"Es ist nicht wahr, dass Waterloo verloren ging, weil mir die Hämorrhoiden wehtaten. Die Schlacht ging daneben, weil ich drei Fehler gemacht habe. Grouchy war zu langsam, Guihut griff zu früh an, Ney hörte auch nicht auf mich. - Und Blücher und Wellington. - Der besonders! - Lauter falsche Leute! - Und der Regen! Ziehen Sie mich nicht auf, Flahaut! - Es war der Regen, Sire!"
Was auch immer es war, wodurch Napoleon die Schlacht verlor und was Hans Kaspar 1978 in seinem Hörspiel im fiktiven Dialog zwischen dem fliehenden Imperator und seinem Adjutanten zum Ausdruck brachte - der Regen, der das Schlachtfeld aufweichte, unfähige Generäle oder der Feind - die Niederlage hatte wie immer viele Väter. Doch der Kaiser konnte seine Hauptverantwortung für Waterloo kaum leugnen. Schon seinem alten und neuen Kriegsminister Carnot war der Grund nicht verborgen geblieben:
"Ich kenne ihn nicht mehr wieder. Die kühne Rückkehr von Elba scheint den Quell seiner Energie erschöpft zu haben; er schwankt, er zaudert; statt zu handeln, redet er. Alle Welt fragt er um Rat."
Allianz von Armeen
Den letzten Sieg seiner glorreichen Laufbahn erlangte Napoleon jedenfalls am 16. Juni 1815 gegen eben jenen Mann, dem er zwei Tage später, am 18. Juni, seine totale Niederlage verdankte. Den preußischen "Marschall Vorwärts", Gebhard Leberecht von Blücher, einen mittlerweile fast 73-jährigen Greis, und seine 85.000 Preußen hatte sich der Kaiser als ersten Gegner auserkoren. Denn genau das wollte er: Die Armeen der großen Allianz einzeln schlagen. Sie alle gleichzeitig anzugreifen, dafür war seine wieder erstandene Grande Armée zu schwach.
Am 18. Juni tobte seit dem Morgen der Kampf der Franzosen gegen die Truppen der zweiten Armee, die Napoleon schlagen wollte: das Korps des Feldmarschalls und First Duke of Wellington. Doch das leistete ebenso beharrlichen Widerstand wie das in seinem Vorfeld positionierte, kleine Häuflein der 400 Soldaten und Offiziere der Kings German Legion, verschanzt in einem Gehöft. Der in Cambridge lehrende Historiker Brendan Simms zur Motivation dieser Männer:
"Diese Soldaten haben wirklich sehr stark gelitten. Und die Erklärung, die ich liefere, ist, dass diese Soldaten zum einen einen großen Zusammenhalt hatten durch ihre Formation, sie hatten eine Loyalität zu den anderen Soldaten. Aber sie hatten auch eine sehr starke ideologische Motivation. Sie verstanden sich in der Kings German Legion als freie Deutsche. Sie wollten also Deutschland von dem französischen, von dem napoleonischen Joch befreien, und ich glaube, das gab ihnen dann den Rückhalt weiterzukämpfen."
Die in der englischen Armee kämpfende deutsche Legion verschaffte Wellington vor allem Zeit, die bis zum Eintreffen von Blüchers Armee verging.
"Ich wollte, es wäre Nacht, oder die Preußen kämen."
In diesen Minuten soll der berühmte Satz Wellingtons gefallen sein. In einem späteren Brief an seinen Bruder schrieb er:
"Ich gab gegen 7.30 Uhr die Schlacht für verloren, als zu unserer Rettung Blücher in meiner linken Flanke erschien."
Streit über Namen für die Schlacht
Sein Eingreifen entschied die Schlacht und besiegelte Napoleons Niederlage. Wie sie genannt werden sollte, darüber setzte sofort ein Streit ein. Blücher plädierte für "La Belle Alliance". Für jenes Gasthaus mithin, in dessen Nähe sich Napoleons Hauptquartier befunden hatte. Und in dessen Namen so symbolhaft zugleich die gegen den französischen Imperator gebildete Allianz aufleuchtete. In einem preußischen Extrablatt, verfasst von Blücher, hieß es am 24. Juni:
"Die Schlacht fiel in der Nähe einiger einzelner auf der Straße von hier nach Brüssel gelegener Häuser, 'La belle alliance' (die schöne Allianz) genannt, und einen besseren Namen dieses wichtigen Tages kann es wohl nicht geben."
Tatsächlich wurden in Preußen lange Zeit Plätze und Straßen nach Blüchers Vorschlag benannt. Durchgesetzt aber hat sich schließlich der von Wellington favorisierte Name seines Hauptquartiers in der Nähe des wallonischen Ortes Waterloo.
Die überlebenden Soldaten und Offiziere waren sicher, an einer bedeutenden Schlacht teilgenommen zu haben. Ein junger englischer Fähnrich schrieb am 3. Juli 1815 an seine Eltern:
"Ich habe oft den Wunsch gehabt, eine große Schlacht mitzuerleben. Ich habe sie erlebt - und das genügt mir - ein für allemal."
Über 47.000 Männer waren allein am Tag von Waterloo getötet und verwundet worden oder blieben vermisst. Napoleon wird noch über 2.000 Tage und Nächte in seinem zweiten Verbannungsort leben müssen - auf der einsamen Insel St. Helena im Südatlantik.