Ob ihm das Pflaster in den USA zu heiß geworden sei? Das ist die erste Frage an Tad Patzek. Fast sieben Jahre lang war der Chemie-Ingenieur und Physiker Professor an der Universität von Texas in Austin. Jetzt lehrt er ganz woanders. In Saudi-Arabien. An der König-Abdullah-Universität ...
"Es gibt mehrere Antworten auf diese Frage. Ich gebe Ihnen die freundlichste. Es war Zeit für einen neuen Karriere-Schritt, für eine neue Herausforderung."
In Texas gab es zuletzt viel Wirbel um den gebürtigen Polen, der sein halbes Leben in den USA verbracht hat.
"Ich durfte mich darüber freuen, als linker Irrer beschimpft zu werden. Dabei hat man mir vorher immer vorgeworfen, ich stehe der Öl-Industrie nahe. Ja, das hat man davon, wenn man die Wahrheit sagt!"
Patzek gehörte zu einem Forscher-Team, das wissen wollte: Wie viel Schiefergas lässt sich wirklich aus den Lagerstätten in den USA gewinnen? Und stimmt es, was die zuständigen US-Fachbehörden sagen: Dass die Gas-Vorkommen für viele Jahrzehnte reichen und das Land dadurch noch lange energieautark sein wird?
Noch sind die Ergebnisse nicht abschließend veröffentlicht. Doch Patzek äußerte sich bereits dazu, und zwar gegenüber dem Fachmagazin "Nature":
"Es ist sehr viel Schiefergas vorhanden, und es wird auch noch mehr gefördert werden als heute. Kein Zweifel! Aber wenn es offiziell heißt, die Vorräte in den USA reichten für einhundert oder 200 Jahre, dann ist das einfach nicht wahr! 25 Jahre vielleicht. Aber hundert? Nein!"
Bis zu 20 Köpfe zählte die Arbeitsgruppe zeitweilig. Sie entwickelte neue Computermodelle mit einer höheren räumlichen Auflösung als bisher, um die Geologie und die Gas-Vorräte im Untergrund genau zu simulieren. Und das praktisch für jede geologische Formation und jeden Ort in den USA, an dem nach Schiefergas gebohrt wird oder noch gebohrt werden könnte.
So etwas sei vorher noch nie gemacht worden, sagt Patzek. Die US-Behörden verließen sich lediglich auf punktuelle Messungen und Hochrechnungen. Viele der ausgewiesenen Schiefergas-Vorkommen seien aber gar nicht ausbeutbar:
Politisch hoch brisantes Thema
"Nur ein kleiner Teil des Gases wird jemals gefördert werden. 15 Prozent vielleicht. Oder wenn es hochkommt 20. Und dann ist da noch die Frage der Wirtschaftlichkeit. Oft sind die zu erwartenden Förderraten nicht hoch genug, um dort Bohrungen zu beginnen. Viele Projekte, über die man nachdenkt, werden überhaupt nicht profitabel sein."
Klare Worte sind das. Kollegen aber gehen auf Distanz zu Patzek.
Studienleiter Scott Tinker schrieb sogar eine Art Entgegnung an "Nature". Darin betont er, dass es sich nur um vorläufige Ergebnisse handele, dass es noch mehr Simulationen gebe und die Materie sehr komplex sei. Auf eine Interview-Anfrage reagierte Tinker allerdings nicht. Andere Geologen antworteten, sie könnten oder wollten sich zu dem Thema nicht äußern. Vermutlich, weil die Sache politisch hochbrisant ist.
Hunderttausende Schiefergas-Brunnen in den USA gebohrt
Die bisherigen Erfahrungen zeigen jedenfalls, dass Schiefergas-Brunnen oft schneller versiegen als erwartet. Das hat geologische und technische Gründe. Experten wie René Peters von der niederländischen Forschungsorganisation TNO sprechen nicht umsonst von "unkonventionellem Erdgas":
"Unkonventionelles Gas steckt in Gesteinsschichten, die undurchlässig sind. Deswegen müssen sie durch Einpressen von Wasser aufgebrochen werden - durch das sogenannte Fracking. Gas kann man dann nur in diesen Abschnitten fördern. Die Produktion geht deshalb innerhalb von wenigen Jahren zurück. Oder noch früher. Das ist auch der Grund, warum in den USA Hunderttausende Schiefergas-Brunnen gebohrt wurden. Normales Erdgas dagegen holt man aus durchlässigem Sandstein. Da dauert es meist 20, 30 Jahre, bis die Produktion nachlässt."
Überraschungen gab es auch schon bei Explorationsbohrungen nach Schiefergas in Europa:
"Die ursprünglichen Schätzungen der Gas-Mengen in Polen sind um 90 Prozent nach unten korrigiert worden, nachdem man 65 Brunnen gebohrt hatte. In Großbritannien dagegen sieht es so aus, als sei mehr Schiefergas vorhanden als erwartet."
Auch Frankreich und Deutschland gelten als Länder mit größeren Vorkommen von Schiefergas. Verlässliche Zahlen über die Größe der Reservoire fehlen aber bisher.