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Schlechte Karten für blinde Passagiere

Umwelt. - Große Schiffe müssen Ballastwasser tanken, um sich auf dem Meer auch bei stürmischer See zu stabilisieren. Doch auf diese Weise reisen auch fremde Arten - von der Mikrobe bis zum Krebs - über weite Strecken und bringen so das biologische Gleichgewicht mitunter ins Wanken. Eine umweltfreundliche Reinigungsmethode soll das verhindern.

Von Christoph Kersting | 16.03.2009
    Bremerhaven, Containerterminal II. An der Kaje liegt ein Riesentanker aus Korea, dessen Ladung gerade gelöscht wird. Nur fünf Autominuten vom Hafen entfernt hat Mathew Wade sein Büro. Den Ingenieur vom Technologie-Zentrum ttz interessiert jedoch nicht die kostbare Fracht der Schiffe, die täglich in der Seestadt festmachen. Matthew Wade hat es auf die blinden Passagiere in den Stabilisierungs-Tanks der Ozeanriesen abgesehen:

    "Wenn es um Bio-Invasoren geht, ist die Wollhandkrabbe bei uns wohl das bekannteste Beispiel. Ganz einfach, weil die Wollhandkrabbe ein gut sichtbarer Eindringling ins hiesige Ökosystem ist, genauso wie die Zebramuschel übrigens. Diese Spezies sind beide im letzten Jahrhundert durch Ballastwasser hierher gekommen und haben sich rasend schnell vermehrt. Sie sind offenbar aggressiver als heimische Arten und verdrängen diese nachweislich aus unserem Ökosystem. Das hat nicht nur Auswirkungen auf die Arten, mit denen diese Bio-Invasoren unmittelbar konkurrieren, sondern auf die gesamte Nahrungskette."

    Die Globalisierung der Seeschifffahrt hat dazu geführt, dass auch Bio-Invasoren mehr und mehr zu einem globalen Problem werden. Im Schwarzen Meer, in amerikanischen Flüssen, im Indischen Ozean – überall sind die Auswirkungen durch eingeschleppte Spezies wie Muscheln oder Quallen sichtbar. Kein Wunder bei rund 40.000 Frachtschiffen, die auf den Weltmeeren unterwegs sind. Über Schiffe eingeschleppte Krankheitserreger können aber auch für den Menschen zu einer unmittelbaren Bedrohung werden. Anfang der 90er Jahre etwa erkrankten in weit auseinander liegenden Gebieten von Peru zahlreiche Menschen innerhalb weniger Tage an Cholera. Einzige Erklärung der Experten: Ein Schiff aus Asien hatte in mehreren Häfen verseuchtes Wasser ins Meer geleitet, die Menschen infizierten sich offenbar über gefangene Fische in der Region. Auch die Internationale Seeschifffahrts-Vereinigung IMO hat die Dimension des Problems erkannt und verfügt, dass bis zum Jahr 2016 kein ungereinigtes Ballastwasser mehr in die Meere gepumpt werden darf. Ein neuartiges Reinigungsverfahren haben Forscher aus ganz Europa im EU-Projekt BaWaPla entwickelt, dessen Fäden am ttz Bremerhaven zusammen laufen. Anders als bisherige Verfahren arbeitet die neue Technik nach einem Drei-Stufen-Plan und soll so sämtliche Spezies, von Fischen bis hin zu Phytoplankton, erfassen, erklärt Projektleiter Matthew Wade:

    "Das Ballastwasser durchläuft am Anfang einen Filter, der größere Lebewesen abfängt. Für kleinere Organismen haben wir dann einen elektrochemischen Generator und im letzten Schritt UV-Licht. Der Generator erzeugt durch Elektrolyse aus Meerwasser so genanntes Anofluid – eine spezielle Lösung, die für Mikroorganismen wie Plankton toxisch ist. Diese chemische Wirkung hält jedoch nur eine gewisse Zeit lang an, so dass keine für die Umwelt schädlichen Rückstände ins Meer geleitet werden. UV-Licht schließlich hat eine ähnliche Wirkung auf viele Mikroorganismen, indem es die Zellstrukturen zerstört. Das Plankton etwa kann sich dadurch nicht mehr vermehren oder wird abgetötet."

    Dass BaWaPla funktioniert, haben die Ergebnisse einer Pilotanlage an der Universität Istanbul gezeigt. In diesem Jahr nun wollen die Forscher um Matthew Wade an der britischen Universität Newcastle eine Anlage bauen, die dann erstmals auf einem Schiff getestet wird. Erst dann kann die Zertifizierung durch die IMO erfolgen. Die ttz-Ingenieure Matthew Wade und Gerhard Schories jedenfalls sind zuversichtlich, dass das neue Reinigungsverfahren lange vor 2016 auf den Weltmeeren zum Einsatz kommt:

    "Das heißt, es wäre das Ziel, das in ein, anderthalb Jahren tatsächlich am Markt vorstellen zu können, das ist das Ziel."