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Schizophrenie
Neue Tests für Psychopharmaka

Fast alle Medikamente gegen Schizophrenie basieren auf einem alten Wirkprinzip, das immer mehr Forschern nicht mehr zeitgemäß erscheint. Mediziner aus den USA fordern deshalb, die klinischen Tests für neue Medikamente radikal zu verändern. Womöglich seien auch wirksame Substanzen fälschlicherweise durchgefallen.

Von Katrin Zöfel |
    Eine verzweifelte junge Frau hockt auf einem Bett. Im Vordergrund: Tabletten.
    Medikamente gegen Schizophrenie wirken nur gegen die Symptome, kritisieren Mediziner. (picture-alliance/ dpa - Maxppp Bertrand Bechard)
    Anthony Grace erforscht seit mehr als 30 Jahren, wie Schizophrenie entsteht und wie man sie behandeln kann. Seine Arbeit ist frustrierend. Sämtliche Medikamente, die seit den 1950er-Jahren gegen die Krankheit entwickelt wurden, funktionieren mehr oder weniger nach demselben Prinzip. Sie blockieren Dopamin-Rezeptoren im Mittelhirn, ganz oder teilweise. Damit lassen sich viele Symptome tatsächlich bekämpfen. Doch nach allem, was man heute über die Entstehung der Krankheit wisse, sei klar: Ein Problem an der Wurzel zu packen, sähe anders aus.
    "Die Medikamente greifen nicht dort ein, wo tatsächlich zuerst etwas schief läuft, sondern erst viel später. Das ist etwa so, als wollte man ein Auto, das zu schnell fährt, bremsen. Aber statt einfach den Fuß vom Gas zu nehmen, schneidet man die Benzinleitung durch."
    Neues Wissen für neue Medikamente
    Grace, der an Universität von Pittsburg arbeitet, und viele seiner Kollegen vermuten die Ursache für Schizophrenie nicht mehr im Mittelhirn, sondern im Hippocampus und damit etwa fünf neuronale Schaltstellen vom Mittelhirn entfernt. Und es gibt Versuche, das neue Wissen in neue Medikamente umzusetzen. Doch bisher sind alle Kandidaten, die im Tierversuch vielversprechend schienen, in klinischen Tests an Patienten durchgefallen. Die Vermutung, dass liege daran, dass die Tiermodelle und der Mensch einfach zu unterschiedlich seien, drängt sich auf. Aber das, so Anthony Grace, sei nicht das eigentliche Problem:
    "Klinische Tests mit Patienten laufen anders ab als unsere Versuche am Tiermodell. Die Tiere haben, bevor sie die Testsubstanz bekommen, noch nie andere Medikamente bekommen. Die Patienten dagegen haben meist schon Jahre der Medikation hinter sich. Diese Medikation wird dann für eine Woche ausgesetzt, dann bekommen die Patienten die neue Substanz. Und die Substanz versagt."
    Die Hirnchemie der Patienten werde durch das jahrelange Medikamente-Nehmen verändert. Das Hirn reagiere auf die Behandlung, durch die die Dopaminrezeptoren blockiert werden, einfach, indem es mehr Rezeptoren bilde. Deshalb seien die Patienten in den Tests unempfindlich gegenüber den neuen Substanzen. Seine Hypothese überprüfte er, indem er Versuchsratten einer ähnlichen Prozedur aussetzte:
    "Wir geben unseren Ratten Haldol. Das ist ein altes, aber immer noch beliebtes Antipsychotikum. Das bekommen die Tiere drei Wochen lang, dann setzen wir es wieder ab, warten eine Woche, und probieren aus, ob unser neues Medikament in diesen Tieren wirkt. Das Ergebnis: Es wirkt nicht."
    Die Laborratten, mit denen Anthony Grace arbeitet, kommen schon mit Hirnschäden und schizophrenie-ähnlichen Verhaltensstörungen zur Welt, weil Grace die Muttertiere mit einem Zellgift behandelt. Das neue Medikament kann diese Ratten normalerweise von ihren Symptomen befreien.
    Vorbild Krebsforschung
    Philip Corlett von der Yale School of Medicine hat auf solche Studien wie die aus Pittsburgh regelrecht gewartet. Auch er vermutet schon einige Zeit, dass jahrelange Medikation das Gehirn menschlicher Patienten so verändert, dass sie auf neue Medikamente gar nicht oder nur verzögert reagieren. Sein Vorschlag für bessere klinische Tests orientiert sich an der Krebsforschung:
    "Mit Krebs wird ja ganz anders umgegangen. Sobald jemand krank wird und seine Diagnose hat, bekommt er die Möglichkeit an klinischen Studien teilzunehmen, also völlig neue, zwar sicher, aber noch nicht zu Ende getestete Medikamente auszuprobieren. In der Psychiatrie machen wir das nie. Ich denke, wir sollten es tun."
    Mit anderen Worten: An klinischen Tests sollten auch Patienten teilnehmen, die die Diagnose "Schizophrenie" gerade erst bekommen haben, die also noch nicht lange in Behandlung sind, und deren Gehirn daher vielleicht auf Medikamente reagiert, die bei Langzeit-Patienten versagen.