Wer als Schlagzeugerin oder Schlagzeuger die Firma Ice Stix besucht, kann die Produkte im hauseigenen Musiksaal testen. Dieser befindet sich in der Kantine einer alten Landmaschinen-Werkstatt. Der gelb gestrichene Raum mit großen Fenstern wirkt fast wie ein Wohnzimmer: Neben einem Schlagzeug stehen hier zwei historische Klaviere, mehrere Gitarren, Verstärker und antike Möbel. Der Gebäudekomplex liegt im 300-Seelen-Dorf Zettemin in Mecklenburg-Vorpommern. Nachbarn gibt es kaum – und damit auch keine Lautstärkeprobleme.
Die Maschinen gab es in den USA
Der gelernte Möbelschreiner und Drechsler Birger Schlenstedt hat die Firma 2003 ins Leben gerufen. Damals noch als kleine Werkstatt in seinem Heimatort Weimar. Angefangen hat alles durch einen Zufall:
"Da ist ja die Franz-Liszt-Hochschule, in Weimar, die Musikhochschule. Und da hatte ich einen Bekannten, der sagte: Du, ich hab da einen Trommler, setz dich mal mit dem zusammen. Das habe ich dann auch gemacht. Und er sagte: Birger, kannst du für mich spezielle Stöcke bauen? Da habe ich gesagt: Das kriegen wir schon hin".
Die Drechselautomaten, die Birger Schlenstedt bereits in seiner Werkstatt hatte, waren nicht dafür geeignet, Drumsticks zu fertigen. Fündig wurde der Unternehmer ausgerechnet in den USA – auf einer Maschinenmesse in Atlanta.
"Mein "normaler" Hersteller für Drechselmaschinen, der sagte: Mit normalen Drechselmaschinen wird der Trommelstock nicht hundertprozentig gerade. Aber ich gehe mal mit dir zu jemandem an einem anderen Stand. Der hat die Maschinen, mit denen das hundertprozentig geht."
Hickory für die Drumsticks
Birger Schlenstedt kaufte die Maschine. Bald darauf erreichten ihn immer mehr Anfragen für Drumsticks und er beschloss, sich darauf zu spezialisieren. Über einen weltweit agierenden Holzimporteur bekommt Schlenstedt das Rohmaterial:
"Für die Sticks verwenden wir zu 95 Prozent Hickory. Das ist amerikanisches Walnussholz und zeichnet sich eben durch eine unheimlich hohe Dichte und Zähelastigkeit aus. Und je höher die Dichte ist, desto höher kann man das Holz auch strapazieren."
Die Werkstatt in Weimar war schnell zu klein. 2004 zog Birger Schlenstedt deshalb mit seinem Betrieb an den jetzigen Standort Zettemin. Dort lebt der 60-jährige mit seiner Frau.
Vom Verwaltungsgebäude mit der Kantine geht es über den Hof zur Fertigungshalle. Hier erfolgen die meisten von insgesamt 17 Arbeitsschritten. Neben Schlenstedt selbst sind zwei weitere Mitarbeiter dafür zuständig.
Im vorderen Teil der geräumigen Halle liegt das Hickory-Holz als Brettware und wird auf 50 cm Länge gesägt.
"Und dann werden sie in der Vierblattsäge eben zu diesen sogenannten Kandeln, zu den Rohlingen erstmal vorgeschnitten."
Zwölf Modelle für die Drummer
Außerdem bekommen die Vierkanthölzer mittels Hobel noch einen quadratischen Querschnitt. Nur so kann die Drechselmaschine sie fehlerfrei verarbeiten. Ein Holzstück wird dabei zwischen zwei rotierende Achsen gespannt und damit an einem Messer vorbeigeführt.
"Die Formen werden so bestimmt, dass uns Trommler gesagt haben: Mach den Stock doch bitte so lang. Der Tip sollte so aussehen, der Tip ist die Spitze. Und den Durchmesser hätten wir gerne so. Danach haben wir praktisch diese Messer fertigen lassen."
Das Standard-Sortiment umfasst zwölf verschiedene Modelle, ausgelegt für Genres von Jazz bis Rock. Wenn die Sticks aus der Maschine fallen, gibt es an beiden Enden noch Überstände. Die lassen sich aber erst abschneiden, nachdem die Stöcke geschliffen und lackiert worden sind.
Gleich schwer - fast aufs Gramm genau
Anschließend müssen noch die Spitze und das untere Ende rund geschliffen werden. Außerdem bekommt jeder Stick eine Bedruckung. Bis zu 80.000 Stockpaare entstehen so jährlich bei Ice Stix. Zu den Umsätzen seiner Firma möchte Birger Schlenstedt sich nicht äußern. Aber er verrät noch einen wichtigen Schritt vor dem Verkauf:
"Nachdem die Stöcke bedruckt worden sind, werden sie auf 1,5 Gramm Genauigkeit gewogen. Das ist jetzt sehr wichtig für den Drummer, dass er im Pärchen die gleiche Grammatur hat, damit er nicht in der rechten Hand einen leichten und in der linken Hand einen schweren Stock hat, was dann beim Spielen immer etwas irritiert."
Kunden: the Bosshoss und andere
Die Sticks von Birger Schlenstedt und seinem Team sind längst europaweit in Musikläden gefragt:
"Dieses Produkt – und da sind wir eigentlich sehr stolz drauf – vervielfältigt sich eigentlich durch Mundpropaganda…"
…und wird auch von den Schlagzeugerinnen und Schlagzeugern bekannter Bands geschätzt:
"Das ist Bosse, das ist The Bosshoss, das sind Playmobeat, dann die Band City. Das würde jetzt zu weit führen, die alle aufzuzählen."
Der Firmenname ist übrigens schnell erklärt: Birger Schlenstedt möchte seine Produkte nicht bloß "Coole Stöcke" nennen, sondern die große Leidenschaft für die unscheinbaren Schlagzeuger-Helferlein betonen.