Fritz Heydemann vom NABU Schleswig-Holstein steht auf einer gut 2 Hektar großen Wiese mitten in der Holsteinischen Schweiz, einer von der letzten Eiszeit geformten Hügellandschaft im Osten Schleswig-Holsteins. Die satt-grüne Wiese ist von Knicks eingefasst – den typischen Wallhecken der Region – und erstreckt sich mit sanfter Neigung bis an das Ufer eines großen Sees. Seit Jahrzehnten hat auf dieser Fläche kein Ackerbau stattgefunden – es ist wertvolles Dauergrünland, Klimaschutz pur, erklärt Heydemann.
"Dies hier ist eine Dauergrünlandfläche auf mineralischem Boden, die seit ich denken kann nicht mehr umgebrochen worden ist. Hier sind pro Hektar ungefähr hundert Tonnen Kohlenstoff gespeichert – und wenn man das in CO2 umsetzen würde, dann wären das über 300 Tonnen pro Hektar."
Die würden in die Atmosphäre entweichen, wenn aus dieser Wiese wieder ein Acker würde. Das entspricht laut Bundesumweltamt ziemlich genau dem jährlichen CO2-Ausstoß von 13 bundesdeutschen Durchschnittshaushalten. Vor allem in feuchten Niederungsgebieten sei in den vergangenen Jahren viel zu häufig Grünland unter den Pflug genommen worden, kritisiert der NABU-Experte.
Maisanbau fördert CO2-Produktion
"Wir haben in Schleswig-Holstein ungefähr 80.000 Hektar stark entwässerten Moorboden der landwirtschaftlich genutzt wird. Diese Fläche emittiert rechnerisch 2,3 Millionen Tonnen CO2 – pro Jahr!"
… und das wiederum entspricht in etwa der jährlichen CO2-Produktion von einem Zehntel der Gesamtbevölkerung Schleswig-Holsteins. Ein wesentlicher Faktor bei dieser Entwicklung ist der Maisanbau, der in den vergangenen Jahren wegen der Förderung der erneuerbaren Energien stark zugenommen hat. Biogas – für viele Landwirte war das bisher eine äußerst lukrative Angelegenheit, und auf den ersten Blick auch ein richtiger Schritt im Kampf gegen den Klimawandel. Bei näherer Betrachtung aber eine Fehlentscheidung, meint Friedhelm Taube, Experte für Ökolandbau an der Uni Kiel.
"Biogas wird eigentlich für Klimaschutz erzeugt – gerade auch von Ackerkulturen, aber wenn dafür vorher Grünland umgebrochen worden ist, dann wird dabei so viel Kohlenstoff freigesetzt, dass den eine Biogasanlage über 20 Jahre kaum kompensieren kann."
Klare Regelungen gegen Dauergrünlandverluste
Schon vor einigen Jahren reagierte die Kieler Landesregierung auf die Dauergrünlandverluste – seither gebe es klare Regelungen, betont Michael Müller-Ruchholtz, Justiziar des schleswig-holsteinischen Bauernverbandes.
"In Schleswig-Holstein ist es so, dass seit dem Jahr 2008 Dauergrünland nur noch umgebrochen werden darf, wenn vorher eine Genehmigung eingeholt wurde – und Bestandteil dieser Genehmigung ist immer, dass dann an anderer Stelle bisher als Ackerfläche genutztes Land zu Dauergrünland gemacht wird."
Die Folgen: Um dieser Vorschrift auszuweichen nahmen 2008 viele Landwirte eilig Flächen unter den Pflug, die sie vorher nicht als Ackerfläche genutzt hatten – um sich gegen Eingriffe in ihre Eigentumsrechte zu wehren, erläutert Müller-Ruchholtz.
"Jeder Eigentümer, der einen Weg sieht, diesen Einschränkungen zu entgehen, der tut das – so auch bei den Landwirten. Tatsächlich ist das nicht in jedem Fall optimal gewesen, und es gibt viele Flächen in der Tat, die zwischenzeitlich als Maisschlag genutzt wurden, wo man jetzt auch diese Nutzung wieder aufgegeben hat."
Lieber Ackergras als Milchkühe
Vor allem auf diesen meist feuchten, moorigen Niederungsflächen müsse das Umbruchverbot konsequent durchgehalten werden, fordert der NABU-Vertreter Fritz Heydemann. Anstatt dort einfach Milchkühe weiden zu lassen werde aber auf diesen Flächen häufig sogenanntes Ackergras für die Futtermittelproduktion ausgesät, aber auch dafür muss der Boden bearbeitet werden – mit fatalen Folgen.
"Damit diese Gräser wirklich ihre Leistung voll entfalten können, muss die Fläche regelmäßig umgebrochen und neu angesät werden. Aber eben nach diesem Umbruch entsteht wieder eine ganz kräftige CO2-Emission."
Finger weg von diesen Flächen – fordert auch Friedhelm Taube von der Uni Kiel. Denn das "klimarelevante Grünland" steht als letzte Reserve für die Ausweitung der landwirtschaftlichen Nutzfläche weltweit unter massivem Druck. In Südamerika z.B. werde immer mehr Grasland für den Anbau von Sojabohnen in Ackerfläche umgewandelt – eine direkte Folge des steigenden Fleischkonsums vor allem in Europa und des damit wachsenden Bedarfs an Futtermitteln, erläutert der Agrarexperte. Vor dem Hintergrund des sich beschleunigenden Klimawandels müsse dieser Trend gestoppt werden – auch in Schleswig-Holstein.
"Also - wir haben ja immer noch im Vergleich zu anderen Bundesländern vergleichsweise hohe Anteile mit knapp 30 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche, und davon ist die Hälfte uneingeschränkt schützenswert eigentlich als absolutes Grünland anzusprechen. Das heißt hier muss auf jeden Fall auch Acker – wenn irgend möglich – wieder zurück umgewandelt werden in Grünland!"