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Schlechtes Englisch bei Brandenburgs Neuntklässlern

Es war ein Schock: Als im Sommer die Ergebnisse des Pisa-Vergleichstests öffentlich wurden, belegten Brandenburgs Neuntklässler sowohl in Deutsch als auch in Englisch hintere Plätze.

Von Amelie Ernst |
    Brandenburgs Bildungsminister Holger Rupprecht suchte die Schuld zunächst bei den schlecht ausgebildeten DDR-Englischlehrern - und erntete Kritik. Was sich seitdem getan hat.

    Jens macht das nicht zum ersten Mal - Vorträge wie der heute über die Umweltorganisation WWF gehören hier im Englisch-Leistungskurs am Potsdamer Einsteingymnasium einfach dazu.

    Dass das Englisch-Sprechen hier nicht zu kurz kommt, dafür sorgt Martina Donschik. Sie ist eine der Lehrerinnen, die schon in der DDR Englisch unterrichteten. Und damit eine von denen, die Brandenburgs Bildungsminister Holger Rupprecht nach den schlechten Englisch-Tests im Sommer zuerst ins Visier nahm:

    "Sie hatten ein Manko: Sie hatten wenig Kontakt mit Muttersprachlern, das war so in der DDR. Sie waren nicht im Ausland – Highschool-Jahr oder Auslandssemester waren eben nicht drin."

    Das will Martina Donschik so nicht stehen lassen. Auch in der DDR habe es guten Englisch-Unterricht gegeben:

    "Also es war nicht so das wir jetzt ´nen schlechten Unterricht gemacht haben. Unsere Bücher waren ein bisschen beschränkt. Wir hatten ja nun nicht die Auswahl, die Möglichkeiten, die Medien, aber die sind ja jetzt auch in den letzten Jahren erst gekommen. Der Unterricht war generell anders, aber das betrifft ja alle Bundesländer."

    Seit 36 Jahren unterrichtet Martina Donschik Englisch. Gleich nach der Wende reiste sie zum ersten Mal ins Ausland und besucht seitdem regelmäßig Weiterbildungen. Doch so motiviert wie sie sind nicht alle Englischlehrer, meint Bildungsminister Holger Rupprecht:

    "Es gibt unendlich viele, die jede Chance nutzen, um sich selbst zu qualifizieren, um sich fortzubilden. Aber es gibt auch einige die sagen 'Ich hab' ein Studium gemacht, und jetzt ist das für mich erledigt'. Das ärgert mich."

    Das Problem seien vor allem die sogenannten "Schnellbesohlten" – also die Lehrer, die nach der Wende im Schnellverfahren zu Englischlehrern umgeschult wurden. Zumindest an diesem Punkt sind sich der Bildungsminister und Torsten Tappert, der Präsident des Brandenburgischen Pädagogenverbands einig:

    "Viele Lehrer waren Russisch-Lehrer, und haben einfach sich gesagt: Ich mach' Englisch jetzt noch mal nach. Und die haben nur Vokabeln gelernt, keine Aussprache, haben sich die Methodik teilweise in stundenlanger Arbeit selbst angeeignet. Aber eine Hilfestellung von Seiten des Arbeitgebers geschah nie."

    Der Arbeitgeber, genauer: die Landesregierung, kann diese Kritik mittlerweile nachvollziehen. Dass die umgeschulten Englischlehrer heute nicht auf demselben Niveau unterrichten wie die regulär ausgebildeten, sei eigentlich klar, sagt Bildungsminister Rupprecht:

    "Ich sage heute: Wir sind natürlich mit Schuld, weil wir vielen nicht die Hilfestellung gegeben haben, die sie brauchten. Weil eigentlich klar war, sie müssen sich permanent fortbilden, um ihre Qualität weiter zu verbessern. Und das wollen wir jetzt nachholen – es ist nie zu spät."

    Christiane Friebe gehört zu denen, die sich einen Großteil ihrer Englischkenntnisse erst nach der Wende angeeignet haben – aus freien Stücken. Sie wundert sich, dass nicht alle Umgeschulten die neuen Chancen wahrgenommen haben:

    "Man kann wegfahren, man hat alle Möglichkeiten über's Internet, man kommt an Literatur ran, kann Filme im Original gucken – da kann keiner sagen, er hat jetzt nicht die Möglichkeit, sich fortzubilden."

    Im Leistungskurs von Martina Donschik sollen die zwölf Schüler jetzt ihre Meinung zum Engagement von Prominenten in Sachen Umweltschutz notieren: Ist es nur Heuchelei, wenn sich Leonardo di Caprio für bedrohte Tiger einsetzt?

    Die meisten Schüler hier fühlen sich von den viel kritisierten Englischlehrern eigentlich gut betreut – und von Martina Donschik sowieso, trotz ihrer DDR-Biografie in Sachen Englisch.

    Schülerin:
    "Ich bin sehr zufrieden mit dem Englischunterricht hier, weil er sehr unterschiedlich gestaltet wird, wir hören Vorträge, schreiben Texte, es gibt oft sehr lebhafte Diskussionen. Es macht mir Spaß, weil wir auch viel Englisch sprechen und nicht der Großteil in Deutsch abgehalten wird."

    Aber Leistungskurs ist schließlich Leistungskurs. Damals, in der Sekundarstufe 1 dagegen, in der auch für den Bundesvergleich getestet wurde, sah das mit der Unterrichtsqualität (bei manchem) noch anders aus.

    Schüler:
    "Ich muss sagen, dass es in der Unterstufe eher ein schlechter Unterricht war: Fehlende Lehrer, teilweise gab's gar keinen Englischunterricht. Und da die Gruppen auch viel zu groß waren, wurde auch gar nicht individuell auf Einzelne eingegangen."

    "Als wir noch alle zusammen waren, war das halt schrecklich – gar kein Arbeitsklima, viel abgelenkt, viel Quatsch gemacht – ich zumindest. Jetzt konzentriert man sich auf Englisch und es läuft."

    Nicht nur die Lehrer, auch die Klassengrößen scheinen also der Schlüssel zu besseren Leistungen in Englisch zu sein – findet auch Lehrerin Martina Donschik. In der Unterstufe seien 30 Schüler und mehr pro Klasse eher die Regel als die Ausnahme:

    "In einer Fremdsprache 20 bis 25 Leute – mehr nicht. Dann kann man Unterricht machen. Alles, was drüber geht, da ist nicht mehr gewährleistet, dass die Schüler wirklich reden."

    Noch im Dezember will Bildungsminister Holger Rupprecht einen Aktionsplan für besseren Englischunterricht vorlegen. Ob der auch kleinere Klassen vorsieht, ist offen. Martina Donschik und ihre Schüler würde es jedenfalls freuen.

    Weitere Informationen:
    Seite der COMENIUS-Lehrerfortbildung der Kultusministerkonferenz