"Ich glaube von ganzem Herzen an die Vision der Propheten, eine Vision des Friedens für das ganze Land, das ich so sehr liebe!"
Der zentrale Satz in der Autobiografie von Schimon Peres, vielleicht sogar das Leitmotiv seines Lebens. Ein israelischer Politiker, der wie wenige andere sein Leben dem Staat Israel gewidmet hat.
Als Szymon Perski wurde er 1923 in Polen geboren. Wachsender Antisemitismus zwang die Familie dazu, nach Palästina auszuwandern. Es war sein Glück – denn die, die zurück blieben, wurden von den Nazis ermordet. Der junge Schimon betritt damals eine neue Welt:
"Im ewig grauen Wischnewa waren alle Juden, die ich kannte, unglaublich blass. Hier, unter diesen braungebrannten Männern mit ihren von der harten Landarbeit gestählten Körpern fühlte ich mich wie unter Helden. Ich wünschte mir nichts sehnlicher, als mich ihnen anzuschließen und einer von ihnen zu werden.[...] Als ich aus dem Boot stieg und das Land betrat, wusste ich, dass ich nach Hause gefunden hatte."
Peres will mitbauen an dem zionistischen Projekt, an dem jüdischen Staat, so wie es einst Theodor Herzl erträumt hatte. Bereits im Alter von 15 Jahren tritt er in einen Kibbutz ein, dort wird er politisch geprägt, er begegnet David Ben Gurion:
"David Ben Gurion war für mich nicht irgendjemand, er war eine Legende. Er war der Anführer des jüdischen Volkes im Mandatsgebiet Palästina, Philosoph und Stratege zugleich. [...]Seine Vision unseres künftigen Staates – sicher, demokratisch, sozialistisch – inspirierte mich, und die Entschlossenheit, mit der er dafür kämpfte, weckte große Bewunderung."
Ein Leben für Israel
Als Ben Gurion am 14. Mai 1948 den Staat Israel ausruft, ist Peres bereits sein Berater und enger Vertrauter. Später wird er alle wichtigen Staatsämter innehaben: dutzende Ministerposten, zwei Mal war er Regierungschef und am Ende – da war er schon über 80 – Staatspräsident. Sein ganzes Leben widmete er seinem Land, für sein Privatleben war da kaum Platz. Von seiner Frau Sonia lebte er in den letzten Jahren getrennt, als er 2007 noch Präsident wurde, wollte sie das alles nicht noch einmal mitmachen. In einem Interview sagte er später:
"Das Problem meines Lebens ist, dass ich erst der jüngste unter Älteren war. Heute bin ich der Älteste unter Jungen. Ich hatte nie die Gelegenheit, unter Gleichaltrigen zu leben. Ich kann nicht ausgehen, Café trinken, Freunde haben. Die, mit denen ich zusammengearbeitet habe, waren meine Freunde. Aber die haben natürlich ihr eigenes Privatleben."
Wenige Wochen vor seinem Tod mit 93 Jahren schrieb Peres seine Biografie zu Ende. Im hebräischen trägt sie den Titel: "Kein Platz für kleine Träume", der treffender ist als der deutsche, denn klein-Denken - das war nicht seine Sache:
Schimon Peres trieb Ende der 50er Jahre den Aufbau des israelischen Atomprogramms mit französischer Hilfe voran, als ihn jeder für verrückt erklärte. Mit empfindlichen Sparmaßnahmen holte er das Land in den 80er Jahren aus einer tiefen Wirtschaftskrise – und bezog dafür Prügel von allen Seiten. Und er forcierte als Verteidigungsminister 1976 die militärische Befreiungsaktion von über 250 Geiseln in Entebbe – als die Kabinettsmitglieder mehrheitlich mit den Terroristen verhandeln wollten:
"Als man mir sagte, eine Rettung sei unmöglich, beschloss ich dem Rat meines 1973 verstorbenen Mentors Ben-Gurion zu folgen: "Wenn ein Experte sagt, es ist unmöglich, such dir einen anderen Experten."
Viele seiner Vorhaben gelangen – oftmals gegen massiven Widerstand. Nur ein Traum erfüllte sich nicht: der Traum vom Frieden, dabei wäre er 1995 zum Greifen nah gewesen. Er und Ministerpräsident Jitzchak Rabin hatten den Osloer Friedensprozess vorangetrieben. Zusammen mit Palästinenserpräsident Jassir Arafat erhielten sie dafür 1994 den Friedensnobelpreis.
Persönliche Sicht auf 70 Jahre Staatsgeschichte
Detailreich beschreibt Peres in seinem Buch jenen 4. November 1995, der einer der dunkelsten seines politischen Lebens werden sollte: Bei einer der größten Friedensdemonstrationen des Landes wird Ministerpräsident Rabin an seiner Seite ermordet – von einem fanatischen Juden: Der Anfang vom Ende des Friedensprozesses.
Heute deutet nichts auf eine Wiederbelebung hin: An der Grenze zu Gaza kommt es seit Wochen zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. Die Palästinenser sind gespalten, mit den Nachbarn Syrien und dem Libanon befindet sich Israel seit Jahrzehnten im Kriegszustand. Und doch würde Peres auch heute an seiner Vision vom Frieden festhalten:
"Ein ums andere Mal haben wir erlebt, wie das Unmögliche zur Realität wurde.[...] Wer hätte nach dem Zweiten Weltkrieg zu träumen gewagt, dass nur zwei Jahre später Frankreich, Deutschland und Italien in einem friedlichen Bündnis zusammenarbeiten würden? Wie oft habe ich von Experten zu hören bekommen, dass ein dauerhafter Frieden mit Ägypten und Jordanien schlicht unmöglich sei. [...] Und doch bahnt sich der Frieden hartnäckig seinen Weg, ohne sich um die Zweifel der Experten zu kümmern. Ich glaube an die Unausweichlichkeit des Friedens."
Dabei war Schimon Peres nicht immer die friedensbewegte "Taube" in der israelischen Politik: In den ersten Jahrzehnten befürwortete er den Siedlungsbau im Westjordanland und war für die Politik der harten Hand während der Zweiten Intifada.
Sein Buch ist ein persönlicher Blick auf 70 Jahre israelische Staatsgeschichte. Es liest sich spannend wie ein Roman und verbindet große Weltpolitik mit kleinen Anekdoten. Es gibt Einblicke in die verborgenen Welten von Diplomatie und Geheimdienst. Und es zeichnet das Bild eines Mannes, dessen Handeln geprägt war von der Liebe zu seinem Land und der Sorge um seine Existenz. Ein Staatsdiener im allerbesten Sinne. Das Buch: Ein Appell an die künftigen Generationen, den Glauben an einen Frieden nicht zu verlieren – so unwahrscheinlich er aus heutiger Perspektive auch scheinen mag.
Schimon Peres: "Mein Leben für Israel. Über Mut, Verantwortung und die Kraft der Träume",
S. Fischer Verlag, 288 Seiten, 24 Euro.
S. Fischer Verlag, 288 Seiten, 24 Euro.