Als Chronistin an Bord beschrieb die französische Schriftstellerin Colette den Empfang des Luxusliners „Normandie“ im Mai 1935 mit triumphalen Worten: „Plötzlich ist die ungeduldige Stadt da. Flugzeuge in allen Farben und Tragschrauber umfliegen uns. Die Schreie der Menschenmenge an den Landungsbrücken vermischen sich mit denen der Sirenen, Fetzen der Marseillaise flattern im Wind."
Der elegante Ozeanriese legte auf seiner Jungfernfahrt von Le Havre nach New York die 5.500 Kilometer über den Atlantik in nur vier Tagen und drei Stunden zurück. Damit brach Frankreich den bestehenden Geschwindigkeitsrekord und übertrumpfte die konkurrierenden Reedereien aus Deutschland, England, Italien und den USA.
Mit gut 300 Metern Länge war die „Normandie“ das größte Passagierschiff der Welt, und vor allem ein Prestigeobjekt, sagt der Historiker des Deutschen Marinebundes Jann Markus Witt: „Damals drückte sich Nationalstolz und technische Überlegenheit nicht zuletzt auch in solchen Schiffen aus.“
Ein schwimmender Palast
Die „Normandie“ war auch von innen ein Prachtstück: Mit Gold, Marmor und edlen Hölzern hatten die renommiertesten Innenarchitekten Frankreichs nicht gespart. Ein Sonnendeck in 30 Metern Höhe, ein Wintergarten mit Wasserfall, mehrere Schwimmbäder, Tennisplätze und teure Ladenzeilen boten den Erste-Klasse-Passagieren den gewohnten Komfort. Eine Bibliothek, Theater- und Kinovorstellungen garantierten kulturelle Vielfalt und ein Chefkoch, der ebenso viel verdiente wie der Kapitän, kredenzte Haute Cuisine im lichtdurchfluteten Speisesaal.
Allein aus ästhetischen Gründen symbolisierte ein technisch nicht notwendiger, dritter Schornstein Schnittigkeit. Von Eleganz bis hinunter in die rauchlosen Maschinenräume, schwärmte Colette in ihrem Journal: „Hinter den runden Scheiben fließt ein beleuchteter, bernsteinfarbener Ölstrahl in die Kessel. Im Maschinenraum halten Asbestwände in gewaffeltem Weiß die tödliche Hitze in Schach.“
Vom Luxusliner zum Kriegsschiff
Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde die „Normandie“ zum Schutz vor Zerstörung oder einer Übernahme durch Deutschland im New Yorker Hafen in Sicherheit gebracht und 1941 von der US-Navy requiriert. Mit ihrer Größe bot sich die schwimmende Kleinstadt, die für 2000 Passagiere zugelassen war, für Truppentransporte an. „Die Amerikaner mussten große Mengen von Soldaten über den Atlantik bringen“, sagt Jann Markus Witt. Diese sollten in Großbritannien stationiert werden, um von dort aus die Invasion im von Deutschen besetzten Frankreich vorzubereiten.
Um 15.000 Soldaten unterbringen zu können, musste der Koloss entkernt und das Interieur ausgebaut werden. Am 9. Februar 1942 kam es bei Schweißarbeiten im „Grand Salon“ durch Funkenflug zu einem Brand. Tausende Schwimmwesten waren mit der leicht entflammbaren Naturfaser Kapok gefüllt und fingen Feuer. Nach wenigen Minuten stand das ganze Schiff in Flammen.
Das Ende der „Normandie“
Die Feuerlöscher seien nicht mehr einsatzfähig gewesen, erzählt Witt: „Man hat dann noch versucht, von Land und auch von See aus so viel Wasser auf das Schiff rauf zu spritzen, wie irgend ging.“
Die bleiverkleideten Stromleitungen seien ebenfalls geschmolzen und hätten die Abflüsse verstopft. Die Löschwassermassen konnten so nicht mehr abfließen und der ausgebrannte Passagierdampfer bekam Schlagseite bis er schließlich kenterte. Vier Jahre lang verrostete das trostlose Wrack im New Yorker Hafen.
Alfred Hitchcock baute es als eindrucksvolle Kulisse in seinem Film „Saboteure“ [*] ein. In See stach der einstige Stolz Frankreichs nicht mehr, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die „Normandie“ abgewrackt.
[*] An dieser Stelle haben wir einen falschen Titel korrigiert.