Man kann nicht behaupten, dass Calixto Bieito sich besonders für Schiller interessiert. Seine "Don Karlos"-Inszenierung, mit der er die Mannheimer Schiller-Tage eröffnete, zeigt eher seine Vorliebe für Sex, Gesang und große Bilder, also für die Oper, in der er ja hauptsächlich zu Hause ist. Wo ein deutscher Regisseur, selbst wenn er ein Schiller-Drama postmodern verhackstückt, sich wenigstens ansatzweise um Beziehungen, Konflikte und vielleicht sogar um Sprache kümmern würde, da stülpt Bieito eine These, eine Installations-Idee über das Stück, ein Klima, einen aktionistischen Gestus.
Vor allem aber macht er die Hauptfigur ganz klein: Karlos ist ein pubertierender Hip-Hopper mit begrenztem Horizont. Als seine Stiefmutter, die schöne Elisabeth von Valois, sich tatsächlich willig zeigt und die Brüste entblößt, lässt Karlos die Hosen runter und wartet, den Blick zum Himmel gewendet, was seinem Geschlechtsteil wohl nun widerfahren mag.
Mit diesem Buben-Sex ist die Figur schon erledigt. Auch die Pläne zur revolutionären Befreiung der Niederlande werden relativ schnell zu den Akten gelegt: wenn Papa Philipp, der König, mal richtig brüllt und prügelt, dann verzieht sich dieser Karlos widerstandslos zu seinen Kuscheltieren. Und Posas Brandrede dient eher der königlichen Erbauung und Kontaktanbahnung.
Calixto Bieitos Spanien ist ein riesiges, schwüles, surreales Gewächshaus, in dem die Stängel sprießen und gleich wieder beschnitten werden, ein Sadomaso-Garten, aus dessen Erde sich die Torfleichen erheben - mehr Bunuel als Schiller. König Philipp und die katholische Kirche führen ihr eisernes Regiment, erotisierte Frauen verheddern sich in Intrigen - die Eboli der Angels Bassas ist eine aufbegehrende, gedemütigte Furie. Bieito nutzt schroffe Györy-Ligeti-Dissonanzen und vor allem Verdis Requiem zur emotionalen Verdichtung: besonders der schöne, warme Sopran der Begonia Alberdi gibt der Aufführung eine zweite Dimension.
Die Aufführung hat viel Energie, aber wenig analytische Tiefe: die Weltpolitik kann nicht klappen, sagt Bieito, weil die königliche (und die bürgerliche) Familie pervers sind. Zu allem Überfluss wird der kleine Karlos am Ende zum Selbstmord-Attentäter präpariert - enttäuschte Liebe und politischer Frust führen offenbar zwangsläufig zu Hamas und El Kaida. Da wird Bieito dann aktualistisch und platt.
Auch die mit Spannung erwartete "Maria Stuart" der dänischen Regisseurin Katrine Wiedemann war kein Highlight, sondern entpuppte sich als konventionelles, allerdings handwerklich virtuoses Schauspielertheater - mit dunkel feministischem Ansatz. Elisabeth wie Maria sind weibliche Alpha-Tiere, die unter dem Würgegriff höfischer Männer leiden, aber zueinander nicht kommen können. Wiedemann hat das als Mutter-Tochter-Konflikt inszeniert: die ältliche Elisabeth wird auf dem Feld der Erotik von der jüngeren Maria geschlagen.
Das Festivalmotto, dem zufolge der Mensch nur da ganz Mensch sei, wo er spielt, wurde in seiner anarchischen Bedeutung nur vom Berliner "Helmi" ernst genommen, einer frischen Alternativtheatertruppe vom Helmholtz-Platz. Sie spielten mit Schaumstoffpuppen eine völlig trivialisierte , comicartige Version der "Räuber". Der Regisseur Florian Loycke:
- "Wir singen die ganze Zeit mit Kastratenstimmen und machen Britney-Spears-Lieder und so weiter. Die Räuber sind so eine Art Selbsthilfegruppe von so Integrationsfreaks, die alle von Komplexen gezeichnet sind. Es ist schon auch so eine surreale Melancholie vorhanden, hoffe ich. Also es ist nicht reines Monty-Python-Theater. Aber es hat natürlich davon auch was, ist klar."
Die übrigen Off-Theatermacher besetzten vor allem den öffentlichen Raum: der Regisseur Ulf Aminde stellte im Mannheimer Job-Center, früher Arbeitsamt geheißen, die Tristesse von Hartz-IV-Empfängern nach; Erik Pold holte Schiller-Themen in die Fußgänger-Zone; und die Spontantheatraliker von "Drama Köln" eröffneten ihre "Pension Schiller" diesmal in einem stillgelegten Erlebnis-Schwimmbad. Der Charme dieses Ortes, zwischen Damen-Sauna, Bikini-Bar und leerem Schwimmbecken, schlug das Gaukelspiel der anvisierten Schiller-Soap allerdings um Längen.
Vor allem aber macht er die Hauptfigur ganz klein: Karlos ist ein pubertierender Hip-Hopper mit begrenztem Horizont. Als seine Stiefmutter, die schöne Elisabeth von Valois, sich tatsächlich willig zeigt und die Brüste entblößt, lässt Karlos die Hosen runter und wartet, den Blick zum Himmel gewendet, was seinem Geschlechtsteil wohl nun widerfahren mag.
Mit diesem Buben-Sex ist die Figur schon erledigt. Auch die Pläne zur revolutionären Befreiung der Niederlande werden relativ schnell zu den Akten gelegt: wenn Papa Philipp, der König, mal richtig brüllt und prügelt, dann verzieht sich dieser Karlos widerstandslos zu seinen Kuscheltieren. Und Posas Brandrede dient eher der königlichen Erbauung und Kontaktanbahnung.
Calixto Bieitos Spanien ist ein riesiges, schwüles, surreales Gewächshaus, in dem die Stängel sprießen und gleich wieder beschnitten werden, ein Sadomaso-Garten, aus dessen Erde sich die Torfleichen erheben - mehr Bunuel als Schiller. König Philipp und die katholische Kirche führen ihr eisernes Regiment, erotisierte Frauen verheddern sich in Intrigen - die Eboli der Angels Bassas ist eine aufbegehrende, gedemütigte Furie. Bieito nutzt schroffe Györy-Ligeti-Dissonanzen und vor allem Verdis Requiem zur emotionalen Verdichtung: besonders der schöne, warme Sopran der Begonia Alberdi gibt der Aufführung eine zweite Dimension.
Die Aufführung hat viel Energie, aber wenig analytische Tiefe: die Weltpolitik kann nicht klappen, sagt Bieito, weil die königliche (und die bürgerliche) Familie pervers sind. Zu allem Überfluss wird der kleine Karlos am Ende zum Selbstmord-Attentäter präpariert - enttäuschte Liebe und politischer Frust führen offenbar zwangsläufig zu Hamas und El Kaida. Da wird Bieito dann aktualistisch und platt.
Auch die mit Spannung erwartete "Maria Stuart" der dänischen Regisseurin Katrine Wiedemann war kein Highlight, sondern entpuppte sich als konventionelles, allerdings handwerklich virtuoses Schauspielertheater - mit dunkel feministischem Ansatz. Elisabeth wie Maria sind weibliche Alpha-Tiere, die unter dem Würgegriff höfischer Männer leiden, aber zueinander nicht kommen können. Wiedemann hat das als Mutter-Tochter-Konflikt inszeniert: die ältliche Elisabeth wird auf dem Feld der Erotik von der jüngeren Maria geschlagen.
Das Festivalmotto, dem zufolge der Mensch nur da ganz Mensch sei, wo er spielt, wurde in seiner anarchischen Bedeutung nur vom Berliner "Helmi" ernst genommen, einer frischen Alternativtheatertruppe vom Helmholtz-Platz. Sie spielten mit Schaumstoffpuppen eine völlig trivialisierte , comicartige Version der "Räuber". Der Regisseur Florian Loycke:
- "Wir singen die ganze Zeit mit Kastratenstimmen und machen Britney-Spears-Lieder und so weiter. Die Räuber sind so eine Art Selbsthilfegruppe von so Integrationsfreaks, die alle von Komplexen gezeichnet sind. Es ist schon auch so eine surreale Melancholie vorhanden, hoffe ich. Also es ist nicht reines Monty-Python-Theater. Aber es hat natürlich davon auch was, ist klar."
Die übrigen Off-Theatermacher besetzten vor allem den öffentlichen Raum: der Regisseur Ulf Aminde stellte im Mannheimer Job-Center, früher Arbeitsamt geheißen, die Tristesse von Hartz-IV-Empfängern nach; Erik Pold holte Schiller-Themen in die Fußgänger-Zone; und die Spontantheatraliker von "Drama Köln" eröffneten ihre "Pension Schiller" diesmal in einem stillgelegten Erlebnis-Schwimmbad. Der Charme dieses Ortes, zwischen Damen-Sauna, Bikini-Bar und leerem Schwimmbecken, schlug das Gaukelspiel der anvisierten Schiller-Soap allerdings um Längen.