Archiv

Schloss Heidelberg
Ein Gewitter und seine Folgen

Sie zählt zu den meistbesuchten Ruinen Europas. Mehrere Millionen Touristen pilgern Jahr für Jahr zu der hoch über dem Neckar liegenden idyllischen Schlossanlage, um etwas von der romantischen Stimmung vergangener Jahrhunderte zu erfühlen. Vor 250 Jahren brannte Schloss Heidelberg nach Blitzeinschlägen nieder.

Von Hartmut Goege |
    Touristen blicken auf das Heidelberger Schloss.
    Eingebettet in eine grandiose Naturkulisse mit weitem Blick über das Neckartal bis hin zum Rhein: Schloss Heidelberg. (picture alliance / dpa / Uwe Anspach)
    Über kaum eine deutsche Stadt sind so viele herzzerreißende Lieder und verklärende Gedichte geschrieben worden wie über Heidelberg und sein Schloss. Selbst Johann Wolfgang von Goethe ließ sich von der Ruine hoch über dem Neckar inspirieren:
    "Ros´und Lilie morgenthaulich - Blüth im Garten meiner Nähe; -
    Hintenan, bebuscht und traulich, - Steigt der Felsen in die Höhe"
    Ein Unglück war für Heidelberg zu einem Glücksfall geworden: Am Abend des 24. Juni 1764 schlug der Blitz in den gerade renovierten Saalbau des Schlosses ein, ein zweiter setzte das Dach des achteckigen Turmes in Brand. Innerhalb weniger Stunden zerstörte die anschließende Feuersbrunst über 500 Jahre Schlossgeschichte.
    Kurfürst Karl Theodor, der den zerstörten und heruntergekommenen Palast teilweise wieder aufgebaut hatte, wartete mit seinem Mobiliar aus der Mannheimer Residenz schon vor den Toren. Nun verhinderte der Brand seinen Einzug in das traditionsreiche Gemäuer.
    Plünderung und Verfall
    300 Jahre lang hatten Heidelberg und sein Schloss eine herausragende Rolle als Stammsitz der Pfalzgrafen gespielt. Sie gehörten zu den sieben politisch einflussreichen Kurfürsten, welche im "Heiligen Römischen Reich deutscher Nation" den Kaiser wählten. Erst im pfälzischen Erbfolgekrieg um 1690, als Heidelberg und sein Schloss von den Franzosen unter Ludwig XIV. durch Kanonenbeschuss in großem Ausmaß zerstört wurden, endete die Ära der mächtigen Kurfürsten. Pfalzgraf Karl Phillip beschloss 1720 den Umzug in einen neuen, repräsentativen Barockpalast nach Mannheim. Das altmodische Schloss verfiel.
    Erst sein Erbe Karl Theodor wollte wieder anknüpfen an die kurfürstliche Tradition. Doch nach dem Brand wandte auch er sich ab und gab das Schloss der Plünderung und dem Verfall preis. Der französische Schriftsteller Victor Hugo, der Heidelberg später, um 1840, als Tourist besuchte, notierte dazu:
    "Man könnte sagen, dass der Himmel sich eingemischt hat. Denn wenn Karl Theodor seine 30 Jahre dort verbracht hätte, wäre die strenge Ruine, die wir heute bewundern, sicher mit einer schrecklichen Pompadour-Verzierung versehen worden."
    Stattdessen avancierte ab 1800 die eindrucksvolle Schlossanlage, deren ausladender Baukomplex von den Repräsentationsansprüchen ihrer einstigen herrschaftlichen Bewohner kündete, zum Inbegriff einer vergangenen und bewunderten Epoche. Eingebettet in eine grandiose Naturkulisse mit weitem Blick über das Neckartal bis hin zum Rhein, fühlten sich Künstler aus ganz Europa von Heidelberg mit seiner roten Sandsteinruine angezogen. 1807 schrieb Joseph von Eichendorff begeistert:
    "Heidelberg ist selbst eine prächtige Romantik; da umschlingt der Frühling Haus und Hof und alles Gewöhnliche mit Reben und Blumen, und erzählen Burgen und Wälder ein wunderbares Märchen der Vorzeit, als gäb es nichts Gemeines auf der Welt."
    Romantik - eine verklärende Sehnsucht
    Der Begriff Romantik, von dem Philosophen Friedrich Schlegel Ende des
    18. Jahrhunderts als progressive Universalpoesie erklärt, in der alle Künste und alle Gattungen zu einer Form verschmelzen, wandelte sich im allgemeinen Verständnis zu einem verklärenden sentimentalen Gefühl der Sehnsucht. Sie fand speziell in der sogenannten Heidelberger Romantik ihren Ausdruck: in Liedersammlungen beispielsweise von Achim von Arnim und Clemens Brentano; Autoren, die sich in Heidelberg aufhielten.
    Landschaftsmaler wie William Turner machten die Schlossruine zum zentralen Motiv ihrer Gemälde, in denen häufig das Anmutige der Landschaft im Kontrast stand zum Feierlich-Düsteren der Ruine. Und in ihrem Schatten dichtete etwa Clemens Brentano:
    "Und da ich um die Ecke bog, - ein kühles Lüftlein mir entgegen zog - Der Neckar rauscht aus grünen Hallen - Und giebt am Fels ein freudig Schallen, - Die Stadt streckt sich den Fluss hinunter, - Mit viel Geräusch und lärmt ganz munter, - Und drüber an grüner Berge Brust, - Ruht groß das Schloss und sieht die Lust."
    Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde Heidelberg auch bei Reisenden und Wanderern immer bekannter und beliebter. Die Stadt wurde zum Inbegriff romantischer Stimmung. Heute zählt das Schloss neben der Athener Akropolis zu den meistbesuchten Ruinen Europas. Und Jahr für Jahr drängen sich ganz unromantisch rund vier Millionen Tagestouristen durch die engen Gassen der Stadt.