Die Masche, die der tschechischen Polizei derzeit Kopfzerbrechen bereitet, ist noch vergleichsweise neu. Viel wisse man noch nicht über die Hintergründe, sagt Hubert Lang, der die Abteilung für Ausweisdokumente leitet: "Wahrscheinlich läuft das so: Bestimmte sozial schwache Gruppen verkaufen ihre Pässe. Die werden dann als verloren oder geklaut gemeldet. Oder es handelt sich um Dokumente von Verstorbenen, die nicht an die Behörde zurückgegeben werden. Die gefährlichste Kategorie schließlich sind Pässe, die weder als verloren noch als geklaut gemeldet worden sind. Das heißt, die Passnummern tauchen in keinem der Schengen-Informationssysteme auf. Damit ist die Kontrolle an der Schengen-Grenze äußerst schwierig."
Echte Reisepässe sind ein Vermögen wert
Die Polizei geht davon aus, dass organisierte Schieberbanden hinter den Fällen stecken. Sie werben Menschen an, die ihre Dokumente verkaufen. In den Bürgerkriegs- und Krisenländern der Region sind die echten Reisepässe dann ein Vermögen wert. Hubert Lang: "Die Flüchtlinge brauchen irgendeinen Pass, um an Bord eines Flugzeuges gelangen und irgendwohin nach Europa fliegen zu können. Hier stellen sie dann meist einen Asylantrag. Dass tschechische Pässen hinsichtlich ihrer Sicherheit zu den besten auf der Welt zählen, ändert nichts daran, dass diese Pässe auf äußerst einfache Weise missbraucht werden können."
Für die Flüchtlinge sind die Dokumente nichts anderes als eine Möglichkeit, überhaupt an Bord eines Flugzeugs zu gelangen – dass die Pässe spätestens am europäischen Zielflughafen als gestohlen auffallen, spielt dabei offenbar keine Rolle mehr, denn dort können die Einreisenden umgehend Asyl beantragen. Viel technisches Know-How, sagt Hubert Lang, sei nicht nötig, um die europäischen Pässe einzusetzen: "Die Menschen überkleben nur die Identifizierungsseite mit einer neuen Seite, die auf einem Tintenstrahl- oder Laserdrucker angefertigt wurde. Darauf ist dann zum Beispiel ein arabisches Gesicht zu sehen und die persönlichen Daten der entsprechenden Person. Das wird dann von der Polizei kontrolliert. Aber nicht jede Person, die arabisch aussieht, wird einer Spezialkontrolle unterzogen."
Straftat nachzuweisen sei "so gut wie unmöglich"
Mehr als 100 Fälle hat die tschechische Ausländerpolizei inzwischen registriert; dass die Dunkelziffer deutlich höher liegen dürfte, räumt man dort allerdings selbst ein. Um das Problem in den Griff zu bekommen, setzen die tschechischen Behörden jetzt bei den Bürgern an, die ihre Dokumente verkaufen. Die meisten, hat Hubert Lang inzwischen herausgefunden, stammten aus sozial schwachen Gegenden Tschechiens, vor allem aus Nordböhmen. Wieviel kriminelle Banden für die Personaldokumente bezahlen und auf welchem Weg sie anschließend in die Krisengebiete kommen – das wissen die Ermittler noch nicht. Hubert Lang: "Am schwierigsten ist es, den Passverkäufern etwas nachzuweisen. Aber natürlich: Wenn jemand innerhalb von zwei Jahren drei bis viermal seine Dokumente verliert, dann ist das nicht normal und wird von uns weiterverfolgt."
Böse Absicht oder gar eine Straftat nachzuweisen – das ist allerdings so gut wie unmöglich. Bei der Ausländerpolizei hofft man jetzt auf neue gesetzliche Regelungen: "Wir werden uns bemühen, die Legislative so zu ändern, dass höhere Sanktionen drohen, wenn der Pass innerhalb kurzer Zeit wiederholt verloren geht oder die Papiere in Zusammenhang mit illegaler Migration auftauchen."
Das aber ist ein langer Weg. Bis dahin, fürchtet die Polizei, blüht der Handel mit den Dokumenten weiter auf.