Stefan Koldehoff: Ob er mit dieser Reaktion gerechnet hat, der deutsche Literatur Nobelpreisträger Günter Grass? Ob er gewusst hat, welch harscher Kritik er sich heute zu stellen hat und das nicht allein in Deutschland, sondern europaweit? Er sei am Ende des Krieges nicht nur wie bislang dargestellt Flaghelfer, sondern Mitglied der Waffen-SS gewesen. Das hatte Grass am Samstag in einem lauschigen Interview unter Bäumen der FAZ mitgeteilt. Wie Grass das schon häufig getan hat, wenn ein neues Buch bevor stand, rief er ihm getreue Journalisten zusammen und verkündete ihnen, was für die eine oder andere Schlagzeile sorgen könnte. So auch jetzt wieder kurz vor Erscheinen seiner Lebenserinnerungen. Diesmal ist es aber nicht hauptsächlich ein besänftigendes "Naja, mit 17 am Ende des Krieges" das der Dichter quer durch die Feuilletons zu hören bekommt, er erntet vor allem Kritik für den reichlich späten Zeitpunkt seines Bekenntnisses. Der, so eine Reihe von Stimmen, diskreditiere die moralischen Ansprüche, die Grass an andere gestellt habe. Ein versprengter CDU-Abgeordneter, der Grass´ Kritik an Adenauer und der "Schwamm-drüber-Mentalität" seiner Zeit wohl nicht erträgt, fordert gar die Rückgabe des Nobelpreises. Mindestens Einer war über die Zugehörigkeit von Günter Grass zur Waffen-SS nicht überrascht, sein österreichischer Schriftstellerkollege Robert Schindel nämlich. Herr Schindel, seit wann wussten Sie davon?
Robert Schindel: Er hat es in einem Gespräch, ich weiß jetzt nicht mehr in Hamburg oder bei der Gruppe 47, also das wäre dann erst 1991 gewesen, hat er es im Beisein von einigen Schriftstellerinnen und Schriftstellern und ich war eben auch dabei, erzählt. Und hat allerdings, wir waren dann auch gleich wieder weg von diesem Thema, denn wir wussten ja alle, dass das ja nichts Besonderes ist, dass ein 17-Jähriger rekrutiert wird im letzten Kriegsjahr, nachdem er sich freiwillig irgendwo hingemeldet hat und dort nicht hin konnte, hat man diese freiwilligen Meldungen gleich genommen um ihn zur Waffen-SS zu rekrutieren.
Koldehoff: Ist das auch der Grund dafür gewesen, dass man es nach diesem Gespräch, dem Sie beigewohnt haben, nicht groß thematisiert hat?
Schindel: Nein, das war überhaupt nicht überraschend und es war gleich wieder vom Tisch. Er hat das irgendwie gesagt und man hat "aha" gesagt und " wie war das?" und " wo warst du da?" oder so etwas, da kann ich mich an die Einzelheiten schon gar nicht mehr erinnern und dann haben wir schon über andere Sachen wieder gesprochen.
Koldehoff: Was glauben Sie denn, warum Grass das Thema jetzt noch mal aufgegriffen hat, zufällig einige Wochen vor Erscheinen seines neuen Buches. Ist das Kalkül? War das wirklich so etwas wie ein innerer Druck? Was glauben Sie?
Schindel: Ich habe das damals ja vielleicht unterschätzt. Für ihn persönlich, der so ein untadeliges Leben gelebt hat, ein unopportunistisches und auch vorbildhaftes für sehr, sehr viele Leute in der Bundesrepublik und in Österreich, der auch immer gegen den Strom geschwommen ist. Der auch mutig und couragiert sein ganzes Leben lang war. Für ihn war das, glaube ich eine gewisse Wunde, ein Makel, dass er irgendwie dann nicht nur in privaten Gesprächen, sondern auch öffentlich machen wollte. Und ich finde das hervorragend und es spricht für ihn, dass er quasi eine Bilanz zieht und bei dieser Bilanz kommt auch das vor, dass es damals durch diese Zeitumstände so ist, dass er dann da dabei war. Und ich finde höchsten Respekt, dass er das ausspricht und ich würde ihm niemals unterstellen, dass er das aus Verkaufsgründen oder so etwas macht.
Koldehoff: Seine Kritiker werfen ihm heute vor, dass es mehrfach schon Gelegenheit gegeben hätte, diese Einberufung, Mitgliedschaft, wie immer man es werten möchte, bekannt zu geben, beispielsweise 1985 als es große Kritik daran gab, dass Bundeskanzler Helmut Kohl mit dem amerikanischen Präsidenten Reagan auf einen Friedhof in Bittburg gegangen ist, auf dem auch SS-Mitglieder bestattet worden sind. Auf der anderen Seite sagt man, dass er jetzt erst damit rauskommt, das diskreditiert ein wenig seine Kritik an der Vergangenheitsbewältigungen in Deutschland. Stimmen diese Vorwürfe?
Schindel: Ich glaube nicht, dass sie stimmen. Es ist doch ein Menschenrecht für jeden einzelnen sozusagen mit den Problemen, die man in seinem Leben gehabt hat dann heraus zu rücken, wenn man es selber für passend und richtig findet und nicht wenn die anderen, die Moralkeulenschwinger es von einem verlangen. Manche Sachen müssen reifen, die tun weh, die eitern in der Seele, es dauert eine Zeit und irgendwann ist es reif und dann wird es gesagt und ich finde, höchsten Respekt, dass er es überhaupt gemacht hat. Und der Zeitpunkt, dass er es so spät gemacht hat, spricht ja dafür, er hat sich die Sache nicht leicht gemacht und er hat erst zu diesem Zeitpunkt öffentlich gemacht, als er vielleicht auch selber damit umgehen kann.
Koldehoff: Hätte er es überhaupt sagen müssen?
Schindel: Ich finde für ihn selber ist es am Besten, dass er es gemacht hat, weil ich glaube, es wird ihm jetzt auch besser gehen, trotz dieser Kritik. Und ich muss Ihnen etwas sagen, ich verstehe nicht, wie wir sozusagen, ganz bestimmte Dinge, die auch persönliche Sachen von Leuten sind, von anderen, ja die moralinsauer bewertet werden. Wie kann man tatsächlich ihm vorwerfen, etwas, was die Kritiker selber nie gemacht hätten in ähnlicher Lage oder sie waren zu jung wie Karasek, der aus einem schweren Nazi-Elternhaus kommt und seine Autobiografie ist jetzt zehn Jahre alt. Die hat er auch nicht 1958 geschrieben. Das heißt jeder muss selber den Zeitpunkt bestimmen, wo er mit den Belastungen seines Lebens und seiner Biografie fertig werden wird.
Koldehoff: Der österreichische Schriftsteller Robert Schindler zum Fall Günter Grass.
Robert Schindel: Er hat es in einem Gespräch, ich weiß jetzt nicht mehr in Hamburg oder bei der Gruppe 47, also das wäre dann erst 1991 gewesen, hat er es im Beisein von einigen Schriftstellerinnen und Schriftstellern und ich war eben auch dabei, erzählt. Und hat allerdings, wir waren dann auch gleich wieder weg von diesem Thema, denn wir wussten ja alle, dass das ja nichts Besonderes ist, dass ein 17-Jähriger rekrutiert wird im letzten Kriegsjahr, nachdem er sich freiwillig irgendwo hingemeldet hat und dort nicht hin konnte, hat man diese freiwilligen Meldungen gleich genommen um ihn zur Waffen-SS zu rekrutieren.
Koldehoff: Ist das auch der Grund dafür gewesen, dass man es nach diesem Gespräch, dem Sie beigewohnt haben, nicht groß thematisiert hat?
Schindel: Nein, das war überhaupt nicht überraschend und es war gleich wieder vom Tisch. Er hat das irgendwie gesagt und man hat "aha" gesagt und " wie war das?" und " wo warst du da?" oder so etwas, da kann ich mich an die Einzelheiten schon gar nicht mehr erinnern und dann haben wir schon über andere Sachen wieder gesprochen.
Koldehoff: Was glauben Sie denn, warum Grass das Thema jetzt noch mal aufgegriffen hat, zufällig einige Wochen vor Erscheinen seines neuen Buches. Ist das Kalkül? War das wirklich so etwas wie ein innerer Druck? Was glauben Sie?
Schindel: Ich habe das damals ja vielleicht unterschätzt. Für ihn persönlich, der so ein untadeliges Leben gelebt hat, ein unopportunistisches und auch vorbildhaftes für sehr, sehr viele Leute in der Bundesrepublik und in Österreich, der auch immer gegen den Strom geschwommen ist. Der auch mutig und couragiert sein ganzes Leben lang war. Für ihn war das, glaube ich eine gewisse Wunde, ein Makel, dass er irgendwie dann nicht nur in privaten Gesprächen, sondern auch öffentlich machen wollte. Und ich finde das hervorragend und es spricht für ihn, dass er quasi eine Bilanz zieht und bei dieser Bilanz kommt auch das vor, dass es damals durch diese Zeitumstände so ist, dass er dann da dabei war. Und ich finde höchsten Respekt, dass er das ausspricht und ich würde ihm niemals unterstellen, dass er das aus Verkaufsgründen oder so etwas macht.
Koldehoff: Seine Kritiker werfen ihm heute vor, dass es mehrfach schon Gelegenheit gegeben hätte, diese Einberufung, Mitgliedschaft, wie immer man es werten möchte, bekannt zu geben, beispielsweise 1985 als es große Kritik daran gab, dass Bundeskanzler Helmut Kohl mit dem amerikanischen Präsidenten Reagan auf einen Friedhof in Bittburg gegangen ist, auf dem auch SS-Mitglieder bestattet worden sind. Auf der anderen Seite sagt man, dass er jetzt erst damit rauskommt, das diskreditiert ein wenig seine Kritik an der Vergangenheitsbewältigungen in Deutschland. Stimmen diese Vorwürfe?
Schindel: Ich glaube nicht, dass sie stimmen. Es ist doch ein Menschenrecht für jeden einzelnen sozusagen mit den Problemen, die man in seinem Leben gehabt hat dann heraus zu rücken, wenn man es selber für passend und richtig findet und nicht wenn die anderen, die Moralkeulenschwinger es von einem verlangen. Manche Sachen müssen reifen, die tun weh, die eitern in der Seele, es dauert eine Zeit und irgendwann ist es reif und dann wird es gesagt und ich finde, höchsten Respekt, dass er es überhaupt gemacht hat. Und der Zeitpunkt, dass er es so spät gemacht hat, spricht ja dafür, er hat sich die Sache nicht leicht gemacht und er hat erst zu diesem Zeitpunkt öffentlich gemacht, als er vielleicht auch selber damit umgehen kann.
Koldehoff: Hätte er es überhaupt sagen müssen?
Schindel: Ich finde für ihn selber ist es am Besten, dass er es gemacht hat, weil ich glaube, es wird ihm jetzt auch besser gehen, trotz dieser Kritik. Und ich muss Ihnen etwas sagen, ich verstehe nicht, wie wir sozusagen, ganz bestimmte Dinge, die auch persönliche Sachen von Leuten sind, von anderen, ja die moralinsauer bewertet werden. Wie kann man tatsächlich ihm vorwerfen, etwas, was die Kritiker selber nie gemacht hätten in ähnlicher Lage oder sie waren zu jung wie Karasek, der aus einem schweren Nazi-Elternhaus kommt und seine Autobiografie ist jetzt zehn Jahre alt. Die hat er auch nicht 1958 geschrieben. Das heißt jeder muss selber den Zeitpunkt bestimmen, wo er mit den Belastungen seines Lebens und seiner Biografie fertig werden wird.
Koldehoff: Der österreichische Schriftsteller Robert Schindler zum Fall Günter Grass.