Das Schlafmedizinische Zentrum der Uniklinik Mannheim. Auf den Fluren warten Patienten auf ihren Termin.
"Mein Name ist Jörg Hansen. Ich bin Bauingenieur von Beruf."
Jörg Hansen ist Mitte 60. Vor gut sechs Jahren fiel seiner Hausärztin auf, dass sein Blutdruck stieg, nur leicht – aber dauerhaft.
"Wofür sie keinerlei Grund fand, und mir dann empfahl mich doch mal auf Schlafapnoe untersuchen zu lassen."
Jörg Hansen verbrachte eine Nacht im Schlaflabor. Er wurde verkabelt, sein Schlaf genau vermessen.
"Und da stellte sich dann heraus, dass ich auch so ein mittelschwerer Fall war, für die Schlafapnoe."
Er litt also unter Atemaussetzern im Schlaf:
"Bei der Schlafapnoe, der obstruktiven Schlafapnoe, verschließt sich nachts der Atemweg, weil wir natürlicherweise, wenn wir einschlafen etwas unsere Muskeln entspannen. Und das zählt auch für die Muskeln im Rachen, im Gaumensegel, in der Zunge. Und wenn die zu schlaff sind diese Muskeln, dann können sie diesen weichen Schlauch im Rachen nicht mehr offenhalten. Dann fällt der wie ein Luftballon, durch den man versucht Luft hindurch zu saugen, fällt der zusammen."
Genau das passierte im Rachen von Jörg Hansen, im Schnitt mehr als 40 mal pro Stunde, sagt Joachim Maurer, sein Arzt. Die Folge:
"Dann will man ja nicht ersticken, und dieses Ersticken wird verhindert, indem das Gehirn die Muskulatur kurz während eines kurzen Wachwerdens anspannt. Also das Schlafstadium wird leichter bis hin zu wach, aber das dauert so kurz, dass man sich am nächsten Tag nicht daran erinnern kann."
Risiko für Schlaganfall, Herzinfakt und Diabetes kann steigen
Das klingt störend, aber eigentlich harmlos. Doch während der Körper wach wird, steigen Blutdruck und Puls. Stresshormone werden ausgeschüttet. Je nach Länge der Atempausen wird auch die Versorgung mit Sauerstoff schlechter. Das kann gravierende Konsequenzen haben. Bleibt eine Schlafapnoe unbehandelt, steigt mit den Jahren unter anderem das Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt, außerdem offenbar auch für Diabetes. Jörg Hansen hatte weder Übergewicht noch übergroße Mandeln, beides Faktoren, die eine Schlafapnoe begünstigen und die man relativ leicht hätte beheben können. Auch eine Schlafmaske, die vielen hilft, half ihm nicht.
"Demzufolge stand ich jetzt vor dem Problem, mit den möglichen Spätfolgen dieser 40 bis 50 Aussetzer pro Stunde leben zu müssen, was natürlich für die etwas fernere Zukunft keine sehr rosigen Aussichten waren."
Joachim Maurer schlug ihm eine Alternative vor, die er mit entwickelte und gerade in einer Pilotstudie untersuchte: einen sogenannten Zungenschrittmacher. Jörg Hansen greift sich an die Brust. Unter seinem Hemd zeichnet sich ein kleiner Quader ab, etwa so groß wie eine Streichholzschachtel.
"So jetzt hab ich’s zwischen den Fingern. Wenn ich hier drauf klopfe, klopfe ich praktisch auf das Gerät, es ist ja nur die Haut noch drüber."
Von dem kleinen, implantierten Metallkästchen verlaufen zwei Drähte in den Körper. Einer zu einer Sonde, die die Atembewegungen des Zwerchfells aufnimmt, ein zweiter durch den Hals bis in die Zunge. Immer dann wenn das Zwerchfell sich zur Einatmung bereit macht, bekommt die Zunge einen leichten Stromstoß und spannt sich an. Die Luftröhre bleibt offen. Bei Jörg Hansen hat das wunderbar funktioniert. Sein aktuelles Schlafprotokoll zeigt nur noch wenige Aussetzer. Dennoch: Es ist ein operativer Eingriff. Er trägt jetzt ein Stück Technik mit sich herum, und das nicht, um eine akute Erkrankung zu lindern, sondern um einen möglichen Schaden weit in der Zukunft zu vermeiden. Ist es das wert?
"Vielleicht weil ich als Ingenieur der Technik vertraue, und auch Technik gut finde, für mich war das völlig selbstverständlich. Das muss so sein, das hilft, das tut’s ja auch, und dann wird das so gemacht."
Weltweit haben etwa 700 Menschen einen Zungenschrittmacher
Rund 20.000 Euro Kosten fallen pro Patient für den Zungenschrittmacher an. Das ist teuer, und nicht jeder Patient ist geeignet. Vielen ist schon mit einer Schlafmaske gut geholfen. Deutschlandweit wurden bisher 150 Patienten so behandelt, weltweit etwa 700. Seit Jörgen Hansen seinen Zungenschrittmacher bekommen hat, hat sich die Technik weiterentwickelt. Die Geräte sind deutlich kleiner geworden. Die Methode ist aus den Kinderschuhen heraus. Die ersten langfristigeren Daten zeigen: Bluthochdruck, Tagesmüdigkeit und andere Stresssymptome verschwinden durch die Behandlung, die Lebensqualität der Patienten steigt.