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Schlemmertöpfchen, Miniwürstchen und Zauberjoghurt

Auch in diesem Jahr vergibt die Verbraucherorganisation Foodwatch den "Goldenen Windbeutel" an ein Produkt der Lebensmittelindustrie, das von der Werbung in höchsten Tönen gelobt wird, aber dabei nur vorgaukelt, besonders gesundheitsförderlich oder naturbelassen zu sein.

Anne Markwardt im Gespräch mit Theo Geers |
    Theo Geers: Wer isst schon gerne ein Produkt, das damit wirbt, zu 60 Prozent aus Fett und Zucker zu bestehen? Wohl niemand. Also wird für dieses Produkt anders geworben, zum Beispiel mit Sportlern, die mit großem Appetit in das Produkt hineinbeißen, und schon steht es viel besser da.

    Solche und andere Werbelügen spießt die Verbraucherorganisation Foodwatch alljährlich mit dem Goldenen Windbeutel auf. Der Goldene Windbeutel ist ein Negativpreis und welches Produkt ihn bekommt, das entscheiden die Verbraucher selbst per Abstimmung im Internet unter www.abgespeist.de. Zu diesem Internet-Portal kommt man auch hin, wenn man die Seite von Foodwatch besucht.

    Am Telefon ist jetzt Anne Markwardt in Berlin, die Kampagnenleiterin für den goldenen Windbeutel. Guten Tag, Frau Markwardt.

    Anne Markwardt: Guten Tag!

    Geers: Frau Markwardt, ein Produkt, das dieses Jahr den Goldenen Windbeutel bekommen könnte, habe ich gerade schon beschrieben. Nennen Sie mal Ross und Reiter!

    Markwardt: Dabei handelt es sich um die Milchschnitte von Ferrero, die tatsächlich damit beworben wird, dass sie leicht schmeckt, nicht belastet und ein idealer Pausensnack ist und von Sportlern beworben wird, tatsächlich aber eben mehr Zucker, Fett und Kalorien hat als so manche Schoko-Sahne-Torte und damit natürlich überhaupt nicht leicht ist.

    Geers: Wen haben Sie denn noch nominiert?

    Markwardt: Nominiert ist auch Activia von Danone, ein Joghurt, ein sehr teurer Joghurt, bei dem man in der Werbung den Eindruck gewinnt, es handele sich um das Wundermittel für die perfekte Verdauung. Das kann aber nicht mal so eben Jedermanns Verdauung regulieren. Da werden minimale Effekte aus Studien maximal aufgeblasen.

    Auch die Ferdi-Fuchs Miniwürstchen des Herstellers Stockmeyer sind nominiert. Die werden nämlich beworben wie ein gesundes Kinderprodukt. Da heißt es, der tägliche Beitrag für die gesunde Ernährung. Das Produkt enthält sehr viel Salz und ist damit eher ein Beitrag zum spätern Bluthochdruck als zur besonders gesunden Ernährung.

    Auch Kandidat ist das Schlemmertöpfchen der Firma Kühne. Das ist ein angebliches Premium-Traditionsprodukt, auch zum Premium-Preis, sehr viel teurer als viele andere Gewürzgurken, enthält aber Aromen und Farbstoffe, also auch in Wahrheit nur standardisierte Industrieware.

    Und schließlich ist auch nominiert nimm2 von Storck. Da gewinnt man ja schon seit Jahrzehnten den Eindruck, dass es sich dabei auch um die irgendwie besseren gesünderen Bonbons handelt. Tatsächlich ist aber dieser künstliche Vitamin-Cocktail nicht nur überflüssig, sondern auch hoch problematisch, weil er Kindern eben vermittelt, dass man auch mit Bonbons seinen Vitaminhaushalt decken kann, oder dass die möglicherweise so wertvoll sind wie Obst und Gemüse. Und das ist natürlich das falsche Signal.

    Geers: Nun haben Sie fünf Kandidaten für den goldenen Windbeutel nominiert, Frau Markwardt. Wie kommen Sie zu diesen fünf Kandidaten?

    Markwardt: In unserer Kampagne abgespeist.de untersuchen wir regelmäßig, was es für Mogelprodukte im Supermarkt gibt, und es gibt eine ganze Menge. Die Täuschung gehört dort zum System. Und die stellen wir auf der Seite vor und fordern Verbraucher auch auf, sich bei den Herstellern über diesen Schwindel zu beschweren. Aus den Produkten aus dem letzten Jahr, die wir seit der Vergabe des letzten Windbeutels untersucht haben, sind jetzt diese fünf Kandidaten nominiert worden.

    Geers: Bis wann läuft denn die Abstimmung und wann werden Sie Ergebnisse vorlegen?

    Markwardt: Man kann noch bis zum 16. Juni im Internet abstimmen und voraussichtlich werden wir dann am 17. Juni oder zumindest sehr dicht im Anschluss dann den Preis auch an den Gewinner überreichen und verleihen.

    Geers: Nun gehört ja wenig Fantasie dazu, Frau Markwardt, sich vorzustellen, dass der Hersteller des jeweiligen Preisträgers wenig Wert auf die Übergabe des Goldenen Windbeutels legt. Wie gesagt, das ist ein Negativpreis. Wie war das denn bisher bei den bisherigen Preisträgern von 2010 oder 2009?

    Markwardt: Im ersten Jahr, 2009, hat Actimel von Danone gewonnen, im letzten Jahr war es die Molkerei Zott für den Drink Monte. Beide Male hat die Geschäftsführung den Preis nicht entgegengenommen. Das war für uns ein Zeichen dafür, dass sich diese Hersteller - aber auch die Branche an sich - noch nicht mit dieser Verbraucherkritik auseinandersetzen wollte. Wir hoffen, dass es in diesem Jahr anders wird, und wir sehen auch, dass die Lebensmittelindustrie der Debatte nicht mehr ausweichen kann, sie auch nicht mehr ignorieren kann, weil der Verbraucherprotest einfach wächst und weil die Verbraucher auch ganz klar zeigen, dass sie mit der Situation momentan nicht zufrieden sind.

    Geers: Ändert sich eigentlich hinterher etwas bei dem Negativpreisträger, also zum Beispiel am Produkt, oder an der Werbung?

    Markwardt: Einer der Nominierten aus dem letzten Jahr hat die Rezeptur einer Dosensuppe grundlegend verbessert. Auch ein anderer Hersteller, Gutfried, hat aus einer Putenbrust, die zur Hälfte aus Schweinefleisch bestand, auch das Schweinefleisch entfernt nach massivem Verbraucherprotest. Also wir sehen, dass es Hersteller gibt, die reagieren auf den Verbraucherprotest, die den ernst nehmen, aber die sind noch in der Minderheit und deswegen ist es so wichtig, dass die Verbraucher weiter Druck machen, dass die Verbraucher sich zum Beispiel auch an dieser Wahl beteiligen und bei den Herstellern beschweren, um zu zeigen, so wollen wir das nicht weiter haben, da muss sich was ändern.

    Geers: Danke schön! – Foodwatch sucht den Preisträger für den Goldenen Windbeutel 2011, also die dreisteste Werbelüge über ein Lebensmittel. Wir sprachen mit der Leiterin der Kampagne, Anne Markwardt von Foodwatch. Und abstimmen kann wie gesagt jeder im Internet unter www.foodwatch.de und www.abgespeist.de.

    Informationen zum "Windbeutel":
    foodwatch.de: "Goldener Windbeutel" 2011