Dass es Vorbehalte gibt in der CDU gegen den Spitzenkandidaten Ingbert Liebing war kein Geheimnis, auch, wenn diese eher hinter vorgehaltener Hand geäußert wurden. Doch was der 53-jährige Bundestagsabgeordnete am Freitagnachmittag verkündete, war dann schon eine Überraschung: "Ich habe zu Beginn der Sitzung des geschäftsführenden Landesvorstands, dass ich am 19. November beim Landesparteitag nicht erneut als Landesvorsitzender antrete und die Spitzenkandidatur am 7. Mai für die Landtagswahlen zurückgebe."
Noch im Juni hatten 92 Prozent der Delegierten entschieden: Liebing soll die Union in den Landtagswahlkampf führen und damit auch zurück in die Kieler Staatskanzlei. Doch die Aussichten dafür hatten sich zuletzt deutlich eingetrübt. In einer Umfrage vor wenigen Tagen sackte die CDU auf 26 Prozent ab. Gerade mal neun Prozent erklärten, dass sich Liebing als Spitzenkandidaten wünschten. Auch innerparteilich sank die Unterstützung für den Sylter.
"Für mich ist Politik immer eine dienende Funktion gewesen, ich habe sie gern gemacht. Auch diese zwei Jahre als Landesvorsitzender waren für mich zwei schöne Jahre, dem Land zu dienen, meinem Heimatland Schleswig-Holstein, in dem ich geboren und aufgewachsen bin, in dem ich seit Jahrzehnten meine Arbeit mache für die Menschen. Aber diese dienende Funktion steht für mich im Mittelpunkt und ich hoffe, dass meine heutige Entscheidung auch in diesem Sinne für die CDU und für das Land insgesamt eine dienende Funktion hat."
Daniel Günther will Parteivorsitz und Spitzenkandidatur übernehmen
Mit seinem Rücktritt sprach sich Liebing gleichzeitig dafür aus, dass der bisherige CDU-Fraktionschef Daniel Günther sowohl den Parteivorsitz wie auch die Spitzenkandidatur übernehmen solle. Günther ist mit 43 Jahren um einiges jünger als Liebing und macht deutlich, dass er für die Nachfolge bereitsteht: "Mir ist sehr wohl bewusst, dass wir als Union eine ganze Menge vor uns haben in den nächsten sechs Monaten. Dass die Umfragen, die wir im Moment haben, für uns alles andere als gut sind. Aber ich bin überzeugt davon, dass wir es mit einer starken und geschlossenen Unionen hinbekommen, diese Landtagswahl so zu gestalten, dass wir Regierungsverantwortung in Schleswig-Holstein übernehmen können."
In den letzten fünf Jahren hat es gleich vier Rücktritte an der Spitze der Nord-CDU gegeben. Ob die Union vor dem Landesparteitag im November vor einem Scherbenhaufen steht oder einem Aufbruch, ist offen.
FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki bezeichnete den Rücktritt von Ingbert Liebing als konsequent. Mit Daniel Günther an der Spitze könne es der Union gelingen, die schwer erträgliche Selbstzufriedenheit von Ministerpräsident Albig zu erschüttern, sagte Kubicki. Tatsächlich gilt Günther in Schleswig-Holstein als deutlich bekannter und präsenter in den Debatten als der nun zurückgetretene Liebing.
Doch Günthers Lautstärke sei kein Politikersatz, ist SPD-Fraktionschef Ralf Stegner überzeugt. Der neue Spitzenkandidat stehe inhaltlich mit leeren Händen da, weil die CDU es in all den Jahren nicht geschafft habe, eine Politik für die Zukunft des Landes zu entwickeln, so Stegner.