Seit knapp drei Jahren führt Martin Garibotto jetzt ein Pendlerleben. Der 34-Jährige wohnt in Kiel und fährt jeden Tag nach Husum, wo er als Augenarzt arbeitet. Knapp anderthalb Stunden dauert die Bahnfahrt pro Strecke.
An diesem Morgen nimmt Garibotto wie meistens den Zug, der um kurz nach sechs den Kieler Hauptbahnhof verlässt. Der Triebwagen scheint zu dieser Zeit ziemlich leer.
"Das ist genau, wie es normalerweise ist. Eine Stunde später ist es voll bis Rendsburg. Aber diese Verbindung um sechs Uhr ist immer leer."
Hauptachsen besonders stark frequentiert
Die Deutsche Bahn bietet seit einem halben Jahr auch in ihren Regionalzügen in Schleswig-Holstein Sitzplatzreservierungen an. Ja, davon habe er gehört, sagt der gebürtige Argentinier. 240 Euro zahlt er für seine Bahnfahrkarte jeden Monat für die Strecke von Kiel nach Husum. Da er ein Abo zum Schleswig-Holstein-Tarif hat, könnte er sich nun jeden Tag seinen Stammplatz kostenlos reservieren lassen. Doch Martin Garibotto winkt ab. Denn morgens nimmt er meist den gleichen Zug – da gebe es genügend freie Plätze. Und für die Rückfahrt nach Kiel falle es ihm schwer, sich festzulegen.
"Weil eigentlich, wenn ich zurück fahre mit dem Zug, ändert sich das von Tag auf Tag. Deswegen kann ich nie wissen, mit welchem Zug ich zurückfahre."
Auch auf anderen Bahnstrecken Schleswig-Holsteins gibt es jenseits der Stoßzeiten viele freie Sitzplätze. Anders sieht es auf den Hauptachsen zwischen Hamburg und Kiel und Hamburg und Lübeck aus. Diese Strecken werden besonders intensiv von Pendlern genutzt. Das Angebot käme gut an, sagt Bahnsprecher Egbert Meyer-Lovis: "Gerade im Abo sind die Pendler sehr stark an diesem neuen Angebot interessiert und haben da auch in vielen Bereichen das sehr gut ausgenutzt."
Pauschal 40 Euro pro Jahr für eine Reservierung
Zwischen Hamburg und Lübeck sei ein Viertel der Sitzplätze reservierbar. In einigen Zügen seien alle diese Sitzplätze vergeben, so Meyer-Lovis. Auch Reisende ohne Abo im Schleswig-Holstein-Tarif können die Sitze reservieren. Allerdings müssen sie dafür 40 Euro im Jahr zahlen. Neben den Pendlern will die Deutsche Bahn aber auch Urlaubsreisende und Spontanfahrer ins Visier nehmen. Für einen Euro können sie spontan einen Sitzplatz reservieren.
"Und ich denke, die Urlauber, die werden das nach und nach auch mehr nutzen, wenn die merken, dass das Reservierungssystem, das sie auch von Fernreisen kennen, dass das auch mehr angenommen wird noch."
Auch in Bayern, Rheinland-Pfalz und dem Saarland sind solche Einzelreservierungen möglich. Eine Genehmigung für spontane Interviews von Fahrgästen zum Thema Sitzplatzreservierung lehnt die Pressestelle der Deutschen Bahn ab.
Manche vergraulte Kunden zurückholen
Stefan Barkleit ist Schleswig-Holsteinischer Landesvorsitzender von "Pro Bahn". Schon lange habe der Fahrgastverband auf die Reservierungsmöglichkeit in Regionalzügen gedrängt, sagt Barkleit. Im neuen Angebot der Bahn sieht er ein "kleines Stück Service", um manchen vergraulten Kunden zurückzuholen.
"Und die Bahnfahrkarte kostet ja nun mal ihr Geld. Die überlegen sich natürlich, ob sie weiterhin Bahn fahren möchten. Oder ob es nicht doch ein Auto sein soll. Im Auto findet man immer einen Sitzplatz."
Barkleit hofft, dass die Reservierungsmöglichkeiten noch flexibler werden, so dass ein bestimmter Sitzplatz zu unterschiedlichen Zeiten an verschiedenen Tagen reserviert werden kann. Positiv sei, dass die Modernisierung der Züge bald auch elektronische Reservierungen erlaube.
Angebot auf der Schiene dennoch weiter ausbauen
Auf den stark ausgelasteten Strecken zwischen Hamburg und Sylt und Hamburg und Kiel sind Reservierungen derzeit noch nicht möglich. Hier kämpft die Deutsche Bahn mit dem Zustand der Züge, immer wieder kommt es zu Ausfällen. Fahrgastvertreter Stefan Barkleit mahnt deshalb:
"Sitzplatzreservierungen sind ein schöner Service. Aber es darf die Politik – also das Land und den Nahverkehr Schleswig-Holstein – nicht daraus entlassen, das Angebot auf der Schiene weiter auszubauen und den Pendlern und denen, die es noch werden wollen, zusätzliche Sitzplätze anzubieten."
Auch Pendler Martin Garibotto hat sich schon über Zugausfälle zwischen Kiel und Husum geärgert und manchen vollen Wagen erlebt. Doch betont er:
"Ich komme aus Südamerika. Für mich ist das hier super entspannt und gut und überhaupt nicht stressvoll."