiel-Regel und VAR.

Knut Kircher im Gespräch mit Benedikt Kaninski |
Knut Kircher als Schiedsrichter bei einem Traditions-Spiel in Stuttgart.
Knut Kircher pfiff insgesamt 244 Spiele in der Bundesliga und 128 Partien in der 2. Bundesliga. (picture alliance / Pressefoto Rudel / Herbert Rudel)
Robert Schröder, Patrick Ittrich, Deniz Aytekin oder Frank Willenborg: Viele deutsche Top-Schiedsrichter fallen aktuell verletzt aus. Ittrich bemängelte bereits öffentlich die zu hohe Belastung für die Unparteiischen und forderte Maßnahmen vom DFB.
DFB-Schiedsrichter-Chef Knut Kircher sieht die Gründe aber nicht in einer zu hohen Belastung: "Aus meiner persönlichen Sicht und dem, was ich an den Statistiken ablesen kann, liegt es nicht daran, dass wir jetzt eine größere Anzahl an Champions-League-Spielen, Europa-League-Spielen und Conference-League-Spielen haben. Sondern es sind zum Teil auch muskuläre Verletzungen, die schon länger dann auch mal gemacht gehören. Also wo man schauen muss, dass man danach nachhaltig länger gesund am Leistungssport teilhaben kann", sagte er im Deutschlandfunk. "Und ehrlich gesagt: Bei manchen Dingen kommt man in die Jahre. Man muss in seinen Körper reinhören und dadurch muss man natürlich auch seine eigene Belastung steuern."

"Jedes Spiel dient zum Lernen"

Durch die Verletzungen der Top-Schiedsrichter müssen nun andere Schiedsrichter nachrücken, auch in den unteren Ligen. Dabei haben Vereinsvertreter und Fans bereits die Schiedsrichter-Leistungen mitunter kritisiert. "Also wenn ich von der Bundesliga runterschaue in die zweite Liga, dann hat die Qualität meines Erachtens gar nicht gelitten. Und auch die 3. Liga hat gar nicht darunter gelitten. Wir kriegen in den GmbH-Profibereich sehr gut vorbereitete Schiedsrichter, die natürlich genauso wie die arrivierten Bundesliga-Schiedsrichter noch lernen müssen. Jedes Spiel dient zum Lernen und Erfahrung sammeln", sagte Kircher.
Nach nun sechs Spieltagen in der Bundesliga sieht Kircher aber auch noch "ganz viele Verbesserungsmöglichkeiten". Ein Thema sei eine einheitliche Linie beim Handspiel: "Da mussten wir am Anfang etwas nachbessern, auch in dem Verständnis, in der Klarheit der Anweisungen der Leitplanke, in der wir sitzen."

VAR auf "das Originäre zurückführen"

Ein anderes Thema sei der VAR: "Ich bin angetreten und habe gesagt, wir wollen weniger VAR-Eingriffe als zum gleichen Zeitpunkt der Vorsaison. Das haben wir in der ersten und zweiten Liga erreicht. Wichtig ist aber nicht die Anzahl der VAR-Eingriffe, sondern die Richtigkeit. Und vor allen Dingen es auf das Originäre zurückzuführen, klare und offensichtliche Fehlentscheidungen auf dem Platz zu korrigieren. Und da ist die Schwierigkeit: Was ist denn heutzutage klar und offensichtlich?"
Neu seit dieser Saison ist die Kapitänsregel. Also die Regel, dass nur noch der Kapitän einer Mannschaft mit dem Schiedsrichter reden darf. Funktionieren würde das aber noch nicht, sagete Kircher. "Da haben wir jetzt vor ein paar Tagen am Stützpunkt auch noch einmal die Gelegenheit ergriffen, den Schiedsrichtern der ersten und zweiten Liga zu sagen, dass wir da konsequenter agieren müssen. Wir fungieren als Vorbilder für den Amatuerbereich des Fußballs."

Challenge-System mögliche Alternative

Die italienische Serie C probiert nun ein neues Modell aus: den Video-Support. Trainer dürfen dort strittige Szenen wie Rote Karte, Tore oder Elfmeter challengen und der Schiedsrichter schaut sich diese Szenen noch einmal an. "Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das funktioniert. Wir werden das sehr genau beobachten", sagte Kircher. "Wenn dieses Challenge-System jetzt aufgemacht werden würde für die erste und zweite Liga, dann wird man sich Gedanken machen müssen zusammen mit der DFL und dem DFB. Und dann müssen sich die Vereine Gedanken machen. Weil das entscheidet nicht die Schiedsrichter-GmbH, sondern auch den VAR hat damals die DFL mit ihren 36 Proficlubs eingeführt. Die müssten dann auch entscheiden, ob sie ein Challenge-System einführen wollen."