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Schinderei im Inselparadies

Puderzucker-Sand, 30 Grad, Palmen, türkisblaues Wasser und atemberaubende Tauchgründe: Wer auf die Malediven fliegt, macht dort Urlaub. Anders Johannes Rabl: Der Hotelmanager trainiert für den Triathlon im bayerischen Roth – auf der Paradiesinsel, auf der er arbeitet.

Von Bernhard Krieger |
    Nach dem Start in Male zieht das Wasserflugzeug an den Hochhäusern der Hauptstadt vorbei. Kurs Nordwest – direkt über das Nordmale-Atoll hinweg. Die Tür zum Cockpit steht offen – die Pilotin in weißer Bluse und blauen Bermudashorts fliegt barfuß. Unten tauchen schier unendlich viele winzige Inseln mit Sandstränden und Palmen auf – an den Riffen brechen sich die Wellen des Indischen Ozeans. In den Lagunen kann man durch das türkis schimmernde Wasser bis auf den Meeresgrund schauen. Ein Paradies für Urlauber – nicht aber für Triathleten. Als Johannes Rabl auf seiner gerade mal 400 Meter breiten und zwei Kilometer langen Insel sein Training für Roth begann, haben ihn seine Mitarbeiter für verrückt erklärt:

    "Das haben sie zumindest am Anfang. Die Malediven sind bekannt für Volleyball. Das ist der Nationalsport hier im Lande, aber Langstreckensport gibt es nicht. Ich bin der einzige Triathlet im Land."

    Der einzige Triathlet der Malediven mag er sein, verrückt aber ist er nicht. Sein Trainingsplan ist professionell, seine Disziplin beeindruckend. Ein Jahr lang hat der Mann aus dem Bayerischen Wald fast jeden Tag trainiert, insgesamt 20 Stunden pro Woche - und das auf dieser winzigen Insel. "Allenfalls ein Bierdeckel sei ein noch schwieriges Trainingsrevier", sagt der Cheftrainer der Deutschen Triathlon Union Ralf Ebli. Keine der drei Disziplinen konnte der 34-Jährige optimal trainieren. Nicht mal Schwimmen.

    Mit stets rund 30 Grad ist das kristallklare Wasser grandios zum Baden und Schnorcheln. Sanft laufen die Wellen auf das von Palmen gesäumte Ufer. Die fast schon unwirklich schönen Strände bilden die Kulisse für die Urlaubsinszenierung von Gästen aus aller Welt, allen Kulturen und allen Religionen. Europäerinnen in knappen Bikinis räkeln sich da in der Sonne, während ein Araber mit seiner fast komplett verhüllten Frau vorbeischlendert. Ein japanisches Pärchen auf Hochzeitsreise fotografiert sich gegenseitig in der Lagune - klischeemäßig! Alles passt ins Bild des entspannt-trägen Urlaubsidylls - nur der Triathlet nicht, der sich mit kraftvollen Schritten in die Fluten stürzt. Rabl geht nicht planschen, er schwimmt knapp vier Kilometer dreimal die Woche auf Zeit. In dem warmen Wasser ist das kein Vergnügen. Auch die Wellen machen ihm zu schaffen. Dafür hat der Viechtacher jedoch wunderbare Trainingsgenossen: Riffhaie und Adlerrochen. Ab und an kreuzt auch mal eine Schildkröte seine Bahn. So fällt das Schwimmen leicht – ganz anders als das Radtraining.

    Weil er auf den Sandwegen nicht Rennradfahren kann, trainiert Rabl im Fitnesscenter. Manchmal sitzt er dort mehr als viereinhalb Stunden im Sattel – und kämpft gegen die Langeweile:

    "Und das passiert - wie gesagt - alles im Fitnessraum auf einer Rolle. Allerdings sind der Fantasie keine Grenzen gesetzt. Das heißt: Ab und zu stellt man sich dann vor, schon in Roth auf der Rennstrecke zu radeln. Mann kann die Fantasie schon schweifen lassen. Aber wie gesagt: Die Leidenschaft muss schon da sein und der Wille, zu kämpfen. Zu kämpfen ist schon sehr, sehr wichtig."

    Vor allem auch beim Lauftraining: Auf den Malediven ist es fast immer schwül und mindestens 30 Grad heiß. Den Touristen bricht schon auf dem Weg vom Strand zur Bar der Schweiß aus.

    In der Bar sitzen die Gäste bei kühlen Drinks und vermeiden jede überflüssige Bewegung – derweil läuft Rabl über die Insel. Und das fast täglich. Samstags sogar 20 Kilometer im Renntempo und sonntags morgens um halb fünf noch mal 35 Kilometer – und das immer auf derselben Strecke:

    "Die ist drei Kilometer lang. Sie ist sozusagen die Autobahn der Insel: Sie ist geradeaus, relativ breit und der Untergrund ist auch relativ gut zum Laufen. Aber wenn man da an einem Sonntag einen 35-Kilometer-Lauf einplant, dann kann einem schon schwindelig werden."

    Rabl rennt schweißgebadet über die Palmen-Allee - viele Gäste lassen sich derweil wegen der Hitze lieber mit dem Golfkart von ihrer Luxusvilla ins Spa chauffieren. Ohne die schattenspendenden Palmen wäre die Hitze beim Laufen unerträglich. Da kann sich Rabl bei den Resort-Planern bedanken. Die haben nämlich Tausende Palmen auf die Insel gebracht:

    "Ich habe Geschichten gehört, dass es insgesamt 28.000 Bäume waren, die verpflanzt wurden, und ich habe Bilder gesehen von kurz nach der Eröffnung. Da hat sich natürlich einiges getan. Es ist wieder eine schöne Dschungel-Insel geworden. Die Natur holt sich langsam die Insel wieder zurück. Die Insel ist sehr grün, die Tiere kommen zurück. Wir hatten letztes Jahr Schildkröten, die hier wieder Eier abgelegt haben. So langsam sind wir wieder Teil der Natur – so, wie es auch vorher war."

    In seiner mittlerweile ganz natürlich wirkenden Urlaubskunstwelt trainiert Rabl, wann immer es der Job zulässt. Zur Not zu jeder Tages- und Nachtzeit und auch mal schnell zwischendurch. Wenn am Bootssteg der Willkommensgong geschlagen wird, eilt der Bayer zur Begrüßung neuer Gäste an den Steg. Ausnahmsweise weht eine starke Brise – die Palmenblätter rascheln im Wind.
    Die Gäste genießen die kühlende Brise beim Abendessen am Strand, Rabl nutzt sie für einige schnelle Intervall-Läufe. Das üppige Buffet fällt für ihn heute aus. Nicht schlimm, meint er. Der Triathlon helfe, den vielen Verlockungen des Resorts auch mal zu widerstehen, erzählt der durchtrainierte Athlet auf der Party am Strand. Während die Urlauber verträumt dem Gesang der Malediver lauschen, denkt Rabl an Roth und sein großes Ziel dort:

    "Ankommen ist das Wichtigste! Und je näher ich dann an die Zehn-Stunden-Marke herankomme, desto glücklicher bin ich. Wenn es irgendwie unter zehn Stunden geht, dann wäre das schon ganz hervorragend. Aber davon gehe ich nicht aus."

    Eine gute Zeit in Roth wäre die Belohnung für die Schinderei auf der Insel, die für einen Triathleten manchmal die Hölle sein kann. Für die Urlauber, die mit dem Wasserflugzeug die Heimreise antreten, ist sie ein Paradies.