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Schlachtschiff am Tropf

Am 24. April 1961 ging für den schwedischen Marinehistoriker Anders Franzén ein Forschertraum in Erfüllung: Unter seiner Leitung gelang es, das Wrack der Vasa zu bergen, des berühmtesten und größten Schlachtschiffs der schwedischen Flotte aus dem 17. Jahrhundert. 1628 sank Vasa bereits auf ihrer Jungfernfahrt in der Stockholmer Bucht und lag danach 333 Jahre lang am Meeresboden.

Von Christine Westerhaus |
    Schwedens berühmtestes Museumsstück liegt hinter fünf Glastüren verborgen. Hat der Besucher die letzte Tür durchquert, betritt er eine andere Welt. Dunkel ist es hier in der Halle, die so groß ist wie ein Schwimmbad. Der Geruch von alten Möbeln und Chemikalien liegt in der Luft. Ein hölzernes Kriegsschiff, so groß wie ein Ozeandampfer, steht in der Mitte des Raums. Vor mehr als 300 Jahren sollte dieses Ungetüm mit seinen geschnitzten Gesichtern und Löwenköpfen Schwedens Feinde in die Flucht schlagen. Doch dazu kam es nie: der Stolz der Nation versank 1628 schon auf seiner Jungfernfahrt. Die Rede ist von der Vasa, dem Flaggschiff der schwedischen Flotte im 17. Jahrhundert. Das Wrack lag mehrere Jahrhunderte lang in der Stockholmer Bucht am Meeresboden. Erst am 24. April 1961 wurde sie geborgen. Heute vor genau 50 Jahren. Seitdem beschäftigen sich Generationen von Forschern mit der Frage, wie die Vasa in ihrer ganzen Pracht erhalten werden kann.

    "Das Problem war ja, dass es relativ neu war, so ein Objekt zu konservieren - vor allem weil sie ja als ein Stück geborgen worden ist. Man hat natürlich sehr viel überlegt, unter anderem eben, ob man ein spezielles Milieu schaffen muss für das Schiff, um sie zu konservieren oder ob man sie eben mit Flüssigkeit konservieren kann."

    "Für das Schiff wäre es das beste, wenn es hier drin keinen Sauerstoff gäbe und wenn es komplett dunkel und sehr kalt wäre. Etwa minus 60 Grad wären gut. Bei dieser Temperatur laufen keine chemischen Prozesse ab. Aber dann könnten wir hier keine Besucher haben. Es ist eben ein Kompromiss, den wir machen müssen."

    Magnus Olofsson ist Chefkonservator am Vasa-Museum in Stockholm. Der groß gewachsene Mittfünfziger hat die Aufgabe, Schwedens berühmtestes Museumsstück vor dem Verfall zu retten. Dabei sieht die Vasa auf den ersten Blick nicht so aus, als ginge es ihr schlecht. Sie könnte jeden Moment in See stechen, wäre sie nicht eingemauert in ihr eigenes Museum. Ihr dunkles Holz glänzt im Schein der spärlichen Beleuchtung. Auf den prachtvollen Ornamenten erkennt man Löwenköpfe und Fratzen. Sie sind so gut erhalten, dass sie kaum etwas von ihrem Schrecken verloren haben. Wer die Vasa hier besucht, fühlt sich sofort in einen Piratenfilm versetzt.

    "Die Dunkelheit im Museum, das ist natürlich Teil des Effekts wegen aber auch weil sie kein UV-Licht verträgt. Wir haben also auch UV-Schutz auf den Fenstern, auf den wenigen Fenstern die wir hier im Museum haben. Und das ist alles nur um ein Klima zu schaffen, in dem es Vasa am besten geht."

    Die aus Deutschland stammende Studentin Alexandra Hoier arbeitet als Führerin im Vasa-Museum. Erst 1990 zog das Prachtschiff hierher um, erzählt die Ende 20jährige. Bevor das Museum fertig gebaut war, stand die Vasa in einem Trockendock. Ein provisorischer Bau mit Wänden aus Aluminium, in dem die Besucher im Sommer schwitzten und im Winter froren. Im neuen Museum kann man sich die Vasa auf sechs verschiedenen Etagen aus der Nähe ansehen. Ganz unten laufen die Besucher direkt am Kiel vorbei. Wenn es erlaubt wäre, könnte man Vasas schwarz glänzendes Holz sogar anfassen. In kleineren Ausstellungen erfahren die Besucher, wie das Leben an Bord der Vasa aussah, wie sie geborgen wurde und wie sie unterging. Hoier:

    "Vasa wurde von dem Schloss, wo sie lag, zu den Schleusen gezogen und dort gab man den Befehl, die Segel zu setzen. Vier von ihren 10 Segeln wurden gesetzt, die Kanonen schossen Salut und Vasa segelte majestätisch Richtung Vaxholmen, der ersten Station für den Tag. Und nach circa 20 Minuten kam eine kleinere Windböe auf und die reichte, dass das Schiff so sehr auf die Backbordseite kippte, dass Wasser durch all die geöffneten Kanonenluken eindringen konnte und Vasa sank. Das heißt, Vasa kam gerade mal 1200 Meter weit auf ihrer ersten und damit natürlich auch letzten Reise."

    Das können sich die Besucher im Museum auch ansehen: In der obersten Etage simuliert ein Computer was passiert, wenn Vasas Segel gesetzt sind und sich die Windstärke verändert. Jedem wird dabei bewusst, dass dieses schwerfällige Ungetüm kaum seetüchtig war. Doch warum die Hoffnung der schwedischen Flotte so kläglich versank, ist noch immer nicht eindeutig geklärt. Statische Berechnungen haben gezeigt, dass Vasa zu wenig Last an Bord hatte. Zudem war sie falsch konstruiert: Ihr Schwerpunkt lag zu weit oben. Nicht zuletzt versank die Vasa aber wahrscheinlich, weil der Kapitän nicht den Befehl gab, die Kanonenluken zu schließen. Hoier:

    "Man geht davon aus dass wenn die Kanonenpforten geschlossen gewesen wären - was eigentlich üblich war bei diesen Schiffen - dann hätte sie vermutlich ihre Jungfernfahrt doch überlebt. Zwar hätte sie in Schräglage gesegelt, aber sie wäre nicht gesunken."

    Noch im 17. Jahrhundert gelang es Tauchern, den Großteil von Vasas Kanonen zu bergen. Danach geriet das Schiff allmählich in Vergessenheit. Erst in den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts macht sich Anders Franzén auf die Suche nach der Vasa. Schon als Kind interessiert sich der spätere Wrackforscher für Schiffe, später entwickelt er eine Leidenschaft für schwedische Kriegsschiffe aus dem 17. Jahrhundert. Anders Franzén studierte Schiffsbaukunst in Stockholm und forschte auch über die Schiffe der schwedischen Großmachtzeit. In seiner Freizeit durchstöbert er Archive und macht sich in der Stockholmer Bucht auf die Suche nach Wracks, die hier gesunken sein sollen.

    Vor allem die Geschichte der Vasa hat es dem Hobbyarchäologen angetan. Mit einem selbst gebauten Lot sucht Franzén akribisch den Meeresboden vor der Insel Beckholmen ab. Hier irgendwo soll die Vasa gesunken sein. Doch die Informationen in den Archiven geben dem Forscher nur vage Hinweise. So dauert es mehrere Jahre, bis er die Vasa endlich findet. Am 25. August 1956 setzt sich ein Stück Eichenholz im Locheisen des 38jährigen fest. Noch am selben Tag steigt der Berufstaucher Edvin Fälting an dieser Stelle ins Wasser. In 30 Metern Tiefe entdeckt er ein Schiffswrack mit Kanonenluken – es ist tatsächlich die Vasa. Alexandra Hoier:

    "Das dauerte also noch ein paar Wochen, bevor man überhaupt verstanden hat, was passiert ist und was man überhaupt entdeckt hat. Die erste Zeitungsnotiz war zum Beispiel kaum ein paar Zeilen lang mit sehr kleiner Überschrift."

    Doch nach und nach wird klar, welcher historische Schatz dort in 30 Metern Tiefe begraben liegt. Schließlich begeistert sich auch der damalige schwedische König Gustav VI. Adolf für den Plan, das Schiff zu bergen. Hoier:

    "Nach und nach hat man verstanden, dass man sehr viele Originalteile wiederfinden kann und als sie dann geborgen worden ist, kann man wirklich auch sehen, dass der ganze Rumpf bis hin zu den oberen Kanonendecks mehr oder weniger intakt ist und man hat dann nach und nach die ganzen Skulpturen auch gefunden. Also nach einer Zeit hat man dann schon verstanden, dass es nicht 100 Originalteile wiederzufinden sind aber doch ziemlich in die Nähe kommen wird."

    Es vergehen noch fünf Jahre, bis die Vasa geborgen werden kann. In mühevoller Arbeit ziehen Taucher Stahltrosse unter das Wrack. Diese Seile werden an wassergefüllten Pontons befestigt. Dann pumpen die Ingenieure das Wasser aus den Pontons. 1961 gelingt es, die Vasa auf diesem Weg zu bergen. Am Morgen des 24. Aprils herrscht Volksfeststimmung am Hafen von Stockholm. Scharenweise sammeln sich Journalisten, Fotografen und Schaulustige um die Stelle, an der die Vasa nach 333 Jahren erstmals wieder die Wasseroberfläche durchbrechen soll. Um kurz nach 9 Uhr ist es soweit: Auch das schwedische Radioprogramm Sveriges Radio ist live bei dem Spektakel dabei. Gebannt starrt der Reporter auf die Wasseroberfläche. ”Da kommt sie” ruft er begeistert, als Vasas erste Holzskulptur das schmutzig braune Wasser durchdringt.

    "Nu kommer hon – nu kommer hon upp! Nu är det nügot som dyker upp – en svarta stötan längst akterut. Då är hon alltså uppe i vädret sedan hon gick överstyr för 333 år sen."

    Da ist sie also wieder oben an der Luft, 333 Jahre nachdem sie gesunken ist. Ein großer Moment für Schweden: Das Orchester der Marine beginnt zu spielen. Am Himmel drehen Hubschrauber ihre Runden. Stück für Stück wird die Vasa weiter aus dem Wasser geholt. Am Ende des Spektakels ist ein guter Teil der Reling zu sehen. Der Reporter ist überrascht, dass Vasas Holz so gut erhalten ist.

    "Det är spänningen här ute. Man ser en god bit av relingen. Här ligger regalskeppet Vasa och betydligt nog att man hon ser mycket."

    Für die Archäologen war es ein Segen, dass die Vasa im Brackwasser der Stockholmer Bucht begraben lag. Hier war ihr Holz sicher vor dem ärgsten Feind aller Schiffswracks: Dem Schiffsbohrwurm Teredo navalis. Eigentlich ist er kein Wurm, sondern eine Muschel, die tiefe Löcher in Schiffswracks oder Brückenpfeiler bohrt. Doch der Schiffsbohrwurm braucht salzhaltiges Wasser zum Überleben und kommt deshalb im salzarmen Brackwasser der Stockholmer Bucht nicht vor. Vasas Chefkonservator Magnus Olofsson zeigt auf ein Stück Holz, das unter einer Art Käseglocke aus Glas ausgestellt ist. Es erinnert an einen Termitenbau und stammt von einem Kriegsschiff, das ebenfalls im 17. Jahrhundert gesunken ist. Allerdings lag dieses Holzschiff im Hafen von Göteborg an der schwedischen Westküste. Dort hat das Wasser einen vergleichsweise hohen Salzgehalt.

    "Dieses Stück Holz ist komplett vom Schiffsbohrwurm durchlöchert. Aber das Gute ist, dass er in der Stockholmer Bucht nicht vorkommt. Deswegen bleiben Schiffswracks hier viel besser erhalten als irgendwo sonst. Wäre die Vasa im Göteborger Hafen gesunken, wäre nichts mehr von ihr übrig."

    Neben dem eigentlichen Wrack fanden die Taucher noch Tausende Einzelteile sowie Hunderte Figuren und Ornamente am Meeresboden. Sie alle gehörten zur Vasa. Dieses Puzzle mussten die Konservatoren nun wieder zusammensetzen. Zudem drohte Vasas Holz an der Luft auszutrocknen und sich stark zu verbiegen. Deshalb mussten die Forscher so schnell wie möglich eine Methode finden, mit der sie die Vasa konservieren konnten. Birgitta Håfors war von Anfang an mit dabei. Mit 27 hatte sie ihren ersten Aushilfsjob und half bei den Konservierungsarbeiten mit. Heute ist sie 77 Jahre alt und hat endlich ihre Doktorarbeit über die Vasa fertig geschrieben. Völlig unbedarft gingen sie und ihre Kollegen damals ans Werk, erzählt die Forscherin. Niemand hatte vor Vasas Bergung darüber nachgedacht, wie sie konserviert werden kann.

    "Nej - det har man inte gjord."

    "Es gab ja bisher kein einziges Projekt, das mit der Vasa-Konservierung vergleichbar war. Das kam erst später. Unser Arbeitsplatz war am Anfang eine alte Unteroffiziersvilla neben dem Marinehistorischen Museum und wir hatten für unsere Untersuchungen nicht viel mehr als vielleicht drei Reagenzgläser und eine Waage."

    Nie zuvor war ein so großes Schiffswrack konserviert worden. So war die Arbeit der Forscher eine echte Pionierarbeit. Eher durch Zufall kamen Birgitta Håfors und ihre Kollegen auf die Idee, Vasas Holz mit Polyethylenglykol zu konservieren. Håfors:

    "Eine Forschergruppe hat damals versucht, ein Fischernetz mit dieser Substanz haltbar zu machen. Die Konservierung lief nicht so gut, doch an dem Fischernetz hingen ein paar Schwimmkörper aus Holz, die sehr gut imprägniert waren. Deshalb dachten wir damals: Vielleicht ist es keine dumme Idee, die Vasa mit der gleichen Methode zu konservieren."

    Die Forscher beginnen also, die Vasa mit Polyethylenglykol oder kurz PEG zu besprühen. PEG ist ein Kunstwachs. Es diffundiert in das Gewebe und ersetzt dort die Wassermoleküle in den Zellen. Doch das braucht seine Zeit: 17 Jahre lang besprühen die Konservatoren das Holz der Vasa mit PEG. In den ersten Jahren mühevoll von Hand mit einer Spritze, später stellen sie automatische Düsen auf, die das Holz wie ein Rasensprenger kontinuierlich befeuchten. Die herunter tropfende Lösung sammeln die Forscher in Auffangbecken und sprühen sie erneut auf das Schiff. In mehreren Schritten erhöhen sie die Konzentration des Konservierungsmittels.

    Im Sommer 1979 hören die Forscher auf, die Vasa mit dem PEG zu besprühen. Nun muss das Schiff langsam trocknen. Neun Jahre lang steht es im Trockendock an der Luft, eingehüllt in Isolierungsmaterial. 1990 zieht die Vasa in ihr endgültiges Zuhause um: Das neu erbaute Vasa-Museum auf der Stockholmer Tiergarteninsel ”Djurgården”. Hier wird das Schiff ziemlich schnell ausgepackt: Vom Isolierungsmaterial befreit, können Besucher die Vasa wieder in voller Größe bewundern. Håfors:

    "Die Vasa auszupacken, das ging damals viel zu schnell, finde ich. Das Museumsgebäude war noch nicht richtig fertig und das Klimasystem funktionierte nicht, wie es sollte. Die Vasa hätte in einer feuchteren Umgebung stehen müssen. Wir haben dann auch festgestellt, dass das Schiff ziemlich geschrumpft ist. Aber es gab eben den Konflikt zwischen den Konservatoren und dem Chef des Museums, der wollte, dass die Öffentlichkeit die Vasa endlich richtig zu sehen bekommt."

    Heutzutage benutzen Konservatoren noch immer Polyethylenglykol, um wassergetränktes Holz haltbar zu machen. Nur die Methode wurde verfeinert. Je nachdem, wie stark das Holz bereits abgebaut ist, verwenden Konservatoren unterschiedlich hohe PEG-Konzentrationen. Auch die Bremer Kogge, ein deutsches Handelsschiff aus dem Jahr 1380, ist mit Polyethylenglykol imprägniert. Ebenso die Mary Rose, das Flaggschiff von Heinrich VIII. aus dem 16. Jahrhundert.

    "Die Forscher haben also damals bei der Vasa genau die richtige Methode gewählt. Ich denke heute, dass es sehr mutig von ihnen war, ein neues Verfahren auszuprobieren. Eine Methode, an die sie zwar geglaubt haben, aber von der niemand wusste, ob sie auch sicher war."

    Magnus Olofsson, Konservator am Vasa-Museum. Aus seiner heutigen Sicht ist jedoch nicht alles perfekt, was die Chemiker damals mit der Vasa anstellten.

    "Die Konservatoren besprühten das Schiff mit Polyethylenglykol und Wasser, aber das ganze war ein geschlossenes System. Das heißt, sie sprühten das gleiche Wasser immer wieder auf das Schiff und verteilte damit alle Verunreinigungen, die aus dem Holz austraten, über das ganze Schiff. Schwefel und Eisen zum Beispiel. Das war damals ein ziemlich großer Fehler. Heutzutage machen die Konservatoren es anders: Nach drei Monaten tauscht man das Wasser und das Konservierungsmittel aus."

    Inzwischen ist klar, dass Verunreinigungen wie Eisen und Schwefel die chemischen Abbauprozesse im Holz beschleunigen. Und die Vasa ist voll davon. Alle Eisenbolzen, mit denen Zimmermänner Vasas Holzplanken bei ihrem Bau zusammengehämmert hatten, sind unter Wasser verrostet. Das Eisen drang dann in das Holz ein. Für den Schwefel sind Bakterien verantwortlich, die die Zellulose im Holz abbauen. Unter Sauerstoffmangel nutzen die Mikroben Sulfat beim Abbau. Dabei entsteht Hydrogensulfid, eine Schwefelverbindung. Bei Kontakt mit Luftsauerstoff entwickelt sich daraus Schwefelsäure und elementarer Schwefel. Eisen wirkt dabei wie ein Katalysator und beschleunigt die Bildung von Schwefelsäure. Erst vor etwa zehn Jahren wurde den Forschern allmählich bewusst, dass diese Verunreinigungen die Zukunft der Vasa gefährden könnten. Ein nasser Sommer setzte die ersten Rettungsarbeiten in Gang, erinnert sich Museumsführerin Alexandra Hoier

    "Es war ein sehr regnerischer Sommer, dementsprechend viele Besucher natürlich mit ihrer feuchten Kleidung und in dem Jahr hatten wir sehr viel Schwierigkeiten mit dem Klimasystem, dem alten Klimasystem muss man sagen. Mittlerweile haben wir ein neues und in dem Herbst haben unsere Forscher zum ersten Mal auch diese kleinen gelben Punkte auf dem Schiff entdeckt und das war teils auch, weil die Klimaanlage das eben nicht regulieren konnte.Wir hatten starke Temperaturschwankungen Luftfeuchtigkeitsschwankungen in dem Sommer und seit dem Jahr kann man sagen hat es dann angefangen mit der intensiven Forschung."

    Die gelben Flecken gaben den Forschern zunächst Rätsel auf. Magnus Olofsson:

    "Wir konnten es uns nicht erklären und vermuteten, dass es einfach Schwefel war, der aus dem Holz stammte. Aber dann hat sich herausgestellt, dass das ganze viel komplexer war."

    Magnus Olofsson und seine Kollegen haben sich an Wissenschaftler in der ganzen Welt gewandt. Die Ergebnisse chemischer Untersuchungen beunruhigten die Vasa-Forscher.

    "Es stellte sich heraus, dass die gelben Flecken von Schwefelsäure, Eisen und anderen Säuren stammten, die zusammen einen ziemlich aggressiven Cocktail bildeten. Die chemischen Prozesse wurden durch das stark schwankende Klima hier im Museum ausgelöst: Feuchtigkeit drang in das Holz ein und dann bildeten sich an der Außenfläche des Holzes Salzausfällungen. Und dieses Salz fing an, das Holz chemisch abzubauen."

    Die Konservatoren alarmierten die Museumsleitung. Dann wurde die Klimaanlage komplett umgebaut. Seit 2004 müssen die Besucher nun im Eingangsbereich fünf Türen durchqueren, die wie Luftschleusen funktionieren. Außerdem sollten sie sich warm anziehen, empfiehlt Museumsführerin Alexandra Hoier.

    "Es ist relativ kühl hier - wir haben so um die 18 Grad hier im Museum das ganze Jahr über und die Luftfeuchtigkeit beträgt so um die 56 bis 57 Prozent und das ist auch nur um ein Klima zu schaffen, das gut ist für das Holz. Dass wir wirklich das Holz unter Kontrolle haben mit all den Schwierigkeiten, die wir hier haben."

    Die Klima-Maßnahmen zeigten Erfolg: Die gelben Flecken verschwanden von Vasas Holz. Doch die Abbauprozesse im Inneren haben sich nur verlangsamt. Noch immer reichert sich Eisen im Holz an. Es stammt aus den Bolzen, mit denen das Schiff nach der Bergung neu zusammen geschraubt wurde. Auch sie sind mittlerweile 50 Jahre alt und der Zahn der Zeit nagt an ihnen. Magnus Olofsson:

    "Auch diese Bolzen rosten und so gelangt rostiges Eisen in Vasas Holz. Das wollen wir verhindern und ersetzen deshalb nun alle Bolzen durch rostfreien Stahl. Insgesamt sind es 5500 Stück - lange, sehr lange Bolzen. Manche von ihnen sind zwei Meter lang. Wir haben schon versuchsweise ein paar von ihnen ausgetauscht und getestet."

    Die Arbeit an Vasas Eisenbolzen ist ein Job, bei dem man keine Höhenangst haben darf. Um von außen an das obere Deck heranzukommen fahren die Forscher eine kleine Hebebühne an das Wrack heran. Anders Ahlgren ist einer der Ingenieure im Vasateam. Mit einer Art überdimensioniertem Steckschlüssel löst er einen alten verrosteten Bolzen aus Vasas Holz. Dabei stülpt Anders Ahlgren das graue Ende seines Steckschlüssels über die Mutter des Bolzens und löst sie vorsichtig. Den alten Eisenbolzen tauscht der Ingenieur gegen einen neuen aus rostfreiem Stahl. Dann befestigt er ihn mit einem so genannten elektrischen Hammer. Auch dieses Werkzeug ist eine Spezialanfertigung, die extra für die Arbeiten an der Vasa entwickelt wurde. Es sieht so ähnlich aus wie eine Bohrmaschine im Großformat.

    Die ersten neuen Testbolzen haben die Forscher bereits erfolgreich in Vasas Rumpf versenkt. Nun kontrollieren Anders Ahlgren und seine Kollegen regelmäßig, wie das Holz darauf reagiert. Im Gegensatz zu den alten Bolzen haben die neuen Stifte Metallfedern an ihren Enden. So sollen sie flexibler auf die Bewegungen im Holz reagieren können. Neben rostfreiem Stahl haben die Forscher auch Bolzen aus Kohlenstofffasern getestet. Doch am Ende entschieden sie sich für rostfreien Stahl – vor allem, weil er eine längere Lebensdauer hat. Im Frühsommer soll die Arbeit an den Bolzen richtig in Gang kommen. Damit sich die zahlreichen Besucher im Museum noch unterhalten können, haben die Forscher eine leise Methode entwickelt. Magnus Olofsson:

    "Wenn wir die ganze Zeit herumhämmern würden, könnte man es hier drin nicht aushalten. Wir werden die Bolzen deshalb mit hydraulischer Kraft herausziehen und die neuen Stifte hineinschrauben. Damit es hier drin schön still ist."

    Vier bis fünf Jahre wird es dauern, bis alle Bolzen ausgetauscht sind. Die Forscher gehen davon aus, dass die neuen Befestigungen kein Eisen an das Holz abgeben werden, weil sie rostfrei sind. Die Ingenieure sind sich außerdem sicher, dass die Konstruktion der Vasa stabilisiert wird. Denn die alten Bolzen sind durch den Rost schon ziemlich angegriffen. Kleinere Holzobjekte wie Skulpturen und Ornamente wollen die Forscher aber auf anderem Wege vor dem Verfall schützen. Sie waschen das unerwünschte Eisen aus ihnen heraus.

    Dies geschieht in einem Labor, das zum Vasa-Museum gehört. Hier badet Malin Sahlstedt etwa unterarmlange Holzstücke in Plastikwannen. Die Gefäße sind mit einer durchsichtigen Flüssigkeit gefüllt. Es ist ein Gemisch aus Wasser und Diethylentriamin-Pentaessigsäure erklärt die Konservatorin.

    "Das ist ein so genannter Komplexbilder. Diethylentriamin-Pentaessigsäure hat die Eigenschaft, dass sie Metallionen auffängt und fest an sich bindet, also einen Komplex bildet. Auf diese Weise können wir das Eisen aus dem Holz entfernen. Das Eisen wird gebunden und wandert aus dem Holz in die Lösung."

    Malin Sahlstedt öffnet den Deckel von einer der Plastikwannen, die hinter einem Duschvorhang in der Ecke des Labors stehen. Ein morsch aussehendes Stück Holz schwimmt darin in einer rotbraunen Flüssigkeit.

    "An der Braunfärbung erkennt man, dass Eisen aus dem Holz austritt. In dieser Versuchsreihe testen wir verschiedene Objekte, deren Holzstruktur unterschiedlich stark abgebaut ist. Bei diesem Stück hier (öffnet die Dose) haben wir keine Salzausfällungen beobachtet - es ist also kaum abgebaut. Wir behandeln alle Holzstücke exakt mit der gleichen Methode um später sehen zu können, ob sie die Behandlung gleich gut vertragen."

    Das Bad in dem Komplexbildner wäscht jedoch auch das Konservierungsmittel Polyethylenglykol aus dem Holz. Deshalb müssen die Forscher die Skulpturen wieder neu imprägnieren. Danach werden die Objekte gefriergetrocknet um sie zu desinfizieren. Vor dem Start ihrer Versuchsreihen haben Malin Sahlstedt und ihre Kollegen jedes Test-Holzstück in zwei Teile geteilt. Aus der einen Hälfte haben sie das Eisen heraus gewaschen, die andere Hälfte blieb als Kontrolle unbehandelt. Sahlstedt:

    "Wir wollen später beide Teile vergleichen, um zu sehen, ob das Holz besser erhalten bleibt, wenn wir das Eisen aus ihnen entfernen. Das ist unsere Hoffnung und deshalb machen wir die ganze Behandlung. Vielleicht wird man aber erst in 50 Jahren einen Effekt sehen können. Alles, was wir hier machen, ist schließlich langfristig gedacht, denn wir wollen unsere Ausstellungsstücke möglichst mehrere 100 Jahre lang bewahren."

    Vasas Überreste in Chemikalien zu baden, ist aber nur bei kleineren Skulpturen und Ausstellungsstücken möglich. Das gesamte Wrack darin einzutauchen wäre zu aufwändig, meint Chefkonservator Magnus Olofsson.

    "Theoretisch wäre es zwar möglich, die Vasa auseinander zu nehmen (und das Eisen aus den Einzelteilen zu extrahieren). Doch wir werden das Schiff mit seinen Zehntausenden von Einzelteilen nie wieder richtig zusammensetzen können. Das einzige, das wir tun könnten wäre, das Museum zu schließen und das Schiff für sehr lange Zeit zu besprühen. Aber wir sprechen hier von mehreren Jahrzehnten, die das in Anspruch nehmen würde. Wir denken also nicht wirklich darüber nach!"

    Nicht jede Konservierungsmaßnahme, die Vasas Zukunft sichert, macht auch aus archäologischer Sicht Sinn. Manchmal müssen die Forscher abwägen. Zum Beispiel, wenn eine chemische Behandlung auch Farbreste herauswaschen würde, die noch auf den Skulpturen vorhanden sind. Denn die Bemalung gibt Archäologen wichtige Informationen über die im 17. Jahrhundert verwendeten Farbstoffe und Techniken. Ähnliches gilt für Vasas Stützkonstruktion. Bei ihrem Einzug in das Museum bekam das Schiff einen Unterbau aus Stahl der verhindern soll, dass die Vasa zur Seite kippt. Doch das Schiff droht unter seinem hohen Eigengewicht von über 500 Tonnen in sich zusammen zu sinken. Messungen haben ergeben, dass sich das Wrack pro Jahr um etwa einen Millimeter weiter nach unten neigt. Deswegen soll die Vasa ein neues Stützsystem bekommen, das besser an ihre Schwachstellen angepasst ist. Olofsson:

    "Wenn man mit Ingenieuren über dieses Problem spricht, haben sie wirklich tolle Ideen, wie man die Vasa auf perfekte Weise stützen könnte. Aber dann müsste man 100 Löcher in das Schiff hineinbohren um die ganzen Aufhängungen zu befestigen. Wir wollen aber keine 100 Löcher in die Vasa hineinbohren! Also müssen wir andere Lösungen finden, die vielleicht nicht ganz so perfekt sind, aber die das Schiff bewahren!"

    Wie Vasas Rumpf auf schonenderem Weg gestützt werden kann untersuchen Forscher der Königlich-Technischen Hochschule in Stockholm. Hier testet Ingela Bjurhager, wie die chemischen Abbauprozesse in der Holzsubstanz Festigkeit und Belastbarkeit des Schiffsrumpfs beeinflussen. In einem der zahlreichen Labore am Institut für Chemie- und Ingenieurwissenschaften untersucht die Anfang 30jährige Forscherin die Belastbarkeit von Vasas Holz. Dazu spannt sie millimeterdünne Holzplättchen in ein Gerät ein. Ingela Bjurhager durfte die Proben für ihren Versuch direkt aus Vasas Rumpf entnehmen. Unter den argwöhnischen Augen der Konservatoren schnitt sie kleine Holzklötzchen heraus. Die Apparatur, in die sie Vasas Jahrhunderte altes Holz nun einspannt, sieht aus wie eine Turnstange im Miniformat. Oben und unten liegt je ein Querbalken an dem jeweils eine senkrecht befestigte Metallklemme hängt. Die längsformatigen Holzplättchen werden mit Luftdruck an den Klemmen befestigt. Ingela Bjurhager startet nun ihre Messung. Das Gerät zieht an den beiden Enden des Plättchens. Irgendwann ist die Belastung so hoch, dass das Holzstück in der Mitte auseinander bricht. Das Gerät misst automatisch die Belastung und die Spannung, die die Plättchen maximal aushalten. Die Proben sind chemisch unterschiedlich stark abgebaut. Bjurhager:

    "Es gibt Unterschiede in der Belastbarkeit der Proben und diese sind direkt an den Grad des chemischen Abbaus gekoppelt. Das heißt, je weiter das Holz abgebaut ist, desto weniger hält es aus. Wir können also auch umgekehrt chemische Messungen an Vasas Holz machen und daraus ableiten, wie gut es halten wird."

    Langfristig wollen die Forscher das geplante neue Stützsystem für Vasas Rumpf genau an die chemischen und mechanischen Eigenschaften des Holzes anpassen. Denn nicht überall ist dieses gleich stark angegriffen. An den Stellen, wo das Material besonders weit abgebaut ist, soll es stärker gestützt, also entlastet werden. Bjurhager:

    "Bei der Vasa geht es vor allem um die Frage, ob sie ihr hohes Eigengewicht langfristig tragen kann oder ob sie sich irgendwann verbiegt oder sogar zusammenbricht. Wenn man sich das Schiff aus der Nähe ansieht, erkennt man, dass es an manchen Stellen ziemlich zusammengedrückt wurde. Besonders am Kiel sieht man das."

    Diese Altersschwäche erkennt jedoch nur der geschulte Blick eines Forschers. Für einen Laien erscheint die Vasa alles andere als gebrechlich. Wie lange das noch so bleiben wird, können aber auch die Wissenschaftler nicht voraussagen. Bjurhager:

    "Es wurden schon viele Gebote darauf abgegeben. Ich habe alles mögliche gehört: Von 25 Jahren bis 500 Jahren. Ehrlich gesagt gibt es wohl niemanden, der das genau weiß. Wir wissen nur, dass Veränderungen vor sich gehen."

    Magnus Olofsson, der Chefkonservator des Vasa-Museums, hat sich ein ehrgeizigeres Ziel gesetzt. Er möchte die Vasa noch mindestens 1000 Jahre lang erhalten.

    "Jag har sagt att vi ska bevara Vasa i 1000 år. Det är målet."

    Bisher sind jedoch erst 50 Jahre seit Vasas Bergung vergangen. Und schon in dieser relativ kurzen Zeit hat das Schiff Wissenschaftler vor große Herausforderungen gestellt. Genau das motiviert junge Forscherinnen wie Ingela Bjurhager für ihre Arbeit.

    "Inzwischen ist die Vasa ein wichtiges schwedisches Symbol geworden und hat sich außerdem zu einem spannenden Forschungsobjekt entwickelt. Es gab inzwischen auch schon viele Artikel in wissenschaftlichen Fachjournalen. Die Vasa ist einfach einzigartig, denn es gibt kein Schiff aus dieser Zeit, das gerettet werden konnte."

    Auch die Konservatorin Malin Sahlstedt ist fasziniert von ihrer Arbeit. Je schlechter es der Vasa geht, desto spannender wird es für sie.

    "So gruselig unsere Probleme hier auch sind machen sie die Arbeit auch umso interessanter. Sie fordern uns heraus. Und dann ist die Vasa einfach ein so unglaublich spannendes Forschungsobjekt. Wenn ich mal meine Motivation verliere, brauche ich nur raus in die Halle zu gehen und kann mir die Vasa anschauen. Dann weiß ich, warum ich hier bin und welche Aufgabe ich habe. Das ist fantastisch!"
    Die "Vasa", das Flaggschiff der schwedischen Kriegsflotte, sanke 1628 auf der Jungfernfahrt.
    Modell der "Vasa". (Karolina Kristensson, the Swedish National Maritime Museums.)
    1961 wurde die "Vasa" aus der Bucht von Stockholm geborgen.
    1961 wurde die "Vasa" aus der Bucht von Stockholm geborgen. (Schwedisches Schifffahrtsmuseum)
    Bolzen werden ersetzt.
    Bolzen werden ersetzt. (Schwedisches Schifffahrtsmuseum)
    Ein wurmstichiges Stück eines Kriegsschiffs aus dem 17. Jahrhundert.
    Wurmstichiges Stück aus dem 17. Jahrhundert. (Christine Westerhaus)
    Bolzenaustausch an der Vasa.
    Bolzenaustausch (Schwedisches Schifffahrtsmuseum)