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Schmieriges Geschäft

  • März 1978, Bretagne. "Amoco Cadiz", 223.000 Tonnen.

    Von Frank Grotelüschen |
    • Juli 1979, Venezuela. "Atlantic Express" und "Aegean Captain", 350.000 Tonnen.
    • März 1989, Alaska. "Exxon Valdez", 42.000 Tonnen.
    • Februar 1996, Wales. "Sea Empress" 70.000 Tonnen.
    • Dezember 1999, Bretagne. "Erika", 17.000 Tonnen.
    • November 2002, Spanien. "Prestige", 40.000 Tonnen.

      Jedes Jahr ein Tankerunglück. So das statistische Mittel der letzten Jahrzehnte. Und jedes Mal die gleichen Bilder: Verseuchte Strände, verschmutzte Küsten. Fischkadaver treiben an Land, Vögel verenden qualvoll. Fischer hieven Teerklumpen aus der See. Dorfbewohner greifen zu Eimer und Schaufel und kratzen Ölflatschen vom Fels. Auch die Profis schuften bis zur Erschöpfung: Feuerwehr, Polizei, technische Hilfsdienste - und die Mannschaften von Spezialschiffen, eigens ausgerüstet für die Bekämpfung von Öl.

      Das Schiff ist knapp 80 Meter lang, 18 Meter breit und erreicht eine Geschwindigkeit von 14 Knoten.

      Knud Miles ist Kapitän der Neuwerk. Baujahr 98, Preis 40 Millionen Euro.

      Das Schiff ist ein Mehrzweckfahrzeug. Wir sind gebaut worden einmal für die Schadstoffunfallbekämpfung. Dann als Eisbrecher. Dazu sind wir ein Notschlepper. Wenn sich eine Sturmlage anbahnt, nehmen wir eine Seeposition ein und wettern den Sturm draußen in der Deutschen Bucht ab, um möglichst nah am Geschehen zu sein.

      Bekannt aber wurde die Neuwerk als Ölbekämpfungsschiff. Ende 2002 ging ihr Name durch die Medien. Vor der spanischen Atlantikküste war die Prestige havariert, ein Tanker mit 77.000 Tonnen Schweröl an Bord. Am Abend des 21. November lief die Neuwerk aus Cuxhaven aus. Am 25. November erreichte sie das Einsatzgebiet und versuchte acht Wochen lang, soviel Öl aus dem Atlantik zu bergen wie es eben geht. Eine Extremsituation für Mensch und Material. Doch Tankerunglücke sind zum Glück die Ausnahme. Der Alltag der Ölbekämpfer ist weniger spektakulär.

      Wir haben über unsere Luftüberwachung Angaben darüber, wie viel wir an Verschmutzungen auf See feststellen. Das sind so ungefähr zwischen 300 und 400 Verschmutzungen pro Jahr in Nord- und Ostsee. Das sind sicherlich mehrere 1000 Tonnen.

      Ulf Bustorff ist oberster Chef der Neuwerk. Er leitet die Sonderstelle des Bundes zur Bekämpfung von Meeresverschmutzungen. Das Überwachungsnetz seiner Behörde ist eng. Mit der Neuwerk und der Mellum kreuzen zwei Spezialschiffe im Dauereinsatz durch die Deutsche Bucht. Dazu fliegen mit Radarsensoren bestückte Flugzeuge die Schifffahrtsrouten ab und halten nach Ölflecken Ausschau. Eine fast lückenlose Überwachung.

      Das bewirkt, dass wir eigentlich täglich Ölmeldungen haben. Aber nicht alle diese Ölmeldungen sind bekämpfungswürdig.

      Manch ein Kapitän lässt auf hoher See illegal Altöl ab. Oder die Schiffe verlieren ganz einfach Öl, weil sie schlecht gewartet sind.

      Dabei muss man natürlich wissen, dass Öl auch auf natürliche Weise permanent in die Gewässer eingetragen wird durch Erdspalten und ähnliches. Und dass wir auch hinnehmen, dass aus den Förderaktivitäten aus der Nordsee täglich Hunderte von Tonnen in das Wasser gelangen. Das ist sogar genehmigt, weil dem der Nutzen gegenübergestellt wird - nämlich dass dort Energie gewonnen wird.

      Praktisch jeden Tag registriert Bustorffs Behörde einen Ölfleck. Doch die wenigsten werden bekämpft. Sie sind schlicht zu klein und zu dünn und lösen sich in Stunden oder Tagen von selber auf, indem sie dispergieren, d.h. sich zu kleinen Tröpfchen zersetzen. Erst wenn mehrere Kubikmeter Öl ausgelaufen sind, wenn eine Ölschicht von einigen Millimetern Dicke auf dem Ozean schwimmt, lohnt sich ein Einsatz.

      Wir haben im Jahr zwei, drei Fälle von bekämpfbaren Verschmutzungen im Schnitt, und darüber hinaus natürlich Unfälle, aus denen sich dann bekämpfbare Verschmutzungen ergeben.

      Doch wie wird man eines Ölflecks auf hoher See am besten Herr? In England etwa setzt man auf Chemikalien, so genannte Dispergatoren. Dispergatoren wirken wie ein Spülmittel. Sie helfen dem Ölteppich, sich schneller in feine Tröpfchen zu zerteilen.

      Aus den Augen, aus dem Sinn.

      sagt Ulf Bustorff. Die Öltröpfchen sinken von der Oberfläche nach unten. Damit scheint das Problem aus der Welt. Und tatsächlich: Ein Teil der Tröpfchen wird im Laufe der Zeit von Mikroben abgebaut. Einen Teil aber nehmen auch die Fische mit der Nahrung auf. Und in flachen Gebieten wie dem Wattenmeer setzen sich die Öltröpfchen in den Sedimenten ab. Der Sauerstoffgehalt sinkt, Mikroorganismen und Wasserpflanzen sterben.

      Wir sind keine Freunde der chemischen Dispersion. Dazu hat es in den 80er Jahren eine Gruppe aus Biologen, Chemikern und Praktikern gegeben, die Empfehlungen der Bundesregierung gegenüber gemacht haben, nämlich von der chemischen Dispersion nur in Ausnahmefällen Gebrauch zu machen.

      Warum sind dann die Engländer anderer Meinung und setzen ganz gezielt auf die Dispergatoren?
      Weil es billiger ist. Außerdem sind sie die Bevorteilten der Westwinddrift. Alles was an deren Ostküste zu Bach geht, endet schließlich vor Norwegen, Dänemark oder an der Deutschen Bucht.

      Ein anderes Konzept verfolgt man in Amerika: Dort wird ausgelaufenes Öl mit Brandbeschleunigern besprüht, mit Napalm etwa. Dann zündet man das Öl an und fackelt es schlicht und einfach ab.

      Das ist Blödsinn. Das können die Amerikaner und die Brasilianer machen in Gebieten, in denen null Population ist. Das ist natürlich auch nichts weiter als eine Verlagerung der Verschmutzung vom Wasser in die Luft. Und irgendjemand anderes kriegt dann später die Rechnung präsentiert. Stellen Sie sich mal vor, in einem dicht besiedelten Gebiet wie der deutschen Nord- oder Ostseeküste würde man 20.000 Tonnen Öl, die sich dort am Strand abgesetzt haben, mit Brandbeschleunigern anfangen zu verbrennen, und dann noch bei auflandigem Seewind. Dann möchte ich gern mal wissen, was anschließend passieren würde. Könnte ich mir lebhaft vorstellen - Sie nicht? (lacht)

    • "Amoco Cadiz", 223.000 Tonnen.
    • "Atlantic Express", 350.000 Tonnen.
    • "Exxon Valdez", 42.000 Tonnen.
    • "Sea Empress" 70.000 Tonnen.
    • "Erika", 17.000 Tonnen.
    • "Prestige", 40.000 Tonnen.

      Dispergatoren und Brandbeschleuniger sind nichts für Deutschland, das steht fest für Bustorff und seine Leute. Deshalb versuchen sie es auf eine andere, eine mühseligere Weise: Mit Schiffen wie der Neuwerk schöpfen sie das Öl von der Meeresoberfläche ab.

      Cuxhaven, ein Dienstag im November. Wie in jeder Woche ist die Neuwerk für einen Tag in ihrem Heimathafen eingelaufen. Die Mannschaft wechselt, die Crew bunkert Treibstoff und Proviant, ein paar Reparaturen liegen an.

      An Bord herrscht reges Treiben. Mittendrin Kapitän Knud Miles, der aber jetzt ein bisschen Zeit hat und mir die technischen Finessen der Neuwerk zeigt.

      Wir gehen zum Bordhospital. An den Wänden anatomische Tafeln, daneben Beatmungsgeräte und Notfallkoffer, in der Mitte eine Trage. Das Gerät in der Ecke ist ein Gaschromatograph-Massenspektrometer - ein automatischer Spürhund. In Minuten kann er Schadstoffe in Wasser und Luft identifizieren. Lebenswichtig gerade dann, wenn ein Chemietanker Ladung verloren hat. Die Gasschleuse führt zum Arbeitsdeck. Es ist ausgelegt mit rutschfesten Holzlatten.

      Hier unter dem hölzernen Deck befinden sich vier Ladetanks aus rostfreiem Stahl. In diesen Tanks können 1000 Kubikmeter Öl oder Chemikalien aufgenommen werden.

      Knud Miles geht nach achtern, zu mächtigen, Orange lackierten Stahlarmen. Skimmer, so heißen sie. Im Moment lagern sie auf beiden Seiten des Schiffes wie zusammengefaltete Heuschreckenflügel. Bei einem Einsatz aber, wenn es Öl zu bergen gilt, werden sie zu Wasser gelassen und fahren zu voller Länge aus - 15 Meter immerhin.

      Die schwimmen im Wasser, tauchen bis zur Hälfte ein. Und diese Skimmerarme werden dann mit Schleppleinen durchs Wasser gezogen. Wie zwei ausgebrachte Arme werden diese Skimmer dann ca. mit 1,5 Knoten Fahrt durchs Wasser geschleppt.

      Mit den auseinander gebreiteten Skimmern sieht die Neuwerk aus wie ein zu groß geratener Krabbenkutter. Skimmer - wörtlich übersetzt heißt das Schöpflöffel. Er schält das Öl von der Wasseroberfläche ab.

      An diesen Armen befinden sich Gleitplatten. An diesen Gleitplatten soll das Öl dann entlang wandern und wird direkt zu einem Pumpensumpf hin geleitet. In diesem Pumpensumpf befinden sich die Pumpen, die das Öl aus diesem Kasten absaugen. Hier können Sie's auch direkt sehen: Hier gleitet das Öl an diesen Gleitplatten entlang, strömt dann durch dieses Gittersieb in den Pumpensumpf und wird von der Pumpe abgesaugt.

      Mit dem Öl kommt aber auch jede Menge Wasser in die Pumpen. Um das Wasser vom Öl zu trennen, ist ein Spezialfilter eingebaut, der Separator.

      Das Seewasser wird direkt wieder nach außenbords gepumpt. Und das fast reine Öl mit einem maximalen Wasseranteil von 5% geht dann direkt in die Ladetanks.

      Am besten funktionieren die Skimmer bei dünnflüssigem Öl. Das verteilt sich als gleichmäßiger Film auf der Wasseroberfläche. Anders bei Schwerölen, dazu zählen Schmierstoffe und Heizöl: Sie sind dickflüssig und klumpen im Wasser zu zähen Brocken und Flatschen zusammen, mit einer Nutella-ähnlichen Konsistenz. Dann helfen nur noch die Dickstoffpumpen, sagt Knud Miles.

      Das sind Pumpen mit Schneckenantrieben ähnlich wie bei einem Fleischwolf. Und dann wird dieses zähflüssige Öl wie mit einem Fleischwolf direkt in den Ladetank reingedrückt.

      Der Ladetank hat eine Heizung. Sie heizt die zähen Ölklumpen auf bis auf 80 Grad.

      Das Öl wird dann wieder richtig schön leifig, separiert sich von selbst durch die Schwerkraft. Und wenn sich dann das Medium im Tank beruhigt hat, wird das Seewasser unter dem Öl rausgezogen und nach See gepumpt.

      Dann zeigt Miles mir Videoaufnahmen vom Dezember 2002, vom Einsatz nach dem Prestige-Unfall. Die Bilder zeigen, wie hart und gefährlich der Job ist. Immer wieder schwemmen die meterhohen Wellen zähflüssige Ölmassen auf das Arbeitsdeck. Nur mit Mühe halten sich die Männer auf den Beinen. Über und über mit Öl verschmiert schaufeln sie die dicke Flatschen in Richtung Pumpe - und das von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Arbeitsbedingungen an der Grenze des Zumutbaren.

      Im Normalfall sagt man, dass wir bei Windstärke 5 bis 6 Schluss machen. Aber im Fall der Prestige war es der besondere Umstand, dass dort die Küste extrem gefährdet war, und wir auch die Bilder vor Augen hatten, wie die kleinen Fischerboote mit den Händen die Ölklumpen aus dem Wasser holten. Das hat die gesamte Besatzung zusätzlich motiviert, auch dem kleinsten Ölpatschen noch hinterher zujagen, um diesen absaugen zu können.

      Jetzt liegt die Neuwerk am Kai in Cuxhaven und wird für die nächste Fahrt klargemacht. Heute ist der Schiffs-TÜV an Bord und überprüft die Rettungsboote. Decksmeister:

      Das ist bei uns der Germanische Lloyd. Der testet das. Ähnlich wie beim Auto bekommen wir einen neuen Stempel. Und wir dürfen wieder fünf Jahre mit dem Geschirr, so wie's jetzt besteht, fahren.

      Das Rettungsboot fällt ins Wasser, dreht ein paar Runden im Hafenbecken und legt dann am Hauptdeck der Neuwerk an. Statt Menschen hat es - eigens für den Test - Wassersäcke an Bord. Und dieses Wasser wird nun wieder abgepumpt. Bis zum Nachmittag dauert der Check. Danach muss die Neuwerk noch drei Stunden lang bunkern, also Treibstoff tanken. Erst dann kann sie auslaufen zu ihrem Wochentörn in der Deutschen Bucht.

    • "Amoco Cadiz", 223.000 Tonnen.
    • "Atlantic Express", 350.000 Tonnen.
    • "Exxon Valdez", 42.000 Tonnen.
    • "Sea Empress" 70.000 Tonnen.
    • "Erika", 17.000 Tonnen.
    • "Prestige", 40.000 Tonnen.

      Wir haben einen ganz guten Einsatz dort abgeliefert.

      Ulf Bustorff, Chef der Sonderstelle zur Bekämpfung von Meeresverschmutzungen, ist zufrieden mit dem, was die Neuwerk nach dem Prestige-Untergang geschafft hat.

      Wir haben eine Menge Öl aufgenommen, und zwar reines Öl, 1600 Tonnen. Und wenn diese 1600 Tonnen dort noch zusätzlich an die Küste gegangen wären, dann würde das wahrscheinlich noch erheblich schlimmer aussehen als es ohnehin schon der Fall ist.

      Für den Laien klingen die Zahlen eher ernüchternd. Geschätzte 40.000 Tonnen Schweröl hat die Prestige verloren, und nur 5.000 Tonnen haben Spezialschiffe wie die Neuwerk einsammeln können. Der große Rest blieb im Meer oder landete an der Küste.

      Das eigentliche Problem sind die ganzen Begleitumstände. Dass ich nicht alles das, was ich technisch machen könnte, dann auch machen kann. Das ist das Hauptproblem.

      Meeresströmungen, Gezeiten, Seegang und Sturm - das sind die Feinde der Ölbekämpfer.

      Mit zunehmender Windstärke wird der Durchsatz geringer. Wir kriegen immer mehr Wasser und immer weniger Öl.

      Maximal zwei Meter hoch dürfen die Wellen sein. Darüber macht es wenig Sinn, die Skimmer auszufahren.

      Und bei Sturm, bei Windstärke über 7, ist gar nichts mehr möglich. Da werden Sie nur noch zu Eimer und Schaufel greifen können und an dem Strand, an dem sich das nachher sammelt, das abtragen können. Weiteres geht nicht.

      Kein Fall ist wie der andere, sagt Bustorff. Jedes neue Unglück unterscheidet sich von den vorherigen, besonders in punkto Strömung und Wetter. Auch die Art des ausgelaufenen Öls spielt eine Rolle. Und immer mehr Schiffe haben Ölsorten an Bord, die nur noch äußerst schwierig zu bekämpfen sind.

      Bei dem Prestige-Unfall waren das quasi Abfallöle schwerster Sorte, die kaum noch auf der Wasseroberfläche treibbar waren.

      Und in Zukunft sieht Bustorff noch ein weiteres Problem:

      Im Augenblick ist es noch so, dass - trotz spektakulärer Unfälle wie Prestige und Erika - im Vergleich zu 20, 30 Jahren die Unfallhäufigkeit abgenommen hat bis heute, trotz steigender Transportzahlen. Nur ich befürchte, dass durch die offenbar sinkende Qualität der Schiffsbesatzungen diese Tendenz sich schnell ins Gegenteil verkehren könnte. Die früheren Jahresabstände haben sich in der letzten Zeit auf Halbjahresabstände verringert. Wir wären theoretisch jetzt bald wieder dran.

      Zumal immer noch viele Einhüllentanker auf den Weltmeeren herumfahren. Doch ab 2015 sind Europas Gewässer für diese unsicheren Schiffe gesperrt. Danach werden nur noch Doppelhüllentanker zugelassen. Aus denen kann das Öl dank der zweiten Hülle nicht so schnell auslaufen. Und es gibt noch andere positive Entwicklungen: Die internationale Zusammenarbeit verbessert sich zusehends. Europäische Nachbarn kommen sich schnell zu Hilfe, so geschehen beim Untergang der Prestige. Und in Deutschland hat im Falle eines Falles künftig das sog. Havariekommando das Sagen. Eine Lehre aus dem Untergang der Pallas: Ende 98 war der Holzfrachter in Brand geraten, vier Tage lang in der Nordsee getrieben und schließlich vor Amrum gestrandet. 60 Tonnen Schweröl waren ins Wattenmeer gelaufen, 16.000 Vögel verendet. Beim Management der Katastrophe hatten Bund und Länder um Kompetenzen gerangelt - und viel zu spät gehandelt. Solche Pannen soll es mit dem Havariekommando nicht mehr geben. Bei einem Tankerunglück erhält es alle Kompetenzen. Die Fäden laufen in einer einzigen Zentrale zusammen.

      Organisatorisch scheint alles im Lot. Doch was die Technik angeht, ist für Bustorff keine durchschlagende Neuerung in Sicht.

      Bustorff:
      Das berühmte System, das für alle Möglichkeiten heranzuziehen ist, erwarte ich eigentlich nicht. Sondern ich erwarte weiter, dass in den verschiedenen Disziplinen Fortschritte erzielt werden.

      Auf See ist alles sehr schwierig,

      meint auch Horst Oebius, Sachverständiger für Ölschäden in Berlin. Er bezweifelt, dass die Skimmer, die Ölabschöpfer, wirklich gut funktionieren. Der Grund:

      Es bilden sich Wirbel an dem System. Und diese Wirbel haben die dumme Eigenschaft, unter den Barrieren hindurchzugehen, zusammen mit der Strömung. Wenn Sie Pech haben, saugt Ihnen der Wirbel die Fläche vor dem Aufnahmegerät völlig ölfrei. Sie finden das Öl hinter dem Gerät wieder, und Sie nehmen nichts auf.

      Nur bis zu einer Geschwindigkeit von knapp einem Knoten, etwa 1,5 Stundenkilometern, funktionieren die Ölskimmer so halbwegs, meint Oebius. Doch viele Kapitäne würden das nicht beachten.

      Viele Nationen fahren gegen die Strömung - unwissend, dass es diese Grenze gibt. Wenn man gegen die Strömung fährt, fährt man in der Regel auch gegen Wellen. Und Wellen sind sowieso tödlich. ... Da ist immer die Regel, mit den Wellen zu fahren und mit der Strömung zu fahren. Dann kann man das besser dosieren.

      Aber eigentlich favorisiert Horst Oebius eine andere Methode.

      Kiefernborke. Gemahlene Kiefernborke.

      Oder Lederreste. Oder kleingehäckselte Altreifen. Oder Polyurethanschaum. Oder Ecoperl, eine Art Katzenstreu. Das alles sind Bindemittel für Öl. Sie saugen Öl auf wie ein Schwamm das Wasser. An Land haben sich diese Bindemittel durchaus bewährt. Das Grundrezept: Man streut sie einfach auf die Straße auf die Öllache. Wenn sich die Ölbinder kräftig voll gesogen haben, fegt man sie mit dem Besen zusammen und bringt sie auf die Deponie.

      Auf hoher See ist das nicht so simpel. Würde man Lederfetzen oder gehäckselte Autoreifen einfach auf den Ölteppich streuen, so würden Strömung, Wind und Wellen sie rasch auseinander treiben, und man hätte Probleme, sie wieder einzusammeln. Also hat man sich andere Methoden einfallen lassen - etwa den Mobskimmer. Das ist ein Endlos-Fließband, bestückt mit ölbindenden Fasern. Das Gerät hängt am Bordkran und wird sachte über den Ölteppich gefahren. Unten binden die Fasern das Öl. Oben dann läuft das Fließband durch den Wringer. Der wringt die Fasern aus wie die Putzfrau den Wischmob. Das ausgewrungene Öl landet in einem Sammelbehälter.

      Es gibt eine norwegische Untersuchung. Die haben zwei mechanische Geräte und zwei Bindemittel miteinander verglichen. Und der Mobskimmer hat am besten abgeschnitten. Dieser hat nachweislich acht Prozent Öl aufgenommen und war bei weitem das beste und effektivste Gerät. Jetzt haben Sie ungefähr eine Größenordnung, in welchen Bereichen die Dinger überhaupt funktionieren. Unter günstigsten Bedingungen würde ich sagen 20 Prozent von der vorhandenen Ölmenge, die Sie überhaupt aufnehmen können. Mehr schaffen Sie gar nicht.

      Doch auch der Mobskimmer hat seine Grenzen: Mit zähflüssigem Schweröl wird er kaum fertig. Und bei starkem Wind und hohen Wellen versagt auch er.

      Bei ruhigem Wasser geht das natürlich hervorragend. Aber stellen Sie sich vor, das Schiff schaukelt. Dann stellt dieses Dings - das ist immerhin 1,5 Tonnen Gewicht, der ganze Vogel - eine Gefahr dar für Schiff und Mannschaft. Kein Mensch würde das ausbringen mehr.

      Und dann gibt es da noch eine andere Idee: Bakterien, die das Öl einfach auffressen.

      Dass Bakterien solche Schadstoffe verarbeiten können, ist schon lange bekannt. Das kann man auf jedem Hof beobachten. Irgendwann sind Ölflecken, die man mit dem Auto gemacht hat, verschwunden.

      Jürgen Köster vom Institut für Chemie und Biologie der Meere, Universität Oldenburg. Bestimmte Bakterien verspeisen Öl, um an den Kohlenstoff darin zu kommen. In der Regel sind es ganze Bakteriengemeinschaften, die sich in einer komplexen Arbeitsteilung über das Öl hermachen. Köster und seine Kollegen haben Gemeinschaften untersucht, die im Nahen Osten vorkommen.

      Die Ergebnisse haben gezeigt, dass solche Bakteriengemeinschaften sehr wohl in der Lage sind, effektiv Ölsubstanzen abzubauen. Wir haben festgestellt, dass Bakterien, die schon eine gewisse Vorverschmutzung erfahren haben, viel effektiver in der Lage sind, Öl abzubauen.

      Diese Mikroben sind quasi trainiert auf ihre Aufgabe.

      Das passiert prinzipiell auch in der Nordsee. Zum Teil muss man diesen Abbau dann stimulieren dadurch, dass man Nährstoffe zugibt.

      Doch die Bakterien haben nur dann Appetit, wenn die Bedingungen stimmen: wenig Wellen, milde Temperaturen, keine zähflüssigen Öle. Die Vision der gierigen Allzweckmikrobe, die bei Wind und Wetter auf alles Ölige losgeht, scheint in weiter Ferne.

      Ich halte das momentan eher für eine Illusion, weil es zum Ersten nicht einzelne Mikroben sind, sondern Mikrobengemeinschaften, die hier am Werke sind. Der zweite Punkt ist, dass natürlich jede Bakteriengemeinschaft an ihren natürlichen Standort angepasst ist, und dass es nicht vorhersehbar ist, was passiert, wenn man ein fremdes Bakterium in ein solches natürliches System hineinbringt.

      Deshalb sollte man die Bakteriengemeinschaften nutzen, die bereits angepasst sind, meint Köster. Bakterien also, die schon in der Gegend leben, in der sich eine Ölpest abspielt. Ganz gut funktioniert das an flachen, warmen Küsten mit wenig Wellen. So geschehen nach dem 1. Golfkrieg, als Bakterien Teile der ölverseuchten Strände am Persischen Golf nach und nach reinigten. Ob Bakterien oder Skimmer, ob Bindemittel oder Dispergatoren - ein Patentrezept für die Ölbekämpfung ist nicht in Sicht. Das Geschäft bleibt schwierig, sagt Horst Oebius.

      Einer der Leiter der holländischen Ölbekämpfung auf See hatte mal eine Zusammenstellung gemacht von Möglichkeiten, die man hat, um Öl zu bekämpfen. Und da stand an erster Stelle das Nichtstun-Prinzip. Das heißt man muss sich genau überlegen, ob man überhaupt rausgeht, Unmengen an Geld verbrät und dann mit einem Nullerfolg nach Hause kommt.

    • "Amoco Cadiz", 223.000 Tonnen.
    • "Atlantic Express", 350.000 Tonnen.
    • "Exxon Valdez", 42.000 Tonnen.
    • "Sea Empress" 70.000 Tonnen.
    • "Erika", 17.000 Tonnen.
    • "Prestige", 40.000 Tonnen.

      Doch selbst wenn nach einem Tankerunglück die Strände wieder sauber und die Ölteppiche verschwunden sind: Das Problem ist nicht gelöst. Denn meistens reißen die Tanker Unmengen an Öl mit in die Tiefe - in Tanks, die beim Untergang unbeschädigt blieben. An Bord der Prestige etwa vermutet man noch 37.000 Tonnen Schweröl. Mit der Zeit verrotten die Bordwände. Das Öl bahnt sich seinen Weg ins Freie und landet womöglich an der Küste. Auf dem Grund des Atlantiks tickt eine Zeitbombe. Doch Ingenieure aus Norwegen und den Niederlanden haben ein ferngesteuertes Bergungssystem entwickelt, das Pollution Recovery System, kurz Polrec. Eine Art mechanischer, Öl saugender Moskito, etwa so groß wie ein Smart. Bert Kamsteeg von SMIT Salvage, der größten Bergungsreederei der Welt mit Sitz in Rotterdam:

      Das System steckt in einem Rahmen, der es bei einem Zusammenstoß mit dem Schiffsrumpf schützt. Hauptkomponente ist eine Pumpe. Sie pumpt das Öl aus dem Wrack heraus. Dann sind da Kameras zur Positionierung, und Propeller, mit denen sich das System gegen die Bordwand drücken kann. Dort fährt ein Bohrer aus und bohrt vier Löcher in die Schiffswand. Mit Hilfe dieser Löcher kann sich der Roboter dann an der Bordwand festklammern.

      Jetzt bohrt die Maschine ein weiteres Loch, durch das ein Schlauch passt. Durch den Schlauch saugt die Pumpe das Öl aus dem Tank und fördert es nach oben, zum Mutterschiff. Damit in den Tanks kein Unterdruck entsteht, fließt durch ein zweites Loch Seewasser nach. Am Ende der Aktion werden beide Löcher wieder verschlossen.

      Meistens, wenn auch nicht immer, haben wir die Bauzeichnung für das Schiff. Zuerst schicken wir einen Tauchroboter runter und schauen nach, wie das Schiff auf dem Grund liegt - aufrecht, auf der Seite oder sogar auf dem Kopf. Dann können wir mit Hilfe der Bauzeichnungen die Lage der Öltanks feststellen.

      1998 testeten die Experten das Polrec-System an zwei Tankerwracks vor der Küste Koreas. 2001 dann knackten sie auch einen Doppelhüllentanker: die Levoli Sun, ein Chemiefrachter, der vor drei Jahren im Ärmelkanal gesunken war und 3000 Tonnen hochgiftiges Styrol geladen hatte.

      Bislang haben wir es in Tiefen von 100 Metern eingesetzt. Um noch tiefer zu gehen, müsste man die Technik ein wenig ändern. Man könnte den Roboter nicht direkt vom Schiff aus steuern, sondern müsste das von einer zusätzlichen Station machen, die am Meeresgrund verankert wäre. Damit eine Tiefe von 3500 Metern zu erreichen, wie bei der Prestige, wäre kein Thema.

      Das Problem: Diese Einsätze sind langwierig und kosten einige Millionen. Die Evakuierung der Levoli Sun etwa hatte 50 Tage gedauert. Also wird man mit Systemen wie Polrec nur die Wracks leer pumpen, die eine unmittelbare Gefahr für die Küsten darstellen. Der Rest gammelt weiter vor sich hin.

    • "Amoco Cadiz", 223.000 Tonnen.
    • "Atlantic Express", 350.000 Tonnen.
    • "Exxon Valdez", 42.000 Tonnen.
    • "Sea Empress" 70.000 Tonnen.
    • "Erika", 17.000 Tonnen.
    • "Prestige", 40.000 Tonnen.


      10 Meter Platz?

      So, dann wollen wir mal wieder langsam nach See. Dahin, wo wir hingehören. Mal eben den Kümo vorbeilassen, und dann geht es volle Lotte in die Deutsche Bucht!

      Und einmal nach vorne!

      Einmal nach vorne.

      Auf der Neuwerk herrscht gespannte Konzentration. Kapitän Knud Miles muss das Schiff im Hafenbecken wenden. Dann geht's volle Fahrt Kurs Deutsche Bucht. Ein einwöchiger Törn steht bevor.

      Wir fahren morgen Überwachung in der Deutschen Bucht und haben am Donnerstag einen Tanker-Stand-by für einen tiefgehenden Tanker, der für Wilhelmshaven bestimmt ist.

      Sollte was passieren - die Neuwerk wäre zur Stelle. In den Griff bekommen würde sie eine Ölpest zwar nicht. Doch zumindest die Folgen könnte sie ein wenig mildern.