Im nordhessischen Nirgendwo zwischen Marburg und Kassel, da steht Schloss Dillich. In seinen 650 Jahren hat es schon einiges gesehen: noble Herren und Damen, Krieg und Zerstörung, Zwangsarbeit und Flucht. Zuletzt zwei Jahre Leerstand. Und nun leben hier Buddhisten: neun Nonnen und sechs Mönche. An den alten Mauern haben sie ein Schild angebracht: "Buddhismus Tempel für Nirwana".
Das hat die Nordhessen neugierig gemacht. Den Tag der offenen Tempel-Tür hat Thitiwat Plangkamon organisiert. Er ist Vorsitzender des Vereins Buddha Dhamma Bhom Wimutti, der das Schloss gekauft hat.
"Ich hab gedacht, wir wären froh, wenn 200 Leute kommen. Das ist genau angenehm."
Doch es kommen ungefähr zehnmal so viele. Eintritt frei, gegen eine Spende gibt es Thai-Spezialitäten und nordhessische Bratwürste. Hunderte Menschen essen und plaudern im Schlossgarten. Zwischen die alten Bäume haben die Buddhisten neue Blumen gepflanzt.
Der Meister des buddhistischen Tempels nimmt das Mikrofon, Amnat Klanprachar, 63 Jahre alt. Früher war er in Thailand ein bekannter Künstler. Heute nennt er sich Prakrubeideeka Amnat Opaso, oder kurz: Luang Pho. Braunes Gewand, rasierter Kopf, breites gemütliches Lächeln: Der Meister sieht gängigen Buddha-Darstellungen zum Verwechseln ähnlich. Er erzählt, wie er zum ersten Mal den Bürgermeister von Dillich getroffen hat. Thitiwat Plangkamon übersetzt:
"Der Bürgermeister fragt: Warum kommt Ihr hier her? Warum dieser Ort? Der Meister antwortet: Hier ist es ordentlich, sicher, ruhig und Frieden hier, genau."
Deshalb auch der Name: "Buddhismus Tempel für Nirwana".
"Nirwana heißt eigentlich 'Frieden'. Der Zustand, der aus dem inneren Frieden entsteht."
Der buddhistische Verein hatte bereits im Jahr zuvor in der Nähe ein leerstehendes Hotel gekauft. Doch das war schnell wieder zu klein, sagt der Vorsitzende Thitiwat Plangkamon.
"Gibt große Nachfrage. Es kommen viele Leute aus Thailand, der Schweiz, Holland und auch aus Deutschland. Und deswegen suchten wir einen größeren Platz und haben den dann zufällig hier gefunden."
Geld aus Thailand für das Schloss in Hessen
Schloss Dillich war in Privatbesitz und sollte verkauft werden. 35 Zimmer: genug Platz für Nonnen, Mönche und Gäste. Dazu der weitläufige Park. Und ein stolzer Preis: eine Million Euro.
"Der Verein hat kein Geld", sagt Plangkamon. "Und dann hat mein Meister eine Spendenaktion ausgerufen. Er hat viele Schüler in Thailand, und es sind auch meistens reiche Leute. Und durch diesen Glauben von den Schülern, dass der Meister einen guten Weg nicht nur für Thailänder selber, sondern für alle - besonders diesen inneren Frieden weiter zu teilen, deswegen unterstützen die Schüler durch ihre Spenden gerne."
Geld aus Thailand für das Schloss in Hessen. Vor zweieinhalb Jahrtausenden ist Buddha der Legende nach in einem Palast aufgewachsen und hat ihn verlassen, um erleuchtet zu werden. In Nordhessen heißt es für die Buddhisten jetzt also: zurück in den Palast. Für Thitiwat Plangkamon kein Problem:
"Wir können ja nicht hier in Deutschland, in Europa in einer kleinen Hütte wohnen und sagen: 'Hier, kommt ihr, zum innere Frieden lernen.' Da würde gar keiner … das ist uninteressant."
Beim Tag der offenen Tür ist das Interesse vielleicht auch deshalb so groß, weil viele Menschen aus der Umgebung das Schloss noch nie von innen gesehen haben. Großer Andrang bei den Schlossführungen.
Dabei ist auch Walter Seib, ein älterer Herrn mit rot-blauer Schirmmütze. Er kennt das Schloss wie kaum ein Zweiter, denn er war unter dem Vorbesitzer mehrere Jahrzehnte lang der Hausmeister.
"Innen drin ist nichts verändert. Gut, es sind ein paar Möbelstücke, die stehen jetzt da, wo vorher da gestanden haben, aber sonst ist super."
Geweihe und ausgestopfte Tiere
Noch immer an den Wänden: Wappen, Geweihe und ein ausgestopfter Greifvogel. Nichts sieht hier nach Buddhismus aus - außer dem Mönch in der Mitte des Raumes. Eine Schulter nackt und ein Smartphone in der Hand. Es macht ihm sichtlich Spaß, die Fragen der Besucher zu beantworten.
Draußen organisiert Thitiwat Plangkamon den Strom der Besucher. Im Hauptberuf betreibt er ein Restaurant. Er spielt auch gerne Golf, aber noch wichtiger ist ihm der buddhistische Verein.
"Buddhismus ist eigentlich nicht nur für Thailänder, für Asien, sondern das ist für eigentlich Jeden. Das ist eigentlich ein Naturgesetz. (…) Wir wollen ja diesen inneren Frieden teilen. Ob Christen, ob eine andere Religion, das spielt keine Rolle. Wir lernen hier im gleichen Sinn, um inneren Frieden zu haben."
Ob der ehemalige Hausmeister Walter Seib Meditationskurse besuchen wird? Ihm haben es vor allem die neuen Blumen im Park angetan.
"Das, was sie hier jetzt gemacht haben, ist sagenhaft. Also da ziehe ich immer nur den Hut ab."
Thitiwat Plangkamon ist überzeugt, für den Tempel bei den Nordhessen den richtigen Ort gefunden zu haben.
"Ich denke schon, dass sie mit ihren Herzen offen für uns sind."