"Wir behandeln lange Bänder. Das ist nichts anderes, als wenn man ein Tonband hat."
Die Firma THEVA in Ismaning bei München. Geschäftsführer Werner Prusseit steht in der Produktionshalle und hat etwas in der Hand, das in der Tat an ein altes Tonband erinnert. Es ist ein Hightech-Material, das Strom verlustfrei leitet – vorausgesetzt, mal kühlt es ab auf unter 200 Grad Celsius. Denn die dunkelgrauen, metallisch glänzenden Keramikbänder sind Hochtemperatur-Supraleiter, die Strom effektiv und quasi verlustfrei leiten.
"Durch diesen Querschnitt – vier Millimeter breit und ein Zehntel Millimeter dick – können Sie so viel Strom transportieren wie durch ein daumendickes Kupferkabel!"
Allerdings ist das Material spröde. Erst seit einiger Zeit gelingt es, große Spulen aus ihm zu wickeln, wie man sie zum Beispiel für Generatoren braucht. Und so ein supraleitender Generator hätte für Jesper Hansen vom Windradhersteller Envision Energy einen großen Vorteil.
40 Prozent weniger Gewicht
"Wir könnten damit sehr kompakte und leichte Generatoren bauen. Und das ist vor allem für Offshore-Windräder interessant. Gegenüber den heutigen Anlagen ist eine Gewichtsreduktion von 40 Prozent drin."
Generatoren für große Windräder wiegen heute mehr als 200 Tonnen. Künftig plant die Branche sogar noch größere Anlagen. Mit supraleitenden Generatoren ließe sich das Gewicht dieser Riesen halbwegs im Rahmen halten. Um die Technik zu testen, baut Envision nun mit Partnern wie THEVA das erste supraleitende Windrad der Welt. "EcoSwing", so heißt das EU-Projekt, soll 3,6 Megawatt leisten und ist mit einem Durchmesser von vier Metern relativ kompakt.
"Mittlerweile gibt es sehr gute Hersteller für supraleitende Spulen. Sie können die Kabel in verlässlicher Qualität produzieren und zu Spulen wickeln. Und wir haben Methoden entwickelt, wie man diese Spulen gründlich genug testen kann, bevor wir sie in ein Windrad packen."
Ein wichtiger Test ist gerade beendet, und zwar in Bremerhaven am Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik.
"Wir stehen hier vor einer 30 Meter hohen Halle. Diese Höhe brauchen wir, um unsere großen Prüflinge überhaupt in unsere Halle hineinzubekommen."
Prüfstand bringt Material ans Limit
Fraunhofer-Forscher Jan Wenske zeigt auf einen Prüfstand, der Windrad-Generatoren auf Herz und Nieren durchcheckt. Dazu wird der Generator mit Hilfe eines mächtigen Deckenkrans an zwei haushohe Elektromotoren angeflanscht, montiert auf einem Gestell aus meterdickem Stahlbeton. Die Motoren simulieren die gewaltigen Kräfte des Windes. Sensoren messen, wie der Generator darauf reagiert.
"Hier wird das Material immer ans Limit gebracht. Unser Prüfstand ist dazu da, Anlagen in Extremsituationen zu stressen."
Der supraleitende Generator hat den monatelangen Test bestens bestanden. Bis Ende dieses Jahres soll er in ein Windrad installiert werden, direkt an der dänischen Nordseeküste.
"Hier wollen wir den supraleitenden Generator ein Jahr lang testen. Wir wollen herausfinden, wie er sich in der Praxis bewährt. Da werden wir sicher noch einige Erfahrungen sammeln."
Besonderes Augenmerk liegt auf dem Kühlsystem. Damit die Supraleitung zuverlässig funktioniert, muss es den Generator auf minus 240 Grad Celsius herunterkühlen.
"Dieses Kühlsystem funktioniert wie das eines MR-Scanners im Krankenhaus, auf der Basis eines Heliumkompressors. Wie zuverlässig wird es in einer Umgebung sein, die sich laufend bewegt und ständigen Vibrationen ausgesetzt ist?"
100 Kilowatt verbraucht die Kühlung an Strom – rund drei Prozent der Maximalleistung des Generators. Bei Wind wird der Strom für die Kühlung vom Windrad geliefert, bei Flaute kommt er aus dem Netz. 2019, zum Abschluss des EU-Projekts, wollen die Experten Bilanz ziehen und auswerten, wie sich die Technik unter den rauen Bedingungen an der dänischen Küste bewährt hat. Mit einer Markteinführung aber, sagt Jesper Hansen, dürfte wohl nicht so schnell zu rechnen sein.
"Das wird noch ein bisschen dauern. Denn bislang gibt es noch zu wenige Zulieferfirmen für die Supraleitung. Und wir konkurrieren gegen eine Technologie, die 100 Jahre alt ist und für die es etablierte Lieferketten gibt. Es muss also erstmal eine Zuliefer-Industrie wachsen. Und das wird seine Zeit brauchen."