Die "Vermont Trade" liegt am Kai des Containerterminals Bremerhaven. Das fast 300 Meter lange Containerschiff will ablegen und muss im engen Fahrwasser der Weser gedreht werden. Ohne Schlepper läuft da gar nichts. Gegenüber den behäbigen Ozean-Riesen sind sie dank eines speziellen Antriebs wendig wie Autoscouter. Schlepperkapitän Frank Hoten trägt Dreitagebart. Die dunklen Haare liegen wuschelig. An der Schläfe wechseln sie ins Graumelierte.
"Wir sind heute Morgen mit drei Mann gekommen um neun Uhr, da war Ablöse. Ein Kapitän, ein Maschinist, ein Schiffmechaniker. Wir bleiben dann vier Tage an Bord."
"Weser" heißt der Schlepper der URAG, der Unterweser-Reederei Bremerhaven. In Dienst gestellt wurde er im Jahr 2000, ist 35 Meter lang und 12,50m breit. Er zählt somit zu den größeren und kräftigeren unter den 20 Schleppern, die in Bremerhaven stationiert sind, erzählt Hoten. Der 52-jährige steuert die "Weser" aus dem Schlepperbecken an die Stromkaje.
Der Schlepper "Pioneer" kommt ihm entgegen. Er zieht einen Autodampfer durch die Kaiserschleuse. Die "Pioneer" fährt unter holländischer Flagge, mit holländischer Besatzung, ist aber in Bremerhaven stationiert. Als 1999 die niederländische Schlepperreederei Kotug nach Bremerhaven kam, brachte sie das Preisgefüge kräftig durcheinander. Dank steuerlicher Erleichterung und staatlicher Zuschüsse konnten die Holländer deutlich billiger arbeiten als die URAG, die seit Jahrzehnten das Revier zusammen mit zwei anderen Anbietern friedlich und lukrativ aufgeteilt hatte. Ein regelrechter Schlepperkrieg brach aus.
Neue Konkurrenten drängen nach Bremerhaven
2002 wurde er beendet. Die EU-Kommission erklärte die Subventionierung der Holländer für unzulässig. Nun drängt ein neuer Konkurrent ins Revier. Die dänische Schlepperreederei Svitzer, eine hundertprozentige Tochter des Maersk-Konzerns, der die weltweit größte Containerflotte betreibt. Seit Beginn des Jahres 2014 übernimmt Svitzer das Festmachen und Ablegen aller Schiffe, die der Mutterkonzern nach Bremerhaven schickt. Das sind immerhin 1.700 Containerschiffe pro Jahr. Gleichwohl arbeitet die dänische Schlepperreederei mit nur zwei eigenen Schleppern in Bremerhaven. Zwei weitere haben die Dänen von der URAG gechartert. Geschäftsführer Gerhard Woerheide sieht es mit einem lachenden und einem weinenden Augen:
"Svitzer selber ist natürlich ein Unternehmen, das zwar riesengroß ist. Sie haben zwar deutlich mehr Schlepper als wir. Aber für die vielen Verträge, die sie weltweit machen, haben sie eigentlich relativ wenig Schlepper. Svitzer geht erst zum Kunden, schließt einen Vertrag ab. Wenn er den Vertrag hat, nimmt er den bisherigen Vertragspartner als Subunternehmer mit rein und das altgediente Schlepperunternehmen fährt dann auf einmal die alten Verträge - nur zu deutlich weniger Geld."
17 Schlepper fahren für die URAG. In Bremerhaven, Bremen und den anderen Häfen an der Unterweser. 29 Beschäftigte arbeiten an Land, 150 an Bord der Schlepper. 1890 wurde das Unternehmen gegründet. 2014 lag der Umsatz bei 40 Millionen Euro.
Ein Einsatz kostet zwischen 1.000 und 5.000 Euro
Grundsätzlich gibt es in deutschen Häfen keine Schlepperpflicht. Der Hafenlotse, der den Kapitän auf der Brücke berät, bestellt die Schlepper. Ein Schlepper kostet nach Schiffsgröße gestaffelt pro Einsatz zwischen 1.000 und 5.000 Euro. Geschäftsführer Woerheide erklärt, dass es natürlich Auftragsspitzen gebe, "wo Svitzer mal jemanden sucht, der ihnen dann aushilft. Das geht in den meisten Fällen gut, kann aber auch mal nicht gut gehen, weil wir anderen Schleppreedereien, das betrifft nicht nur die URAG, natürlich nicht immer Überkapazitäten vorhalten. Das rechnet sich nicht."
Vorne am Schiffsbug hat sich der zweite Schlepper, die "Turm", in Position gebracht. Der Lotse gibt auf der Brücke der "Vermond Trade" über Funk das Kommando zum Losmachen. "Turm voll. Und voll. Weser langsam". So klingen die Kommandos.
Die beiden Dieselmotoren mit 2.500 Kilowatt arbeiten mit voller Kraft. Der Schlepper vibriert bis ins hinterste Eck. Langsam, ganz langsam schiebt sich das Containerschiff von der Kajmauer. Nach einer Viertelstunde ist das Manöver beendet. Das Containerschiff liegt jetzt im Fahrwasser der Außenweser, der Bug zeigt zur offenen See. Die Sirene ertönt.
Aus eigener Kraft setzt die "Vermond Trade" ihre Fahrt fort. Zielhafen ist Le Havre. Schlepperkapitän Frank Hoten dreht ab und kehrt an den Anlegeplatz zurück. Wann er das nächste Mal raus muss, weiß er noch nicht. Die freie Zeit wird, wie auf allen Schiffen, sinnvoll genutzt mit Anstrich- und Konservierungsarbeiten.