"Was wir brauchen, ist nicht mehr als eins, zwei, drei Becher, eins, zwei, drei kleine Kugeln, und natürlich einen Zauberstab. Ich würde Sie jetzt bitten, mit dem Zauberstab erst mal diesen Becher zu berühren, einfach drauftippen, genau, Sie haben wirklich noch nie gezaubert? Nein. Also für das erste Mal ist es wirklich ganz toll, was sie da gemacht haben. Hätten Sie das gedacht? Nein."
Natürlich sind die Kugeln nicht unter dem Becher, unter dem man sie vermutet hätte. Das war schon so im ersten Jahrhundert nach Christus. Seitdem ist das Becherspiel bekannt und es ist Steffen Tauts Lieblingsnummer. Er führt sie immer wieder gerne bei seinen Zauber-Shows vor. "Verhext und Zugemogelt" heißen die und finden an einem außergewöhnlichen Ort statt, in einem Zauberschloss aus dem 16. Jahrhundert.
"1997 fand in Dresden die Weltmeisterschaft der Zauberkunst statt. Anlässlich dieses Wettbewerbs ist einer der Dresdener Zauberer angesprochen worden, ob er sich vorstellen könnte, dass eines der staatlichen Schlösser ein Zauberschloss sein könnte. Damals fehlten diesen Schlössern die Besucher und man suchte nach Marketing-Konzepten, die für Besucher attraktiv sind."
Eines der wenigen erhaltenen Renaissance-Schlösser Sachsens erhielt den Zuschlag: ein Wasserschloss mit drei Türmen, geschwungenen Giebeln und einer Brücke über den Schlossgraben mit der der Dorfkirche verbunden, in der Gemeinde Schönfeld, östlich von Dresden. Mehrere Jahre lang wurde es saniert und schließlich wieder weiß-blau gestrichen. Seit April 2005 wird dort regelmäßig für Publikum gezaubert. Tauben verschwinden, Jungfrauen werden zersägt, Gedanken gelesen oder Kaninchen in alter Tradition aus dem Hut gezogen. Steffen Taut ist Vorsitzender des Magischen Zirkels Dresden, benannt nach Bartolomeo Bosco, der das Becherspiel meisterhaft beherrschte:
"Bosco war im 19. Jahrhundert das, was heute David Copperfield oder Siegfried und Roy sind. Er war kein Großillusionist, er hat nicht mit großen Tieren gearbeitet, aber was seine Popularität betrifft. Wenn Bosco in eine Stadt kam und spielte, waren die Säle ausverkauft. Ein Kunststück, für das er wirklich berühmt war, das ist ein antikes Kunststück. Er nahm eine schwarze und eine weiße Taube, riss die Köpfe ab und dann hat er die beiden Vögel umgekehrt wieder restauriert. Die weiße Taube hatte einen schwarzen Kopf und die schwarze einen weißen Kopf. Und dann flogen sie weg."
Wie Bartolomeo Bosco das gemacht hat, ist nicht überliefert. Aber im Zauberkunstmuseum, das sich im Schloss Schönfeld befindet, kann man schon ein wenig hinter die Kulissen blicken. Original-Requisiten berühmter Magier sind dort ausgestellt. Die Räume sind Zauberkünstlern gewidmet, wie zum Beispiel dem Meister der Kartentricks Hofzinser:
"Johann Nepomuk Hofzinser lebte im 19. Jahrhundert in Wien, war ein Beethoven der Zauberkunst, was die Schöpfernatur betrifft und ein Paganini der Zauberkunst, was die Virtuosität der Vorführung betrifft, er war Beamter. Er hat immer in kleinen Salons gespielt zu exorbitant hohen Preisen, die Leute kamen einfach zu ihm zuhauf, weil es so absolut toll war. Was wir hier sehen, ist das Bühnenbild eines europaweit bekannten Zauberers Luperti. Seine Nummer hieß Spiel mit Brasil, sehr verblüffend, er hat Zigarren erscheinen und verschwinden lassen. Gerade in der Nachkriegszeit, 40er- und 50er-Jahre, waren Tabakwaren sehr knapp und wenn die jemand einfach aus der Luft greift, das hat natürlich die Wünsche des Publikums stimuliert."
440 Jahre alte Originalkassettendecken
Gerrit Schulze ist im Hauptberuf Förster, weil die achthundertjährige Geschichte des Adelssitzes den Hobby-Historiker gefesselt hat, arbeitet er ehrenamtlich als Schlossführer.
"Das ist der Georg Von Krakow, er wird beschrieben als einer der intelligentesten und gebildetsten Leute seiner Zeit. Er hat die Herrschaft 1568 erworben und dann 1573 mit dem Bau begonnen, wurde allerdings 1574 inhaftiert. Da ging es um Glaubensfragen, er hatte hier Hausarrest, wurde dann nach Leipzig gebracht. Dort wurde er gefoltert und ist an den Folgen der Folter im Frühjahr 1575 verstorben. Da war das Schloss noch nicht fertig."
Den Kerker kann man bis heute besichtigen und Gerrit Schulze hat noch mehr schaurige Geschichten zu bieten: Zum Beispiel von Constantina von Cosel, einer Tochter Augusts des Starken, die nach Schönfeld einheirate, mit 20 an Pocken erkrankte und dann scheintot begraben worden sein soll.
Schloss Schönfeld hatte viele Besitzer. Es wurde mehrmals umgebaut, entging 1945 nach dem Einmarsch der Roten Armee nur knapp dem Abriss und fungierte in der DDR als Schule, Landkino und Kartonagenfabrik. Inzwischen ist es weitestgehend renoviert und man kann wieder die über 440 Jahre alten Originalkassettendecken bewundern.
"Die sind deshalb so gut erhalten, weil sie in der Barockzeit abgedeckt worden sind. Damals war Renaissance völlig out. Man hat eine Decke darunter gezogen, etwas Stuck drauf gebracht und schon hatte man das zum Barock umgerüstet. Dadurch ist das so gut wie versiegelt gewesen und konnte jetzt freigelegt werden."
"Die sind deshalb so gut erhalten, weil sie in der Barockzeit abgedeckt worden sind. Damals war Renaissance völlig out. Man hat eine Decke darunter gezogen, etwas Stuck drauf gebracht und schon hatte man das zum Barock umgerüstet. Dadurch ist das so gut wie versiegelt gewesen und konnte jetzt freigelegt werden."
Wer es romantisch mag, kann im roten Salon heiraten.
"Man könnte sich hier trauen lassen, den gesetzlichen Teil vollziehen, könnte dann über die Brücke, die sich anschließt ans Schloss über den Schlossteich gehen in die Kirche und dort kirchlich heiraten und dann nach oben gehen in die fertig gestellte erste Etage und dann entsprechend feiern."
Vielleicht trifft man sogar das Schlossgespenst, denn seit fast 300 Jahren spukt hier Constantina von Cosel, die, die sich nicht mehr aus dem geschlossenen Sarg befreien konnte. Kein Grund zum Fürchten versichert Steffen Taut.
"Man sollte in der Zeit von Null bis ein Uhr tunlichst einen geisterfesten Führer bei sich haben. Dann macht sich der Geist bemerkbar durch Wackeln der Lampen oder das Licht aus- und angehen. Das kommt relativ regelmäßig vor doch mit entsprechenden Beschwörungsgebeten hört es dann wieder auf."
Und vielleicht kann man, wenn man Steffen Taut ganz genau auf die Finger sieht, doch noch herausfinden, wie der berühmte Bechertrick funktioniert.
"Sie können mit jedem Auge jetzt auf einen Becher achten. Ich will die Becher jetzt auch gar nicht mehr anfassen. Trotzdem genügt ein Schnipsen. Voila. Und der Ball ist weg. Klatschen."