Die Machart ist nicht neu: Auf einer Leinwand über der Bühne gibt's einen fertigen Film zu sehen, darunter das Making-Of. Vor allem die Britin Katie Mitchell hat es in dieser Disziplin zur Meisterschaft gebracht. Aus Close-Ups von Gesten und Gesichtern verschiedener Darsteller setzt sie Figuren und Handlungen zusammen. Matthias Hartmann arbeitet ähnlich, nur weniger detailverliebt. Vor allem aber: Während das Ergebnis bei Mitchell meistens nach Arthouse- oder Autorenkino aussieht, peilt Hartmann eher den Action- und Abenteuerfilm an.
Während man oben auf der Leinwand Karl Moor und seine Räuberbande in den böhmischen Wäldern ihr Unwesen treiben sieht, agieren die Schauspieler drunter zwischen ein paar Baumstämmen im Bühnennebel. Oder stehen vor einem Greenscreen und werden in vorproduzierte Filmsequenzen eingeblendet, wo sie mit Kollegen aus der Konserve Dialoge führen. Das Ganze abgemischt mit fetter Filmmusik – fertig ist die Räuberpistole, die allerdings ein bisschen so aussieht wie ein Fernsehspiel, das gerne "Fluch der Karibik" sein würde.
Die Schauspieler auf der Bühne des Salzburger Landestheaters dürfen sich eine wenig wie Hollywoodstars fühlen. Entsprechend legen sie ihre Rollen an. Laurence Rupp tritt als Karl Moor mit der finsteren Entschlossenheit eines Action Heroes auf. Der Franz Moor von Emanuel Fellmer ist ein Filmschurke mit Freude an der Fiesheit und einem Schuss Irrsinn wie er im Drehbuch steht. Das stammt in diesem Fall von Friedrich Schiller.
Hartmann hat die "Räuber" geplündert
Teilweise zumindest. Matthias Hartmann hat die "Räuber" geplündert und sich das genommen, was er vom Stück brauchen kann. Die Dreiecks-Eifersuchts- und Lovestory zwischen Amalia, Karl und Franz, der dem Bruder die Braut ausspannen will. Und die Räuber-Action im Wald. Fehlt nur der Showdown zwischen den feindlichen Brüdern, den Schiller leider nicht geliefert hat, weshalb Hartmann den Script-Doctor spielen und das Finale selbst dazu dichten musste.
Schon die Live-Film-Abende von Katie Mitchell faszinierten vor allem durch ihre Machart und standen unter L'art-pour-l'art -Verdacht. Bei Matthias Hartmanns Fernseh-"Räubern" ist nun wirklich nicht mehr zu übersehen, dass es um die inhaltliche Auseinandersetzung mit einem Sturm- und Drang-Drama nicht geht. Den einstigen Burgtheater-Direktor und derzeitigen Kreativ-Chef des Red-Bull-Senders "Servus TV" interessiert Schiller nur als Plot-Lieferant fürs Popcorn-Kino.
Keine Frage, der Abend ist technisch anspruchsvoll. Kameras, Kulissen und Akteure müssen immerzu zur richtigen Zeit am rechten Ort sein. Damit das wie am Schnürchen läuft – und das tut es – bedarf es großer Kunstfertigkeit.
Nur mit Kunst sollte man das nicht verwechseln. Schon an der Wiener Burg, so hatte es meist den Anschein, wollte Matthias Hartmann das Publikum in seinen Inszenierungen nie mit unbequemen Gedanken behelligen.
Nun ist er dort angekommen, wo er am Besten aufgehoben scheint: in der Fernsehunterhaltung.