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Schloss Grosbois
Im Traber-Paradies

Die Domaine Grosbois bei Paris dürfte Trabrennen-Fans längst ein Begriff sein – hier residiert seit knapp sechs Jahrzehnten das "Internationale Trainingszentrum für Traber". In einem Seitenflügel beherbergt das ehemalige Jagd-Schlösschen zudem das größte europäische Traber-Museum.

Von Suzanne Krause |
Ein Pferd und sein Reiter im Sulky beim Training im Traber-Zentrum von Grosbois in Frankreich
Ein Pferd und sein Reiter im Sulky beim Training im Traber-Zentrum von Grosbois in Frankreich (AFP/Martin Bureau)
Geschickt tänzelt Ariane Ploussard von ihrem Büro in den früheren Stallungen die paar Meter übers Kopfsteinpflaster zum Schlösschen. Das Umfeld, alte Mauern, viel Grün, wirkt fast wie verwunschen. Wäre da nicht der Lärm der Neuzeit - die Domäne liegt in der Flugschneise des benachbarten Flughafens Roissy. Durch eine Passage hindurch gelangt die Konservatorin zum Haupteingang. Das Bauwerk ist in U-Form angelegt, die Fassade des Mittelteils bogenförmig abgerundet. In einer Ecke stehen noch Gerüste - frisch renoviert wirkt das Schlösschen überaus schmuck.
"Dies ist der Ehrenhof - willkommen im Schloss Grosbois! Das ist typisch für den Stil Henri Quatre: sandfarbener Naturstein sowie rote Backsteine als Fassadendekoration. Die Dächer sind hoch und mit dunklem Schiefer gedeckt. All das verweist auf die zweite Renaissance-Hälfte. Das Gebäude ist von einem Trocken-Graben umgeben. Der Bau- und Schlossherr war Nicolas de Harlay, der Finanzminister von Heinrich dem Vierten."
Die Bauarbeiten begannen 1597. Heute gilt das ehemalige Jagdschlösschen als eine der schönsten historischen Anlagen im Pariser Großraum. Die Foyer-Halle ist sehr hell - gegenüber der Eingangstür gibt eine Fensterfront den Blick frei auf leicht hügelige Wiesen und einen großen Teich.
Bewegte Vergangenheit - auch als Filmkulisse
"Im Zweiten Weltkrieg diente Grosbois als Hauptquartier der deutschen Luftwaffe. Den Teich da draußen nutzten die Luftwaffen-Offiziere damals als Schwimmbad."
Eine Anekdote aus der damaligen Zeit ist in die französischen Annalen eingegangen. 1940 wurde hier im historischen Ambiente ein Kostümschinken gedreht: "Madame Sans-Gêne". Die Hauptrolle in dem französischen Klassiker spielte Arletty - die einige Jahre später mit dem Film "Die Kinder des Olymp" Weltruhm erlangte.
"Beim Dreh im Schloss hat sich Arletty unsterblich in einen deutschen Offizier verliebt. Das wurde ihr später in Frankreich als unpatriotisches Verhalten sehr zur Last gelegt. Arlettys Reaktion ist zum geflügelten Wort geworden. Sie sagte: Mein Herz ist französisch - mein Allerwertester international."
Räume seit über 200 Jahren unverändert
Eine Treppe höher befinden sich die hochherrschaftlichen Wohn- und Empfangsräume.
"Die Räumlichkeiten sind originalgetreu erhalten geblieben - ein Glücksfall. Als die französische Traber-Gesellschaft 1962 die Domäne erstand, hat ihnen der damalige Besitzer auch das gesamte Mobiliar überlassen. Das Schloss war über 150 Jahre im Besitz der Prinzen von Wagram. Man fühlt sich zurückversetzt in die Epoche des Empire: Der erste Prince de Wagram war Louis Alexandre Berthier, Marschall und Kriegsminister von Napoléon."
Berthier war sozusagen die rechte Hand des Kaisers. Und entsprechend reich und mächtig, wie das Schloss-Interieur belegt. Die Flure sind von der Decke bis zu den Türen mit Jagdszenen bemalt, überall stehen historische Meisterstücke wie ein Sekretär mit gerundeter Verschluss-Lade, mit China-Lack hochglänzend überzogen. Durch eine schwere Holztür geht es zurück ins 16. Jahrhundert - in einen Prunk-Speisesaal mit riesigem Kamin und bunten Fresken.
Im Traber-Museum von Grosbois wird die Geschichte des Trabrennsports in Frankreich gezeigt
Im Traber-Museum von Grosbois wird die Geschichte des Trabrennsports in Frankreich gezeigt (Deutschlandradio/ Suzanne Krause)
Einen Stock höher stoppt Konservatorin Ploussard am Eingang eines langen Saals mit gewölbter hoher Decke: beidseits an den Wänden hängen acht riesige Ölbilder aus dem Empire, Meisterwerke. Im Vorzimmer knipst Ariane Ploussard das Licht an.
"Der sogenannte Kaiser-Salon hier ist dem Napoléon-Kult gewidmet. Dahinter liegt die Schlachten-Galerie. Natürlich sind hier nur die Siege von Napoléon dargestellt."
Denkmal für Trabrennsport-Pioniere
Im Erdgeschoss des Seitenflügels ist Alan Pagès gen Traber-Museum unterwegs. Sein Museum: der ehemalige Schuldirektor sammelt seit Urzeiten Objekte und Dokumente rund um den Trabrennsport. Gleich eingangs steht ein Ur-Ahn der Renn-Sulkys, Spinne genannt: Zwei fast mannshohe schmale Holzräder, mit einem Gestänge verbunden, in deren Mitte ein geflochtener Sitz. Zwei Säle weiter ist sein modernes Pendant zu bewundern, schnittig, leicht, aus Kunststoff. Pagès weist auf eine Grafik: Sie bebildert die Leistungen ruhmreicher Traber beim wichtigsten Pokaltrabrennen weltweit: dem Prix d'Amérique.
"Das Pferd, das in Vincennes 1920 bei der allerersten Ausgabe den Prix d'Amérique gewonnen hat, hieß Pro Patria. Für einen Kilometer Strecke brauchte es eine Minute und 31 Sekunden. Der Pokalsieger 2007 schaffte das in einer Minute und zwölf!"
Auf einem Videoschirm flimmert der Mitschnitt eines historischen Rennens. In einer Glasvitrine sind Wimpel unterschiedlicher Gestüte liebevoll dekoriert. Alain Pagès lächelt: Im Museum hat er den Trabrennsport-Pionieren ein Denkmal gesetzt.
Französische Trabpferde für den Kriegseinsatz
"Der erste Initiator der französischen Trabrennen war Ephrem Houël. Er hat unter anderem zu Napoléons Zeiten das damalige Staatsgestüt aufgebaut. Vor allem aber hat er erfolgreich für eine visionäre Idee geworben: Trabrennen auszurichten als Anreiz für die Zucht einer Rasse von Halbblütern für den Kriegseinsatz. Houël machte deutlich, welch unglaubliche Einsparungen ein solches Vorgehen ermögliche. Denn bis dato musste die Armee ihre Pferde im Ausland einkaufen, insbesondere in England. Ein Gedanke, der Napoléon zutiefst zuwider war: Er beschloss, in seiner Armee kein einziges englisches Pferd zuzulassen."
Somit ist das Traber-Museum im Schlösschen von Grosbois genau am richtigen Ort.