Matteo Renzi, Italiens forscher Ministerpräsident, hat den Schleppern den Kampf angesagt – angesichts von rund 1.800 Toten auf dem Mittelmeer seit Januar und angesichts von weit über 50.000 Migranten, die es in diesem Jahr schon lebend nach Italien geschafft haben.
"Die Menschenhändler zu bekämpfen, bedeutet, die Sklavenhändler des 21. Jahrhunderts zu bekämpfen. Das ist eine Frage der Menschenwürde und der Gerechtigkeit. Die Tatsache, dass in diesem Moment 1.002 Männer in den italienischen Gefängnisse einsitzen, die von unserer Polizei verhaftet wurden, kann nicht bedeuten, dass Europa uns den Kampf überlassen kann, der ein Kampf für die Zivilisation ist."
Man sollte nach Sizilien reisen, um zu verstehen, wie ernst die Lage ist und vor allem wie wenig die Erfolge wert sind, auf die Matteo Renzi so stolz ist. In Catania verteidigt der Anwalt Massimo Ferrante den Kapitän eines Flüchtlingsbootes, einen Tunesier, dem fahrlässige Tötung in Hunderten Fällen vorgeworfen wird. Vor wenigen Wochen, am 19. April, sank 70 Meilen vor der Küste Libyens das Boot, das er steuerte. Rettung kam schnell, aber zu spät. Hunderte waren im Bauch des Bootes eingepfercht, nur 28 haben überlebt. Seitdem bewegt sich etwas in Europa, seitdem wird auch über den Kampf gegen die Schlepper diskutiert zum Beispiel darüber, ihre Boote zu zerstören. Massimo Ferrante, der Anwalt, ist mehr als skeptisch:
"Wenn die Politiker darüber sprechen, die Boote zu zerstören, dann sind das leere Worte, die keinen Sinn ergeben. Sie basieren auf einer absoluten Unkenntnis der Begebenheiten."
Ins Netz gehen meist nur die kleinen Fische
Im Justizpalast von Catania werden die Prozesse gegen viele der kleinen Fische geführt, die ins Netz gehen. Die Kapitäne der Flüchtlingsboote haben keinen großen Anteil am großen Geschäft mit der Flucht nach Europa. Sie sind normalerweise die, die das Steuer halten und dafür gerade mal die Reise umsonst bekommen. Wenn sie ins Gefängnis gehen, gibt es tausend andere, die ihren Job übernehmen.
Wer zu Giovanni Salvi, dem Generalstaatsanwalt, will, muss gleich an mehreren Sicherheitskontrollen vorbei, aus Sorge vor Anschlägen der Cosa Nostra. Lange Jahre war der Kampf gegen die Mafia hier in Catania die schwerste Aufgabe, aber inzwischen sind einige Staatsanwälte damit beschäftigt, den Schleppern das Handwerk zu legen. Giovanni Salvi erzählt von Erfolgen: Man habe die Chefs von Schleuserorganisationen in Ägypten ermittelt, die viele Tote auf dem Gewissen und die schlimme Verbrechen begangen hätten. Aber nun gebe es Probleme mit der Auslieferung. Der Generalstaatsanwalt von Catania steht offenbar auf verlorenem Posten in diesem Kampf und das liegt auch an der Verzweiflung derer, die die Schlepper nach Europa bringen:
Verzweiflung als Motor
"Es gibt Familien, die nicht in der Lage sind, die Reise zu bezahlen. Sie setzen Kinder ohne Begleitung in die Boote. Und sie tun das nicht, um sie auszusetzen, sie allein zulassen, sondern aus Liebe zu ihnen. Sie lassen sie auf den Booten zurück, damit sie eine bessere Zukunft in Europa haben. Glauben sie, dass die Menschen davon abgehalten werden, weil ein Schiff untergeht? Das ist nicht die Lösung."
Und es gibt noch ein Problem im Kampf gegen die Schlepper und das ist Europas Flüchtlingspolitik.
In Verona, im Norden Italiens, trifft man einen, der das Geschäft der Schlepper untersucht hat und der ihnen nahe gekommen ist wie nur wenige. Andrea di Nicola ist Kriminologe, gemeinsam mit dem Journalisten Giampaolo Musomeci hat er ein Buch geschrieben und dafür mehrere Schlepper rund um das Mittelmeer getroffen. An Europas Flüchtlingspolitik lässt er kein gutes Haar, auch, weil sie dazu führt, dass sich verzweifelte Menschen den Schleppern anvertrauen.
"Alle diese Schleuser haben uns dasselbe gesagt: Ihr sorgt dafür, dass wir Arbeit haben. Wenn ihr euch so verhaltet, verdiene ich nur noch mehr. Ihr schließt eure Grenzen und investiert nur in Abwehr? Ihr habt Frontex? Das alles bringt mehr Geld für mich, für meine Organisation, für mein Netzwerk."
So machen die Schlepper weiter ihre Geschäfte und verdienen kräftig mit der Not und Verzweiflung und mit dem Traum von Europa. Und Europa lässt sie machen, denn eine eigene Antwort auf all das hat man nicht.