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"Schmerztherapie ist wesentlich diffiziler bei älteren Menschen"

Ältere Menschen haben häufig ein intensiveres Schmerzerleben als jüngere, sagt Gerhard Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e.V. (DGS). Dementsprechend brauche man für ältere Menschen eine andere Schmerztherapie als für jüngere.

Gerhard Müller-Schwefe im Gespräch mit Carsten Schroeder |
    Carsten Schroeder: Ende vergangener Woche fand in Frankfurt am Main der Deutsche Schmerz- und Palliativtag statt. Auf dem geht es alljährlich um eine der wichtigsten Fragen der Medizin, nämlich der Behandlung von Schmerzen. Im Vordergrund stand diesmal der Zusammenhang zwischen Alter und Schmerz. Ältere Menschen haben oft mehrere Krankheiten oder Gebrechen, leiden darum häufig unter Schmerzen.

    Am Telefon ist jetzt Gerhard Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e.V. (DGS). Guten Tag, Herr Doktor Müller-Schwefe.
    Gerhard Müller-Schwefe: Guten Tag, Herr Schroeder.

    Schroeder: Sind ältere Menschen schmerzempfindlicher als junge?

    Müller-Schwefe: Ältere Menschen haben häufig mehr Schmerzen und empfinden diese Schmerzen häufig auch als intensiver. Dafür gibt es gute Gründe: Schmerz ist nicht einfach die Übertragung eines Reizes aus dem Gewebe der Haut oder sonst irgendwo ins Gehirn, sondern das sind viele Stationen dazwischen und da wird der Schmerz verändert. Das Signal wird verändert und prinzipiell spielen da Lernprozesse eine Rolle. Lernprozesse bedeutet, man verändert die Steuerung des Nervensystems dadurch, dass man wiederholt Informationen übertragt, so wie bei Rechnen lernen, beim kleinen Einmaleins oder beim Vokabeln lernen: Wenn man es wiederholt wird das Gedächtnis einfach stark und man verändert damit die Steuerung, die Reaktion wird anders. Und deshalb haben diese alten Menschen, die häufig Schmerzen hatten, einfach mehr gelernt und häufig intensivere Schmerzen, intensiveres Schmerzerleben.

    Schroeder:Ich muss kurz erklären, dass angesichts des Wetters Herr Dr. Müller-Schwefe irgendwo unterwegs liegen geblieben und wir ihn deswegen auf dem Mobiltelefon haben. Deswegen ist die Leitung nicht so gut. Brauchen ältere Menschen denn eine andere Schmerzbehandlung, eine andere Schmerztherapie als junge Menschen?

    Müller-Schwefe: Definitiv. Ältere Menschen haben häufig mehrere Erkrankungen gleichzeitig. Das heißt, die nehmen verschiedene Medikamente gleichzeitig ein. Für Bluthochdruck, für Diabetes und viele der Medikamente beeinflussen sich gegenseitig. Und damit kann man nicht einfach so frisch von der Leber weg therapieren. Die Ausscheidungsorgane verändern sich, die Nierenfunktion wird mit zunehmendem Lebensalter schlechter, die Leberfunktion wird schlechter. Und die meisten dieser Medikamente werden über Niere oder Leber ausgeschieden. Auch das gilt es zu bedenken. Das heißt, die Schmerztherapie ist wesentlich diffiziler bei älteren Menschen. Die Reaktionsweise ist völlig unterschiedlich.

    Schroeder: Vielen Dank, Doktor Gerhard Müller-Schwefe, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Schmerztherapie e.V. (DGS). Vielen Dank für das Gespräch.