An Superlativen fehlte es bei der Vorstellung der Machbarkeitsstudie zur Digitalisierung des deutschen Schienennetzes nicht. "Innovationsschub", "Quantensprung" oder doch eine "Revolution des Bahnbetriebs"? Die Studie des Wirtschaftsberatungsunternehmens McKinsey wurde vom Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur in Auftrag gegeben - und erste heute veröffentliche Ergebnisse zeigen, dass es möglich ist, das Schienennetz auf digitale Leittechnik umzustellen. Die Bahn sollte damit 2020 beginnen.
Im Detail geht es um die Installation der europäischen Leit- und Sicherungstechnik ETCS und auch digitaler Stellwerke. Für Guido Beermann, Staatssekretär im Verkehrsministerium, ist die Studie somit Rückenwind, denn im Koalitionsvertrag steht, dass bis 2030 deutlich mehr Verkehr auf die Schiene verlagert werden soll:
"McKinsey geht davon aus, dass mit Einführung dieser Plattform eine höhere Zuverlässigkeit und mehr Kapazität bei gleichzeitiger Reduktion der Betriebs- und Instandhaltungskosten erreicht werden kann. Damit könnte - ohne den Bau von zusätzlichen Gleisen - mehr Verkehr auf die Schiene verlagert werden. Zudem auch die Trassenpreise dauerhaft gesenkt werden."
Digitalisierung soll das System effizienter machen
Die Studie zeigt fünf ausgewählte Projekte auf, mit denen das neue Zeitalter eingeläutet werden soll. Vielbefahrene Strecken, die im Bahnjargon Knotenpunkte genannt werden und schon heute überlastet sind. Täglich fahren rund 40.000 Personen- und rund 5.000 Güterzüge im deutschen Schienennetz. Ein komplexes technisches, aber auch veraltetes System. Durch die neue Digitaltechnik kann soll es künftig besser und effizienter genutzt werden können, sagt Ronald Pofalla, Infrastrukturvorstand bei der Deutschen Bahn:
"Dieser volkswirtschaftliche Nutzen wird dazu führen, dass wir beim Bau der digitalen Schiene Deutschland am Ende bis zu 20 Prozent mehr Kapazität im Netz haben werden. Wir werden Verkehrsverlagerungen damit von der Straße auf die Schiene vornehmen können."
Durch die Digitaltechnik sollen die Züge in kürzeren Taktzeiten fahren können. Besonders für das derzeitige Sorgenkind des staatseigenen Konzerns, dem Güterverkehr, verspricht sich Pofalla neue Marktchancen.
Komplettumrüstung würde 28 Milliarden kosten
Die Bundesregierung will das Projekt Digitale Schiene unterstützen. Doch bislang ohne dabei konkrete Zahlen zu nennen. Laut McKinsey-Studie würden rund 28 Milliarden Euro für eine Komplettumrüstung des deutschen Schienennetzes benötigt. Stefan Krenz, Präsident von "Mofair", des Bündnisses für fairen Wettbewerb im Schienenpersonenverkehr, forderte denn auch mehr staatliche Förderung:
"Deshalb hoffen wir sehr, dass nicht nur die infrastrukturseitige, sondern auch die fahrzeugseitige Förderung aktiv verfolgt wird. Und eine 100-Prozent-Finanzierung der ETCS-On-Board-Units in den Zügen einschließlich der Umbau- und Zulassungskosten dann wirklich erfolgt."
Eine Zusage dafür bekam der Vertreter des Schienenverbandes heute allerdings nicht. Die Finanzierung des Projekts Digitale Schiene ist noch offen, doch angesichts der hohen Verschuldung des Bahnkonzerns wird eine Realisierung ohne staatliche Förderung kaum gelingen.